Immobilien
22. November 2019

Der Value von Core und zum Kern von Value Add

Zum Stelldichein der Immobilienbranche auf der Expo trafen sich wieder Asset Manager, Investoren, Berater, Banken, Retailer und ­Digitalisierer. An Themen war kein Mangel, Schwerpunkte lagen in der Abwägung zwischen Core und Value Add, zwischen Logistik und Retail sowie Nischenstrategien und der Digitalisierung.

„Wir glauben an gute Lagen. Wir wollen gute Mikrolagen in den ­Top-7-Städten. Was wir nicht wollen sind Nachvermietungsrisiken in B-Städten“, sagte Annette Kröger von Allianz Real Estate auf der Expo. Eine hierzu konträre Marktsicht hat Roland Schleider von Mimco ­Capital: „Wir bieten unseren Investoren eine Alternative zur Core-Zwickmühle. Sowohl mit unserem bereits geschlossenen, als auch mit unserem neuen Fonds investieren wir gezielt in Objekte mit Revitalisierungs- und Restrukturierungsbedarf.“ Als typisches Beispiel für die Strategie nennt Schleider ein Nahversorgungscenter in Lübben in der Niederlausitz, bei welchem man vorhandene Flächenkonzepte – gemeinsam mit den Bestandsmietern Rewe, Tedi und Obi – optimiert. Auf der diesjährigen Expo Real in München wurde also wieder einmal ein bunter Strauß an Konzepten diskutiert, um möglichst lukrativ Scheine in Steine zu wandeln.

„Langweilig ist sexy in einer Welt mit großer Volatilität und ­politischen Risiken“, schreibt zwar Savills in einer Marktanalyse. Befriedigen können Core-Renditen auch wegen begrenzter Wertsteigerungs­phantasien jedoch nur noch bedingt. Mehr und mehr suchen ­Investoren darum nun neben Core auch nach etwas Abwechslung durch andere Strategien. Wie eine aktuelle Umfrage von Universal-­Investment unter Investoren mit einem Immobilienkapital von rund 71,4 Milliarden Euro zeigt, hat der stetige Preisanstieg bei ­deutschen Immobilien bei den Befragten dazu geführt, dass sie das ­erreichte ­Niveau im Vergleich zu den Vorjahren insbesondere bei Core zunehmend als nicht mehr akzeptabel beurteilen: 29,4 Prozent stimmten dieser Einschätzung zu. Im Vorjahr waren es nur acht Prozent. Konsequenterweise verschiebt sich damit der Fokus von Core auf Core Plus und sogar Value Add. Bei der Frage nach der Risikoverteilung setzen alle Befragten auf Core Plus, gefolgt von Core (70,8 ­Prozent). „Aufgrund der Renditekompression auf den Immobilienmärkten sind offenbar die Renditen für Top-Objekte in besten ­Lagen nicht mehr auskömmlich genug“, so Universal-Mann Stefan Rockel. Inzwischen ­besteht bei sogar 58,8 Prozent auch Interesse an Value-Add-Objekten,­ die im Vorjahr noch so gut wie keine Rolle spielten.

Core und Value Add

Für jede Strategieausrichtung gibt es gute Argumente – zumindest bei passender Umsetzung. Die sicherheitsbewusste Allianz schätzt bei europäischen Büros sowohl für Core wie für Value Add die ­Metropolen. Paris, München und Kopenhagen – diese drei Städte ­stehen an der Spitze der Studie „Cities That Work 2019“, mit der ­Allianz Real Estate die drei besten Städte Europas für Investitionen für Core-Immobilien im Bereich Office wählte. Die Studie zählt ­Dublin, Paris und München zu den Top 3 im Segment Value Add. Die Spitzenrenditen für Core-Immobilien empfehlen sich jedoch nicht mehr für ein simples Buy-and-Hold. Wie auch der Universal-Studie zu entnehmen ist, hat die Gesamtrendite erheblich an Bedeutung ­gewonnen: Waren es im Vorjahr noch 9,1 Prozent der Befragten, die hier ihren Renditeschwerpunkt verorteten, so sind es 2019 bereits 41,1 Prozent. „Investoren richten ihren Blick angesichts der sich aktuell weiter abschwächenden laufenden Objektrendite offenbar stärker in die Zukunft und setzen bei längerfristigem Anlagehorizont zunehmend auf Wertsteigerungen der Immobilien“, erklärte Rockel. So auch die Allianz. „Um an interessante Renditen zu kommen, ­commiten wir uns frühzeitig für zwei bis drei Jahre“, erläuterte ­Annette Kröger, die als Beispiele zwei Transaktionen in Hamburg und Berlin nennt. Bei beiden Deals arbeitet die Allianz mit dem Projektentwickler Edge zusammen. Das Berliner Bürohochhaus, in dessen Bau die Versicherung gemeinsam mit der Bayerischen Versorgungskammer investiert, soll bis 2023 realisiert sein. Eine andere ­Möglichkeit, mit Core noch attraktive Renditen zu verwirklichen, ist der Einsatz von Fremdkapital. „Langfristig machen die deutschen ­Premiumlagen nur mit mehr Leverage Sinn“, sagte Andreas ­Muschter, Commerz-Real-CEO, Käufer des sogenannten Millenium-Portfolios und Expo-Panelist.

