Statement
23. Mai 2019

Die Integration von ESG-Kriterien schafft einen Mehrwert für Investoren

Nachhaltig zu investieren hat viele Facetten. Dass es herausfordernd aber auch lohnend ist, sich mit der Verzahnung und Integration dieser verschiedenen Aspekte zu befassen, macht dieses Interview mit Ingo Ahrens von BNP Paribas Asset Management deutlich.

Wie gewichten Sie bei ESG-Ansätzen das E, das S und das G? Welcher dieser Faktoren hilft besonders, Downsides zu vermeiden beziehungsweise Upsides zu schaffen?
Unser ESG-Researchteam hat eine eigene Bewertungsmethode zur ­Wertpapieranalyse entwickelt, um gute Investitionsziele zu ­finden und Risiken besser zu managen. Auf Basis dieser Analyse wird für jedes Wert­papier ein ESG-Wert auf einer Skala von 0 bis 100 berechnet. Der Governance-Score fließt dabei mit mindestens 30 Prozent ein, der Social-Score mit mindestens 20 Prozent und der Umwelt-Score muss mindestens zehn Prozent betragen. Insofern müsste es bei uns eher GSE- als ESG-Ansatz heißen.
Ein Beispiel: BNP Paribas Asset ­Management richtet sich derzeit ganz auf das Thema Nachhaltigkeit aus. So werden spätestens ab 2020 für all unsere Fonds und ­Mandate konkrete Ziele verfolgt, wie zum Beispiel sauberes Wasser und weniger CO2, besserer Arbeits- und Verbraucherschutz – aber auch ein höherer Frauenanteil in den ­Vorstandsetagen.

Warum ist für Investoren die Frauenquote von Relevanz?
Unternehmen, die sich durch einen hohen Grad an Diversität auszeichnen, sind mit höherer Wahrscheinlichkeit auch überdurchschnittlich profitabel. Das war 2018 Ergebnis der Studie „Delivering Through Diversity” von McKinsey. Besonders groß ist dieser Zusammenhang beim Frauenanteil im Topmanagement (Vorstand und zwei bis drei Ebenen darunter). Unternehmen, die hier sehr gut abschneiden, haben eine um 21 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.
Hierzulande ist dieser Effekt besonders deutlich: Bei deutschen Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte im Topmanagement verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit eines überdurchschnittlichen Geschäftserfolgs sogar. In solchen Firmen liegt also enormes Upside-Potenzial.

Die Forschung tendiert zu einem positiven Verhältnis von Nachhaltigkeit und Performance. In welchen Fällen kostet Nachhaltigkeit Performance oder erhöht das Risiko?
Nachhaltigkeit kann Performance kosten, wenn strenge SRI-Richtlinien mögliche ­Renditebringer aussortieren. Grundsätzlich aber senkt ESG eher das Risiko, statt es zu erhöhen, und kann so auf Dauer zu einer besseren Wertentwicklung führen.
Ziel unserer ESG-Integration ist, dass die ­Investment-Teams besser informiert sind und so bessere Entscheidungen treffen ­können – und nicht, das Anlageuniversum zu stark einzuschränken. Das Ergebnis ­sollte sein, dass denjenigen Investitionen mit ­hohen ESG-Risiken besondere Sorgfalt und zusätzliche Due Diligence gewidmet wird. Ein weiteres Ergebnis sollte sein, dass das Bewusstsein für potenzielle Chancen im ­Zusammenhang mit ESG ­geschärft wird.
Unsere Anlagerichtlinien besagen, dass der ESG-Score eines Portfolios besser sein muss als der der Benchmark. Das kann man als Einschränkung sehen. Wir begrenzen die spezifischen Investments aber nicht per se. Unternehmen mit einem niedrigen Score müssen nur mit Firmen mit einem höheren Score ausgeglichen werden. Der Weg ist das Ziel beim Thema Nachhaltigkeit.

