Pensionskassen
9. Mai 2017

Bafin betrachtet Run-Off-Plattformen als taugliches Sanierungsinstrument

Anlässlich der Jahrespressekonferenz der Bafin erörterte die Führungsriege ein breites Themenspektrum, darunter die Frage, wie sich Versicherer den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Im Blick: ZZR und Solvency II.

„Der deutschen Lebensversicherung ist schon oft das Totenglöcklein geläutet worden.“ Mit diesen Worten eröffnete Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, seine Rede anlässlich der Jahrespressekonferenz der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin am 9. Mai 2017 in Frankfurt (Main). „Und doch bleibt unser grundsätzlicher Befund, dass die Branche kurz- und mittelfristig keine lebensbedrohlichen Probleme haben wird – trotz des andauernden Zinstiefs, das die Gesundheit der Lebensversicherer erheblich beeinträchtigt.“
Wie Frank Grund ausführte, entschieden sich einige Versicherer angesichts des andauernden Niedrigzinsniveaus zu einem sogenannten Run-Off, sie stellen also ihr Neugeschäft ein und wickeln ihren Bestand in Teilen oder ganz ab. Hier stehen die Versicherer häufig noch am Anfang. Denn einen externen Run-Off, das heißt, eine Übertragung auf eine eigens dafür vorgesehene Run-Off-Plattform – ein in Deutschland beaufsichtigtes Lebensversicherungsunternehmen – hat die Bafin bis dato erst einmal genehmigt, zwei weitere seien derzeit in der Prüfung, sagte Grund: „Von einem großen Trend ist also noch nicht viel zu sehen.“ Dabei könnten Abwicklungsplattformen nach Einschätzung des Exekutivdirektors „durchaus ein taugliches Sanierungsinstrument sein“. Ein Allheilmittel sei der Verkauf des Bestandes aber nicht. 
Die gesetzlichen Hürden seien so hoch, dass sich eine Übertragung für den Verkäufer selten lohne. Denn die Bafin „wird die Belange der Versicherten wahren, und das kann für die Übernehmer teuer werden.“ Deshalb sei es wirtschaftlich nur dann sinnvoll, ein Portfolio zu übernehmen, „wenn sich große Kostenvorteile erzielen lassen – durch besonders leistungsfähige IT oder etwa eine wesentlich schlankere Organisation“, sagte Grund mit Blick auf Lebensversicherungsbestände. „Run-Off-Plattformen werden sicher auch prüfen, ob sie Solvency-II-Übergangsmaßnahmen in Anspruch nehmen können.“ Attraktiv könnten daher für die Plattformen gerade jene Bestände von Unternehmen sein, die keine Übergangsmaßnahmen nutzen. Die Genehmigungspraxis der Bafin zielt darauf ab, dass der Versicherungsbestand nach der Übernahme in eine Run-Off-Plattform mindestens so sicher ist, wie vor der Übernahme. 
Solvenzkennzahlen nur bedingt vergleichbar 
Am 22. Mai 2017 wird es spannend, zumindest ein wenig. Dann müssen die unter das Drei-Säulen-Konzept Solvency II fallenden Lebensversicherungsunternehmen ihre Jahresmeldungen und damit auch ihre Solvenzquoten veröffentlichen, die man allenfalls als Momentaufnahme betrachten kann. Sie beziehen sich auf den Stichtag 31. Dezember 2016 und die an jenem Tag geltenden Zinsen. Schon heute warnte Bafin-Exekutivdirektor Grund davor, die Quoten der einzelnen Versicherer anhand einer Rangliste zu vergleichen. „Zur Aufstellung einer Rangliste taugen sie nicht“, aber sie ließen sich grundsätzlich vergleichen, räumte er ein. Das liege daran, dass manche Unternehmen volatileren Geschäften nachgingen.
Solvency II reagiere sehr empfindlich auf Marktänderungen: Ein Unternehmen mit einer vergleichsweise niedrigeren Solvenzquote könne das stabilere Portfolio haben, betonte Grund. Bei der Interpretation der Kennzahlen müsse man auch berücksichtigen, dass manche Versicherer Übergangsmaßnahmen nutzten und auch bei der Risikomessung unterschiedliche Wege gingen (Stichwort „interne Modelle“). Auf die Frage, was eine Kennzahl wie die Solvenzquote tauge, wenn man sie nur unter Vorbehalt mit den Kennzahlen der Wettbewerber vergleichen könne, entgegnete Grund: „Solvency II ist entwickelt worden, um ein besseres Risikomanagement vornehmen zu können. Es ist nicht erfunden worden, um eine einfache Rangliste von Solvenzquoten aufzustellen.“ 