Für mehr Leverage spricht, dass kaum noch jemand in Europa ­Zinssteigerungen erwartet. Ob jedoch dagegen die mit Forwards ­verbundenen Baurisiken eventuell mit Blick auf Kosten und Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie mögliche Bauträger-Pleiten oder auch archäologische Funde unterschätzt werden? Zudem ist die Kapitalbindung lang. Wer hier Bedenken hat, dürfte mit Value Add besser ­bedient sein. „Der Vorteil von Value Add ist, dass die ­Investitionsphase relativ kurz ist“, so Hans-Joachim Lehmann von Warburg-HIH ­Invest, die dieses Segment derzeit aufbauen. Aufgrund der knappen Bau­kapazitäten vermerkt Lehmann auf einem anderen Expo-Panel einen Anstieg bei den Baukosten um fast 25 Prozent. Noch höher seien ­jedoch die Mietsteigerungen. Vergleichsweise attraktiv sind darum die Internal-Rate-of-Return-Ziele, die Lehmann bei – je nach Laufzeit und Entwicklungsaufwand – sechs bis acht Prozent sieht. Rendite­steigernd kann für Erstinvestoren insbesondere nach geglückter Core-Phase ein Secondary an risikoaversere Anleger sein. Möglicherweise schwenken die Erstinvestoren aber dann ALM-bedingt lieber auf eine Cashflow-Strategie um. Kritisch ist wie bei wohl fast jeder Immobilien­strategie aber auch die Pipeline. Eine mögliche Value-Add-Quelle sieht Lehmann in Bestandsimmobilien von Investoren, die von Core auf Value Add im Laufe der Jahre runtergerockt wurden und nun ­einer Revitalisierung harren.

Versicherungen und Family Offices, Logistik und Retail

An Value Add interessierte Versicherungen oder Pensionskassen ­wandeln auf den Spuren von Family Offices. In der Finanzkrise ­erwies sich eine Gemengelage dieser Anlegergruppen als problematisch. Die Ziele von bilanzsensitiven und Cashflow-orientierten VAG-Anlegern einerseits und den unternehmerisch an Wertsteigerungen interessierten Family Offices waren in der Krise nicht mehr wirklich unter einen Hut zu bringen oder in einem Fonds abzubilden. Allerdings ändern sich – siehe Universal-Studie – bei Instis die Präferenzen. Mimco plant für 2020, neben dem neuen Fonds und seinen französischen Family Offices und Vermögensverwaltern, auch institutionelle ­Investoren aus Deutschland anzusprechen. Grundsätzlich können Kooperationen nicht nur wegen des Anlagedrucks interessant sein. Sitze im Investment-Komitee sind für die institutionelle Kundschaft jedoch nicht vorgesehen. Man konzentriere sich auf die umfang­reichen gesetzlichen Informationspflichten und das Reporting. ­„Gerade die französischen Anleger schätzen es sehr, dass wir uns um alle operativen Details kümmern und somit deren Wunsch nach einer nachhaltig erzielbaren und attraktiven Rendite erfüllen“, unterstreicht Schleider. Bislang gab es übrigens für den Luxemburger Fonds laut Schleider bereits zahlreiche Zusagen von vermögenden französischen Family Offices, die ihr Geld in Deutschland arbeiten lassen wollen.

Expo-Dauerthema war aber nicht nur die Abwägung zwischen Core und Value Add, sondern auch zwischen Retail und Logistik. Logistik war in der Vergangenheit klarer E-Commerce-Profiteur, was sich auch in den Wertentwicklungen niedergeschlagen hat. In Savills-­Statistiken ähnelt der Renditerückgang von Logistik in den vergangenen zehn Jahren dem des risikofreien Zinses. Bei Shopping-Centern ist der Rückgang dagegen sehr gering. Die Spitzenrendite liegt bei Logistik mit 3,8 Prozent nun auch unter den 4,3 Prozent von Einkaufszentren. Paul Muno sieht die stark geschrumpften Logistik-Renditen, ­gerade im Vergleich zu anderen Segmenten, langfristig mit Sorge. „Renditen von unter fünf Prozent sind sportlich“, so Muno, der ­hinzufügt, dass Logistikhallen besonders günstig und schnell zu ­bauen sind.

