Strategien
25. November 2019

Factorinvesting in Korruption: mehr Rendite, weniger Wohlstand

Gastbeitrag von Prof. Dr. Friedrich ­Thießen, Inhaber der Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre der TU Chemnitz.

Korruption und Nachhaltigkeit

Korruption ist mit einer Reihe gesellschaftlicher Missstände verbunden, die eine Faktorprämie mehr als rechtfertigen, sich aber mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, der an den Finanzmärkten hoch im Kurs steht, in Konflikt befinden.

  • Makroökonomisch gesehen: Arbeitslosigkeit und Korruption sind positiv korreliert. In Europa sind alle Länder mit hoher Jugend­arbeitslosigkeit überdurchschnittlich korrupte Staaten. ­Genauso sind Korruption und BIP/Kopf (negativ) korreliert. Der Anteil der Non Performing Loans am Gesamtkreditvolumen ist ­positiv korreliert mit der Arbeitslosenquote in einem Land. Auch Inflation und Korruption scheinen positiv korreliert zu sein. Park untersucht den Zusammenhang von Korruption und Finanzkrisen der 80er und 90er Jahre. Er findet im Vorfeld gehäuft ­Kreditausfälle in korrupteren Ländern, die zu den Krisen beigetragen haben.
  • Finanzmärkte: Es gibt weltweit etwa 50 Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Korruption und Finanzmärkten befassen. Grafik I: Rendite und Korruption (CPI) für 10-jährige Staatsanleihen im EuroraumDie Ergebnisse sind eindeutig: Korruption ist mit höherem Ausfallrisiko korreliert. Banken in korrupteren Ländern haben mehr Non-Performing-Loans (siehe auch Abbildung Seite 19). Staatsanleihen aus korrupteren Ländern fallen häufiger aus. ­Accounting-Daten aus dem Rechnungswesen sind in korrupteren Ländern öfter gefälscht und weniger verlässlich. Die Bildung von Kreditabschreibungen wird bei korrupteren Banken verzögert. Das Rechtssystem ist in korrupten Staaten unzuverlässig. Rechtsdurchsetzung, insbesondere also Eintreibung von Kreditforderungen wird erschwert. Korrupte Länder erzielen schwache Werte im „strength of legal rights index“ der Weltbank. Oft liegt die Macht in den Händen einflussreicher Familien. Clandenken dominiert. In korrupten Ländern sind wichtige Banken oft in Staatsbesitz oder werden staatsnah geführt. Kreditmittel werden vorrangig an ­„politically connected“ Unternehmen und Personen ausgereicht, welche die empfangenen Vorteile auf verschiedenen Wegen ­zurückgeben. Von Banken in Familienbesitz werden ­Freundeskreise und Clanmitglieder unterstützt.
  • Kreditgeberseitig: Man findet Bestechlichkeit von den „Loan ­Officers“ bis zum „Board“. Üblich sind Kickbacks nach Kreditauszahlung an die Mitarbeiter oder den Vorstand. „Bogus Loans“ ist die Bezeichnung für Scheinkredite, die keinem wirklichen Bedarf oder Projekt entsprechen. Der Auszahlungsbetrag wird zwischen Loan Officer und Kreditnehmer aufgeteilt. Eine Bedienung der Kredite ist von vorherein nicht beabsichtigt.
  • Kreditnehmerseitig: Die Verweigerung der Tilgung spielt eine ­zentrale Rolle. Dieses Verhalten wird durch schwache ­Rechtssysteme unterstützt, welche die Eintreibbarkeit von Forderungen ver­hindern. Korrupte Abgeordnete verbessern die Rechte der ­Gläubiger absichtlich nicht, um traditionelle Verhaltensweisen und Klientelsysteme beibehalten zu können. Kreditnehmer, welche die ­Bedienung von Krediten eingestellt haben, obwohl sie die Mittel dazu hätten, werden „strategische Kreditnehmer“ genannt. Der griechische Premier Tsipras unterstützte diese durch sein Wahlversprechen „Keine Wohnung in die Hand der Banker“. Bis zu einem Betrag von 300.000 Euro sollten Banken darauf verzichten, Immobilien von säumigen Schuldnern einzuklagen. Dass Griechenland eine Non-Performing-Loan-Quote von 48 Prozent hat, verwundert deshalb nicht – wer würde angesichts solcher Möglichkeiten noch zurückzahlen wollen? In Pakistan (CPI-Wert 33) genehmigen sich Personen mit Beziehungen in die Politik hinein (Politiker, Staatsangestellte, Militärs) Extragehälter durch Kredite bei Staatsbanken und staatsnahen Banken, die nach einer „Grace Period“ nicht mehr bedient werden. Es handelt sich um „willfully defaulting on loans that are accumulated with the intention of not being returned“.

Was ist zu tun?

Die Nachhaltigkeitswelle wird immer stärker. Mehr und mehr ­Investoren wollen nachhaltige Wirkungen hinterlassen. Impact ­Investing ist das Ziel vieler Anleger. Es fragt sich, ob Anlagen in korrupten Ländern, die auf die Faktorprämie des Risikofaktors ­Korruption zielen, dazu gehören. Die wissenschaftliche Literatur deckt bisher nur einen Teil der Verhaltensweisen auf, die in korrupten Ländern im ­Finanzgeschäft üblich sind. Aber diese Verhaltensweisen sind, das zeigen die oben beschriebenen Fälle, in keiner Weise nachhaltig.
Asset Manager sollten sich in Zukunft stärker bewusst machen, wie problematisch Korruption ist. Korruption verhindert Wohlstand für alle und verteilt Reichtum ungerecht. Vermögensanlagen in korrupte Länder mit dem Ziel, eine Mehrrendite aus dem Faktor Korruption zu erzielen, sollten in Zukunft vermieden werden. Fonds, wie die oben beispielhaft herausgegriffenen, die harmlose Namen tragen und Attribute wie „Yield Plus“ im Namen führen, dabei aber ihre Mehrrendite aus dem Spread von hoch korrupten europäischen Ländern ziehen, ­sollte es in einem wirklich nachhaltigen Umfeld nicht mehr geben. Wer auf diese Weise in korrupte Länder Geld gibt, macht sich zum Komplizen der Korruption.

Grafik II: Korruption und Non-Performing-Loans weltweitDagegen sind aber bewusste Investments in solche Länder mit dem Ziel zu helfen, also mit entsprechenden Vorkehrungen gegen Korruption ausgestattete Anlagen, selbstverständlich nicht zu kritisieren. ­Investments in Emerging Markets sind in dieser Hinsicht problematisch. Denn viele dieser Länder gehören zu den korruptionsreichsten der Welt. Soll man gar nicht mehr dort investieren? Die Lösung kann nur im Vorbild von Weltbank, IWF oder EU liegen, die bei ihren Entwicklungskrediten ganz intensiv Vorkehrungen gegen korruptionsbedingte Verschwendung und Veruntreuung von Mitteln treffen.

Insgesamt muss die Forderung erhoben werden, dass jeder Asset ­Manager sein Portfolio daraufhin überprüft, welcher Anteil seiner Renditen aus dem Faktor Korruption stammt. Dazu kann in einem ersten Schritt der durchschnittliche Korruptionsgrad der Geldanlagen in den verschiedenen Vermögensbestandteilen berechnet werden. ­Dazu sind die Statistiken von Transparency International hilfreich. Dann kann im Sinne des Impact Investing überprüft werden, ob ­genügend Vorkehrungen gegen eine korrupte Verwendung der investierten Mittel getroffen wurden.

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