Versicherungen
21. Mai 2014

Dr. Felix Hufeld: „Niemand steckt den Kopf in den Sand“

Die deutschen Versicherungen sind in Sachen Solvency II auf einem guten Weg. Im Sommer wird die Bafin alle Lebensversicherer auf ihre Eigenmittelausstattung hin unter den Solvency-II-Bedingungen untersuchen. Änderungen in einigen Asset-Klassen sind möglich, wohl aber nicht für Infrastruktur.

Spaghetti mit einem Strich Butter und dazu ein Glas Rotwein. Dr. Elke König, Präsidentin der Bundesfinanzaufsicht Bafin, kennt einfache Rezepte, die trotzdem sehr gut sind. Allerdings funktioniere dies nicht in der Finanzmarktregulierung. Hier würden „einfache Rezepte meist ins Abseits“ führen, wie die Präsidentin auf der Bafin-Jahrespressekonferenz in ihrer Eingangsrede ausführte. Dafür sei die Materie zu komplex. „Was wir brauchen, sind umfassende, risikosensitive Regelwerke wie Basel III oder – auf die Versicherer übertragen – Solvency II. Auch eine Autobahn hat Leitplanken“, so König. 
Die deutschen Versicherer sind in Sachen Solvency II, deren Vorbereitungsphase bis Ende 2015 läuft, auf einem guten Weg. Dr. Felix Hufeld, Exekutivdirektor für Versicherungsaufsicht, merkte auf der Bafin-Pressekonferenz an: „Die deutschen Versicherungen sind gut unterwegs. Ich habe nicht den Eindruck, dass jemand den Kopf in den Sand steckt. Es werden enorme Anstrengungen unternommen.“ Um zu prüfen, wie die Solvenzkapitalbedeckung unter Solvency-II-Bedingungen aussehen würde und damit wie sich die Wirkung des Long-Term-Guarantee-Package darstellt, wird die Bafin im August und September dieses Jahres eine verbindliche Untersuchung durchführen. Die Teilnahme ist für alle Lebensversicherungen verbindlich. „Wir – wie die gesamte Branche – blicken mit Spannung auf die Ergebnisse der Untersuchung“, so Hufeld. Spekulationen über Problemkandidaten, die durch Solvency II und das Niedrigzinsumfeld Schaden nehmen könnten, wollte der Exekutivdirektor zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anstellen. Stattdessen wies er darauf hin, dass die durchgeführten Stresstests zeigen, dass die Lebensversicherungen und Pensionskassen stabil aufgestellt sind.  
Pensionskassen im Stress
Auch im vergangenen Jahr führte die Bafin einen Stresstest in der Assekuranz zum Stichtag 31. Dezember 2012 durch. Alle 90 Lebensversicherungen, die sich diesem unterzogen, wiesen in allen vier Szenarien des Stresstestes (isoliertes Rentenszenario, isoliertes Aktienszenario, Renten- und Aktienszenario, Aktien- und Immobilienszenario) positive Ergebnisse auf. Auch die Mehrheit der 132 beteiligten  Pensionskassen – 18 Einrichtungen waren aufgrund ihrer risikoarmen Kapitalanlage befreit – konnte überzeugen. Sieben Pensionskassen kamen auf ein negatives Ergebnis, wobei die jeweilige Unterdeckung laut dem Bafin-Jahresbericht „in der Regel gering“ war. Die Bafin stehe in engem Kontakt mit den Unternehmen, damit diese ihre Risikotragfähigkeit verbessern.
Offenbar hat sich die Situation jedoch noch nicht verbessert. Beim letzten Stresstest der Bafin zum Stichtag 31. Dezember 2013 sollen elf Pensionskassen in einem oder mehreren Szenarien durchgefallen sein, wie das Forum Leiter-bav.de berichtet. Dabei soll  es sich um kleinere Pensionskassen handeln, die nicht zu den 20 größten Unternehmen der Branche gehören. Fünf der elf durchgefallenen Pensionskassen sind für den Neuzugang bereits geschlossen, hieß es bei Leiter-bAV.de weiter. Drei der elf Pensionskassen würden die Solvabilitätsvorschriften nicht erfüllen und hätten den Stresstest deshalb nicht bestanden. Um die weiteren Entwicklung zu beobachten, würden quartalsweise Stresstests angefordert, erläuterte die Bafin gegenüber dem bAV-Forum Aufsicht weiter.
Zinszusatzreserve: das richtige Instrument für Niedrigzinsphasen