Solvenz-Kennzahlen durchweg ausreichend 
Auch Bafin-Präsident Felix Hufeld kam in seiner Rede anlässlich der Jahrespressekonferenz auf die Lebensversicherungsbranche zu sprechen. Dass das Dauerzinstief neben dem Bankensektor auch die Lebensversicherer stark unter Druck setzt, sage die Bafin seit Jahren. Auf kurze und mittlere Sicht wird die Versicherungsbranche nach Einschätzung Hufelds nicht in existenzielle Nöte geraten. Denn Risikomanagement und Risikobewusstsein der Versicherer hätten sich deutlich verbessert. Deshalb geht die Bafin davon aus, dass anlässlich der Vorlage der bereits skizzierten Solvency-II-Kennziffern am 22. Mai „alle Unternehmen ausreichende Solvency-II-Quoten präsentieren“, so Hufeld. Aber: Man beobachte eine Reihe von Lebensversicherern besonders intensiv. Branchenweit gehe der Trend hin zu Produkten ohne feste Garantien. „Alles in allem wartet die Branche also mit einem stärker diversifizierten Angebot auf. Genau das verlangen wir seit Jahren“, unterstrich Hufeld. 
Ein wesentliches Sicherheitspolster sieht der Bafin-Präsident in der 2011 eingeführten Zinszusatzreserve (ZZR), einer Rückstellung, die Versicherer aufgrund der rückläufigen Zinsen am Kapitalmarkt für Verträge mit Garantiezinsen bilden müssen, die über dem derzeitigen Referenzzins liegen. Rund 64 Milliarden Euro werden die Lebensversicherer bis Ende dieses Jahres darin eingezahlt haben, schätzte Hufeld. Allein in diesem Jahr fließen rund 20 Milliarden Euro in dieses Sicherheitspolster. Auf diese Weise sei es der Assekuranz gelungen, den Verpflichtungszins auf 2,18 Prozent zu reduzieren. 
Referenzzins sinkt weiter 
Der Referenzzinssatz für die Bildung der Zinszusatzreserve lag Ende 2016 bei 2,54 Prozent. Bei unverändertem Zinsniveau bis Ende September 2017 würde der Referenzzinssatz zum 31. Dezember 2017 auf 2,20 Prozent fallen. Wenn man davon ausgeht, dass das heutige Zinsniveau konstant bleibt, fällt der Referenzzins aufgrund seiner Durchschnittsbetrachtung trotzdem weiter und sinkt im Jahr 2023 unter den heute gültigen Garantiezins für neue Lebensversicherungen von 0,9 Prozent. Das hieße, die Assekuranz müsste die Zinszusatzreserve nochmals drastisch aufstocken. 
Mit Blick nach vorn plädiert Hufeld dafür, den Aufbau der ZZR weniger kraftraubend zu gestalten – zumal die Unternehmen die Zinszusatzreserve zu großen Teilen dadurch schultern, indem sie stille Reserven, etwa aus gestiegenen Anleihekursen, heben. Das dürfte nach Einschätzung Hufelds aber „dem einen oder anderen zunehmend schwer fallen“. 
Da der Erlös aus den Anleiheverkäufen zum Aufbau der Zinszusatzreserve in den Unternehmen bleibt, wird die so entstandene Liquidität zu den heute marktüblichen Niedrigzinsen in der Regel wieder in zinstragende Papiere angelegt. Der Effekt: Cashflowströme werden so nach vorne gezogen.
Den Kunden geht dadurch nach Angaben aus der Versicherungsbranche kein Geld verloren. Im Idealfall sorgt der in der Zukunft zu erwartende Abbau der Zinszusatzreserve – wenn sich das Zinsumfeld „normalisiert“ – für einen Zusatznutzen für die Versicherungsnehmer. Er stellt dann neben dem Rohüberschuss eine weitere Quelle dar, aus der die Direktgutschrift und die Rückstellung für Beitragsrückerstattung gespeist werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. 
portfolio institutionell newsflash 09.05.2017/Tobias Bürger
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