Sind Engagements die beste Nachhaltigkeitsstrategie, um Wertsteigerungen zu erzielen?
Engagements sind eine Chance und eine ­Verpflichtung zugleich. Und diese Verpflichtung nehmen wir sehr ernst: Im Jahr 2017 haben wir 1.490 Jahreshauptver­sammlungen besucht, wovon bei 395 allen Punkten zugestimmt wurde. Bei 1.095 Versammlungen haben wir mindestens gegen einen Punkt gestimmt.
Im Research zeigt sich, dass Firmen, die gesellschaftlich verträglich und umweltgerecht handeln, seltener in die Pleite ­rutschen oder ihre Schulden nicht bezahlen als ­andere. Wir sind daher fest überzeugt, dass ­Unternehmen, die einen nachhaltigen ­Ansatz verfolgen, verantwortungsvoller handeln und somit langfristig einen Mehrwert für unsere ­Anleger generieren können – darauf wollen wir hinwirken.
Es geht uns dabei nicht darum, uns in das operative Geschäft der Unternehmen ein­zumischen. Doch glauben wir, dass eine Zusammenarbeit grundsätzlich effektiver ist als Auschlüsse.

Mit dem Pariser Klimaabkommen und dem Aktionsplan der Europäischen Kommission fokussiert sich Nachhaltigkeit verstärkt auf Ökologie und den ­Klimawandel. Ist diese Entwicklung zu einseitig?
Dieser Schwerpunkt ist wichtig und ­richtig. Damit er jedoch kein Übergewicht ­bekommt, ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie auf drei wichtige Themen hin ausgerichtet: Energiewende, Umwelt und Gleichberechtigung, die „3E“ (Energy Transition, Environment und Equality). Damit verfolgen wir ­konkrete Ziele, wie etwa weniger CO2, den Schutz der Wälder, sauberes Trinkwasser – oder eben auch die Erhöhung des Frauenanteils in den ­Vorstandsetagen.

Droht durch die EU-Nachhaltigkeits­taxonomie, dass es zu Verzerrungen der Bewertungen von einzelnen Assets kommt? Sorgt die Taxonomie für Marktrisiken?
Während die EU-Taxonomie weitgehend ­begrüßt wird, erhitzt sie bei manchen Marktteilnehmern ganz schön die ­Gemüter. Einige Kritiker befürchten eine Blasen­bildung, andere sehen gar die Stabilität des Finanzmarktes gefährdet.
Das Risiko sehen wir so nicht. Wenn ­Klimarisiken für Investoren sichtbarer ­werden, dürfte das die Stabilität des Finanzsystems eher weiter stärken.
Gravierender war da schon eher die ­Aussicht, dass ganze Branchen als „nicht nachhaltig“ abgestempelt und ausgeschlossen werden könnten. Aber diese Idee ist vom Tisch; eine Negativliste wird es nicht geben.

Welche Marktreaktion ist auf die Offen­legungsverordnung zu erwarten, welche Investoren wie Asset Manager verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsstrategie darzulegen, sofern sie eine solche besitzen? Welchen Preis hat es, wenn sich Investoren und Asset Manager dem Thema Nachhaltigkeit verweigern und dies nun offenlegen müssen?
Im Rahmen der Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung müssen Vermögensverwalter und institutionelle Investoren Farbe bekennen und darlegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. Das bedeutet mehr Transparenz im Markt, verhindert irreführende Informationen und ermöglicht einen Vergleich verschiedener Produkte. Es dürfte den Markt weiter beleben und der Trend hin zu nachhaltigen Investments wird weiter zunehmen.
Das gilt zunächst vor allem mit Blick auf die institutionellen Anleger. Aber auch der Privatkundenmarkt dürfte anziehen. Denn im Jahr 2025 gehören 75 Prozent der ­Erwerbstätigen zu den Millennials, von ­denen 84 Prozent Nachhaltigkeit für ein zentrales Kriterium halten. Das ergaben ­Studien des Institute for Sustainable Investing von Morgan Stanley.

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