Dass die deutschen Versicherungen stabil aufgestellt sind, führt Hufeld nicht zuletzt auf einige Maßnahmen zurück, die in der Vergangenheit getroffen wurden. Er spielt hierbei auf die Zinszusatzreserve an. „Der Aufbau der Zinszusatzreserve belastet die Branche zwar zunächst sehr“, heißt es diesbezüglich im Jahresbericht der Bafin. 2013 wurden dafür allein rund sechs Milliarden Euro aufgewendet. Trotzdem sei sie „das richtige Instrument, um die Versicherer für Zeiten anhaltend niedriger Zinsen zu rüsten.“ Auch 2014 will die Bafin die Lebensversicherungsunternehmen gezielt mit Blick auf ihre Entwicklung im Niedrigzinsumfeld analysieren. Zudem werde die Behörde erneut eine Branchenabfrage durchführen, die eine Fünf-Jahres-Prognoserechnung umfasst, die sie für die weitere aufsichtsrechtliche Tätigkeit nutzen wird. Kritisch sieht die Bafin hierbei die bestehende Regulierung zu den Bewertungsreserven. „Ausgerechnet in Zeiten sinkender und niedriger Zinsen müssen Versicherer sehr hohe Beträge an die wenigen ausscheidenden Kunden ausschütten. Dem sehr viel größeren Kollektiv der verbleibenden Kunden gehen so Mittel verloren“, schreibt die Bafin in ihrem Jahresbericht und fordert eine neue Regelung. Hufeld konnte auf der gestrigen Pressekonferenz zum aktuellen Stand in der politischen Diskussion nicht viel sagen, er sei selbst gespannt. Eine Korrektur hält er aber für zwingend erforderlich. Mit Blick auf die unterschiedlichen Generationen sprach er von einer „himmelschreienden Ungerechtigkeit“. 
Bereitschaft zur Kalibrierung 
Auch in Bezug auf die Eigenmittelanforderungen unter Solvency II konnte der Exekutivdirektor der Bafin über keine konkreten Änderungen berichten. Es sei jedoch eine Bereitschaft zur Kalibrierung zu sehen. Diese habe die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa beispielsweise bereits in Sachen Asset Backed Securities (ABS) gezeigt. Nach einer genaueren Analyse dieser Asset-Klasse wurde eine Unterscheidung zwischen Typ 1 mit höchster Qualität, für die die Eigenkapitalunterlegung deutlich herabgesetzt wurde, und Typ 2 mit unverändert hoher Risikokapitalquote eingeführt. Vergleichbare Analysen werden laut Hufeld auch für andere Asset-Klassen gemacht, so zum Beispiel für Infrastruktur. Zurzeit zeigt sich Hufeld bezüglich möglichen Änderungen in den Eigenkapitalvorschriften für Infrastrukturanlagen aber zurückhaltend, da die Datengrundlage sehr schlecht sei. Außerdem merkt er an: „Der limitierende Faktor ist ein Mangel an qualitativ hochwertigen Assets, nicht das Aufsichtsrecht.“ 
Eindeutigen Änderungsbedarf sieht er unterdessen bei Staatsanleihen: „Wir als Bafin teilen die Auffassung, dass Staatsanleihen nicht als risikofreie Anlagen zu qualifizieren sind.“ Im Moment sei zwar keine Unterlegung mit Eigenkapital vorgeschrieben. Hufeld ist jedoch zuversichtlich, dass man sich im Laufe der nächsten Jahre diesem Thema erneut annehmen wird. Die Bafin lege bereits heute Wert darauf, dass im Rahmen von internen Modellen dem Risiko von Staatsanleihen Rechnung getragen wird. In Deutschland sind es inzwischen allerdings nur noch vier Versicherungsunternehmen, die mit einem internen Modell arbeiten wollen. „Vor einigen Jahren gab es viel Optimismus für das interne Modell. Dies ist dem Realismus gewichen“, so Hufeld. Zugleich warnt er vor Schwarz-Weiß-Malerei: „Auch im Standardmodell  gibt es unternehmensspezifische Paramater, die von uns zu genehmigen sind.“ 
König: vorsichtig optimistisch für deutsche Bankinstitute 
Im Übrigen sieht die Bafin nicht nur in Bezug auf Solvency II und Staatsanleihen Nachholbedarf, sondern auch auf Basel III. So hält Dr. Elke König es zwar für richtig, dass der Baseler Ausschuss am Prinzip der Risikosensitivität festgehalten hat, aber der Umgang mit Staatsanleihen müsse geändert werden. „Er ist in Teilen zu pauschal und fördert die Verquickung von Staaten und Banken“, erklärte König auf der Pressekonferenz. Zudem wies sie darauf hin, wie wichtig es sei, ein grenzüberschreitendes Abwicklungsregime  für systemrelevante Banken zu schaffen. Die Europäische Union habe den Grundstein gelegt, der Makel sei nur dessen Reichweite. Es brauche ein globales Regime. 
Das Comprehensive Assessment für die Institutsgruppen, die ab dem 4. November 2014 voraussichtlich unter der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank stehen, bezeichnete König als einen „Hürdenlauf der besonderen Art – ohne vorheriges Training und mit hochambitionierter Zeitvorgabe“. Was das Abschneiden der 24 deutschen Teilnehmer angeht, zeigte sich die Bafin-Präsidentin „vorsichtig optimistisch“. Sie gehe davon aus, dass der Review und das Basisszenario des Stresstests keine großen Überraschungen brächten. „Ich kann aber nicht ausschließen, dass das adverse Stressszenario für einzelne Institute sehr anspruchsvoll wird.“           
portfolio institutionell newsflash 21.05.2014/Kerstin Bendix
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert