Immobilien
25. September 2019

Fitnessprogramm für Einzelhandelsimmobilien

Retail-Studie: E-Commerce und Einzelhandel wachsen zusammen. Nachhaltigkeit und Sharing Economy werden wichtiger.

E-Commerce ist der Tod des Einzelhandels – diese simple Schlussfolgerung haben viele Immobilieninvestoren im Hinterkopf und denken dabei womöglich an ausgestorbene Shopping Malls in den USA. Doch ist diese Schlussfolgerung auch richtig? Dieser Frage ging der Asset Manager Wealthcap, zusammen mit der BBE Handelsberatung, in einer Studie nach, die portfolio institutionell exklusiv vorliegt. Im Rahmen der Studie wurde nach Megatrends geforscht, die den Handel derzeit und in Zukunft formen. Der Ansatz der Autoren zielt dabei „auf eine lebensnahe Bestimmung der Zukunftschancen von Handelslagen“ ab. Untersucht wurden Makro- und Mikrokriterien, die durch narrative Experteninterviews angereichert wurden.

Die Ergebnisse der Studie stellen Digitalisierung, demografischen Wandel, Urbanisierung, Individualisierung, Sharing Economy, Mobilitätswende und ethischen Konsum als klare Triebkräfte für eine stetige Veränderung des Handels heraus. Die Vielfalt der Einflussfaktoren auf den Einzelhandel betonen auch die Studienautoren. Gabriele Volz, Geschäftsführerin von Wealthcap, sagt: „Der Handel bleibt nach wie vor ein sehr wettbewerbsorientierter Markt, der auf den Mobilitätswandel und smarte Stadtentwicklungskonzepte ebenso reagieren muss wie auf sich verändernde Kundenbedürfnisse. Entsprechend vielfältig müssen auch zukunftsfähige Handelsimmobilien sein.“ Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, erläutert: „Die Anforderungen der Kunden und der Händler selbst variieren je nach Standort, Betriebstyp, Sortiment und sozio-ökonomischer Struktur erheblich. Dieser Vielfalt wollen wir mit unserem Forschungsdesign Rechnung tragen.“

Lage, Lage – Erreichbarkeit

Ein interessantes Ergebnis ist, dass die strenge Trennung zwischen E-Commerce und stationärer Handelsimmobilie zunehmend durchlässiger werde. Eine zunehmende Verknüpfung zwischen stationärem Handel und digitalen Technologien sowie die Erweiterung des reinen Online-Handels durch stationäre Elemente soll für immer kundenfreundlichere und effizientere Prozesse sorgen. Darüber hinaus werde neben dem klassischen Investmentkriterium Lage in Zukunft vor allem die Erreichbarkeit für die Konsumenten entscheidend sein.

Des Weiteren kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass der stationäre Handel zunehmend auf ein „erfüllendes Einkaufserlebnis“ setzen muss, um sich der Schnelligkeit und den niedrigen Preisen im Online-Handel entgegenzusetzen. Stationäre Konzepte beinhalten eine soziale und gesellschaftliche Komponente, die auch künftig einen geschätzten Mehrwert bieten wird.

Nachhaltigkeit, Individualität und Individualisierbarkeit

Eine immer größere Rolle spielen zudem nachhaltige Konzepte im Rahmen der gesamten Wertschöpfungskette, die zunehmend ein Bewertungskriterium der Konsumenten darstellen. Ebenso werden sich laut der Studie solche Einzelhändler behaupten, die Individualität und Individualisierbarkeit in ihr Konzept integrieren und es schaffen, die Kunden auf einer persönlichen Ebene zu erreichen. Die Konzepte müssen zudem qualitativ hochwertig oder außergewöhnlich sein. Hierbei sollte eine klare Positionierung des Handelskonzepts im Fokus stehen, welches die Angebote näher an die Bedürfnisse des Kunden rückt.

Wer den Konsumenten von der Couch locken will, so ein Studienergebnis, braucht ein einfaches, überzeugendes Konzept, dass entweder kaum austauschbar oder qualitativ besonders hochwertig ist. Für den Handel werde es deshalb immer wichtiger, ein klares Profil zu entwickeln und seine Sichtbarkeit hochzuhalten. Die Besonderheit des Handelskonzepts müsse klar positioniert werden, um durch diese Einzigartigkeit wieder näher an den Kunden und seine Bedürfnisse zu rücken.

Flexibilität gefragt

Darüber hinaus müssen nachhaltig attraktive Handelsimmobilien auf eine flexible Flächennutzung setzen, um in Zukunft mehr zu sein als einfache Verkaufsflächen, fordern die Studienautoren. Es gelte, Lösungen für gesellschaftliche und städtebauliche Problemstellungen zu bieten. „Die Handelsimmobilie, die heute den Einzelhändler beinhaltet kann morgen vier Showrooms beherbergen, um danach einem Logistikunternehmen Raum zu bieten. Sie wird zum Hub für die letzte innerstädtische Logistikmeile und zur E-Ladestation urbaner Vehikel in einer neuen Mobilitätswelt“, ist der Studie zu entnehmen. Christian Bitter, Projektleiter, Stattbau München GmbH, bringt es auf den Punkt: „Schon jetzt entstehen kaum mehr neue klassische Einzelhandelsimmobilien. Der Trend geht klar zur Mischimmobilie..“

Drei Szenarien zur Zukunft des Handels

Wie der Handel der Zukunft konkret aussehen könnte, beleuchten die Autoren der Studie anhand dreier möglicher Szenarien. Denkbar wäre einerseits ein volldigitalisierter Einkauf, wobei E-Commerce und stationärer Einzelhandel vollständig verschmelzen und das gesamte Warenangebot der Händler zu jeder Zeit über die virtuelle Realität zugänglich wird. Ein weiteres Szenario beschreibt die umfassende Fokussierung auf grünes Einkaufen. Handelsimmobilien werden zu Orten der sozialen Interaktion, nachhaltige Märkte sind in fußläufigen Stadteilzentren schnell erreichbar. Das dritte Szenario geht von einem Handel mit Nutzungsrechten als Folge der Sharing Economy aus. In einem neuen Zeitalter der Flexibilität besteht keine langfristige Bindung an Sachgüter mehr und es kommt zum ständigen Austausch unter den Konsumenten. Mischobjekte vereinen hierbei Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung und Mobilitätsdienstleistungen.

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