Schwarzer Schwan
31. August 2018

Ein Desaster kommt selten allein

Die Reichen, Schönen und Mächtigen haben im Jahrhundertsommer viel von ihrem einstigen Glanz eingebüßt.

Endlich ist sie vorbei, die scheinbar endlos lange Sommerpause, in der die Redaktion von portfolio institutionell Zeit und Muße hatte, das Leben der High Society und der Crème de la Crème auf dem Börsenparkett mit Hochgenuss zu verfolgen, auch wenn man sich am Ende des Tages fragen muss, was die viele Sonne da nicht nur mit den armen Landwirten angerichtet hat.

Erinnert sei kurz und knapp an die Ex-Ikone aus dem Radsport, Jan Ullrich, wobei wir hier nicht weiter in der Wunde rühren wollen, auch, um den armen Til Schweiger nicht wieder auf die Palma de Mallorca zu bringen.

Zu viel Sonne hat wohl auch der Präsident der Türkischen Republik, Recep Tayyip Erdoğan, abbekommen, dem in diesen Tagen der Außenwert seiner Landeswährung durch die Finger rinnt. Immer mehr Schwellenländeranleger erkennen, dass die Türkei zu den fragilsten Emerging Markets zählt. Aber auch in anderen Schwellenländern eskaliert die Lage.

Die eigentliche Geschichte beginnt jedoch in Frankfurt am Main, also genau dort, wo Jan Ullrich eben erst Station und auf sich aufmerksam gemacht hat. Im Herzen der Finanzmetropole gibt es nicht nur viel zu viel Geld, sondern auch unterhaltsame Damen wie Brandy, die auf eben jenes scharf sind. Futsch ist das liebe Geld nun aber bei der Schnigge Wertpapierhandelsbank: Nach annähernd fünf Verlustjahren, einer knapp abgewendeten Insolvenz und der Suche nach neuen Geschäftsfeldern stellen die Frankfurter ihren Betrieb weitgehend ein, wie die Börsen-Zeitung in dieser Woche meldete.

Viele werden sich erinnern: Schnigge war um die Jahrtausendwende als Anbieter vor- und außerbörslicher Kurse bekannt. Heute ist der Schnigge-Aktienkurs außerirdisch.

Und auch die Anleger von Bayer hatten im August keine Fortune mit ihrem Investment, wie der scharfe Kursverfall nach einem Gerichtsurteil der eben erst im Konzern eingegliederten Unkrautbutze Monsanto zeigt. So hatte man sich die Rendite nach dem langwierigen Zukauf bei Bayer in Leverkusen wohl nicht vorgestellt: Milliarden über Milliarden fielen dem Unkrautvernichter zum Opfer.

Eskapaden im Sommerloch 
Wo wir gerade von finanziellen Eskapaden im Sommerloch sprechen: Auch mit den im M-Dax gelisteten Aktien der Immobiliengesellschaft Deutsche Euroshop war zuletzt kein Staat zu machen. Zu dumm, Großaktionär und Aufsichtsrat Alexander Otto kaufte im Juli über seine Cura Vermögensverwaltung im ganz großen Stil Anteile der Euroshop, man könnte auch sagen, er machte dem Firmennamen alle Ehre.
Wer die Auflistung seines Einkaufsbummels sieht, dem kann ganz schummrig vor Augen werden, wie Otto an der Börse ein Aktienpaket nach dem anderen zusammenklaubt, um am Ende des Tages 6,7 Millionen Euro frisch investiert zu haben – für Beobachter ein glasklares Zeichen, dass hier was im Busch sein muss. Nur hat die Kauforgie Ottos bislang nicht so recht gefruchtet, wie der dümpelnde Aktienkurs zeigt.
Apropos dümpeln: Die Deutsche Bank (20,3 Milliarden Euro) ist neuerdings weniger wert als der ausgemachte Dax-Aspirant Wirecard (23,4 Milliarden Euro). Die „Blauen“ liefern sich schon längst nicht mehr einen Kampf um die Vorherrschaft am globalen Bankenmarkt, sondern lieber ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Commerzbank, wessen Aktienkurs es schafft, länger unter die Zehn-Euro-Marke zu tauchen ohne abzusaufen.
Zwangsweise wieder aufgetaucht ist in dieser Woche die Führungsriege des insolventen Agrarunternehmens KTG Agrar: Denn die Klage des Insolvenzverwalters Stefan Denkhaus gegen den früheren KTG Agrar-Chef Siegfried Hofreiter sowie sieben weitere Vorstände und Aufsichtsräte des mittlerweile abgewickelten börsennotierten Bauernhofs wird vor dem Landgericht Hamburg verhandelt. Denkhaus fordert von den ehemaligen, bei der Allianz versicherten Managern insgesamt 189 Millionen Euro.
Der Verdacht: Bei KTG Agrar soll es lange Zeit Luft-Buchungen gegeben haben, wie das Portal Juve berichtet. Inhouseverkäufe sollen genutzt worden sein, um die Bilanz zu schönen. Die vermeintlichen Umsätze wurden an anderer Stelle als Darlehen geführt. Der grenzenlos kreative Einfallsreichtum bei Buchführung und Bilanzierung erinnert ebenfalls an die Zeit um die Jahrtausendwende.
Lassen wir es damit erst einmal bewenden. Sie dürfen entscheiden, wer Ihr persönlicher Schwarzer Schwan der Woche ist oder besser: Der Master of Desaster. Ins Rennen mischt sich kurzfristig nur noch Scout24-Chef Gregory Ellis ein, dem es bei dem M-Dax-Mitglied über den Sommer offenbar zu heiß wurde und der das Unternehmen schnurstracks verlassen will. Nach Verkündung des Abgangs schmierte die Aktie um über sieben Prozent ab.
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