Was es für Retail braucht, sind E-Commerce-Strategien. Ein ausge­wiesener Experte wie Alexander Otto, CEO von ECE und Sohn des Versandhausgründers Werner Otto, sieht interessanterweise im ­E-Commerce auch eine Chance für den Einzelhandel. Otto verweist auf dem Podium auf das Logistik-Problem der letzten Meile, für ­welches dank einer fortschreitenden Digitalisierung Retailer die ­Lösungen sein können. „Wenn der stationäre Handel seine Produkte transparent ins Netz stellt, kann Apple dem Kunden anzeigen, wo es das ­gewünschte Produkt in der Nähe gibt.“ ­Ansonsten sieht Otto den ­Bedarf, laufend zu investieren, damit die Malls für die ­Kundschaft ­interessant sind. Als Beispiele nennt Otto Gastronomie, E-Sports-­Hallen, Escape Rooms oder – bei ausreichender Deckenhöhe – Trampolinparks. „Das sind aber keine Allheilmittel gegen eine schlechte Lage.“ Echte Developments sieht Otto jedoch ­wegen der gestiegenen Baupreise kritisch. Interessanter seien mit Blick auf die Preise, insbesondere im Vergleich zu Logistik, Zukäufe von Shopping-Centern. Bei Mimco soll dagegen die Mieterstruktur zur E-Commerce-Immunisierung beitragen. Roland Schleider: „Unsere Mieter, zum Beispiel Rewe, Tedi, Edeka, C&A oder Kik, bieten adäquate Güter des täglichen ­Bedarfs, auch ‚fast-moving-consumer-goods‘ genannt und sind ­darum durch E-Commerce nicht bedroht. Anstatt den nächsten ­Fashion-Tempel an nicht passenden Standorten zu planen, revitalisieren wir bestehende Nahversorgungscenter und sichern den Kunden ihren täglichen Einkauf.“ In den USA scheint das Problem der letzten Meile jedoch eher auf der Logistik-Seite gelöst zu werden. „Seefried Industrial ­Properties rückt mit den Logistik-Immobilien sehr nah an Wohn­gebiete, womit sich für das Grundstück auch Zweitverwendungs­möglichkeiten ergeben“, so David Rückel vom Placement-Berater Pia Pontis. „Die letzte Meile übernehmen dann Uber-Fahrer.“

Schon seit längerem setzt sich die Asset-Klasse Immobilien nicht mehr nur aus Büro und Wohnungen zusammen. Zu Handel, Logistik gesellen sich längst auch neuere Nutzungsarten oder Nischen wie ­Micro-Living, Gesundheitsimmobilien sowie Gebäude der öffent­lichen Hand wie Kindergärten, Behörden oder Schulen, konstatiert die Universal-Umfrage. „Gesundheit bietet interessante Renditen“, so Paul Muno, der zur Begründung auf unterstützende Rahmen­bedingungen wie Demographie und Vermögen verweist. Bei „Health“ handelt es sich wegen der fixen Verträge mit Betreibergesellschaften um ein klassisch-ausschüttendes Immobiliensegment. Mit wenig Aufwand findet sich normalerweise auch für den Fall der Fälle mit dem Umbau in normale Wohnungen eine Zweitverwendungsmöglichkeit. Kritisch sind regulatorische Risiken und die Personalpolitik des Betreibers. Investoren müssen aber auch damit rechnen, mit der Frage konfrontiert zu werden, ob man denn mit Pflege Geld ver­dienen darf. „Aber kann es denn der Staat?“, so die rhetorische Gegenfrage von Muno. Wegen vieler Vorschriften seien Einsparungen auf Kosten der Pflegebedürftigen auch kaum möglich. Sich unnötig Reputationsrisiken aufzuladen ist für institutionelle Investoren ebenfalls keine empfehlenswerte Strategie.

Digitalisierung rasiert Arbeitsplätze

Großes Thema war auf der diesjährigen Expo auch mit Blick auf die Aussteller die Digitalisierung. „Die Digitalisierung wird in der ­Immobilienbranche für fundamentale Veränderungen sorgen“, prognostiziert Paul Muno. Betroffen seien Planung, Bau und ­insbesondere Bewirtschaftung. „Künftig ist das Gebäude im Netz und finanziert und betreibt sich selbst. Um beispielsweise die Nebenkosten­abrechnungen kümmert sich dann statt dem Buchhalter eine Schnittstelle“, so Muno. Solche volldigitalisierten Schnittstellen werden ­künftig auch für Einschnitte bei Arbeitsplätzen von Akademikern ­sorgen. Die Entwicklung, dass die Digitalisierung auch für geringere Nachfragen nach Büros sorgt, sieht der Immobilienexperte von ­Principal jedoch nicht.

„Keep calm and carry on“ – aber mit Plan B

Wer die verschiedenen und gefühlt immer zahlreicheren Immobiliensegmente und Strategien auf einen gemeinsamen Nenner bringen möchte, kann diesen im intensiveren Management sehen. Sei es ­Management an der Immobilie, des Leverage, von Baukosten oder von Forwards. Zu erwarten ist darum – nachdem die Asset-Klasse durch Logistik und Healthcare einen gewissen Infrastruktur-Touch bekommen hat –, dass künftig auch die Private-Equity-Komponente stärker wird. Dies zieht wiederrum besondere Anforderungen an das Risikomanagement nach sich. Es gilt vorsichtiger, also beispielsweise außerhalb von Core mit weniger Fremdkapital zu hantieren, und ­operativer zu sein. Letzteres betrifft beispielsweise das Mietermanagement. Ansonsten gab der Titel eines Panels die Stimmung unter den Teilnehmern gut wieder: „Keep calm and carry on“ – allerdings mit weniger Leverage und einem Plan B!

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