Immobilien
20. April 2018

Für 99 Jahre nachhaltig und anständig

„Residentials“ sind eine attraktive Asset-Klasse, in der Praxis sind attraktive Wohnimmobilien aber rar. Noch geringer werden die Auswahlmöglichkeiten – so könnte man vermuten –, wenn die Ansprüche des Investors über ein reines Renditedenken hinausgehen. Dies muss nicht sein – wenn man den Markt mit dem richtigen Partner beackert.

Vor mehr als 30 Jahren als Selbsthilfe-Einrichtung für Waldorfschullehrer gegründet, sieht sich die Einrichtung heute als ein ethisch-sozial orientierter Unternehmensverbund mit einer Vielzahl von Angeboten, Projekten und Dienstleistungen rund um die betriebliche Altersversorgung. Aus dieser DNA leitet sich für die Immobilien-Kapitalanlage ab, dass man, um den Bedürfnissen der Anspruchsberechtigten gerecht zu werden, in für die Nutzer bezahlbaren Wohnraum investieren möchte.
Verpartnert haben sich die etwa 430 Millionen Euro schweren Hannoversche Pensionskasse VVaG und Hannoversche Alterskasse VVaG mit der Stiftung Trias. Diese Bürgerstiftung übernimmt zur Stützung der Zivilgesellschaft Grundstücke in ihren Vermögensstock und „damit aus der Spekulation“. Über die Vergabe von Erbbaurechten sollen dann die gemeinnützigen Zielsetzungen der Stiftung wie Mehrgenerationen-Wohnen oder inklusives Wohnen verwirklicht werden. 
Ein Vorzeigeprojekt ist die Schöneberger Linse in Berlin, das Inklusionen unterstützt, Mischnutzungen ermöglicht, Mobilitätskonzepte fördert, sich auf eine ökologische Bebauung festgelegt hat und natürlich bezahlbaren Wohnraum fördert. An solchen und anderen Projekten beteiligen sich die Hannoverschen Kassen mit 80 und die Stiftung Trias mit 20 Prozent sowie ihrem Know-how. Dabei werden Grundstücke erworben und dann via Erbbaurechten für 99 Jahre für einen Erbbaurechtszins von vier Prozent plus Inflationsausgleich zur Entwicklung an Genossenschaften oder andere Gesellschaften überlassen. 
Im folgenden Interview beschreiben Jon Gallop, Vorstand Hannoversche Kassen, und Rolf Novy-Huy, Vorstand Stiftung Trias, die Kooperation und ihre Überlegungen zu nachhaltigen Wohnungsinvestments.
Herr Gallop, welche Bedeutung haben Immobilien für die Hannoverschen Kassen?
Jon Gallop: Als Treuhänder für unsere Mitglieder sind wir in der Pflicht, finanziell zu deren Altersvorsorge beizutragen, aber auch einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Dazu gehört für uns, bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Wir sorgen und investieren für 11.000 Menschen, die zwar einen gesellschaftlich wertvollen Beitrag leisten, wie zum Beispiel Lehrkräfte, Pfleger, Therapeutinnen et cetera, aber eher unterdurchschnittliche Einkommen haben. 
Eine Pensionskasse ist zu zehn Prozent in Immobilien investiert, die andere hat eine Zielquote von zehn Prozent. Das ist insbesondere relativ viel wenn man bedenkt, dass es sich fast ausschließlich um Wohnungen handelt. Daneben haben wir noch in eine Pflegeeinrichtung investiert. Unsere Versicherungsnehmer und Rentner brauchen auch bezahlbaren Wohnraum, von anderen oder von uns. Was wir machen, ist konkretes Impact Investing.
Fördern Sie nicht Wohnraum für Menschen, die sich innerstädtisches Wohnen vielleicht gar nicht leisten können? Memento US-MBS!
Rolf Novy-Huy: Das ist überhaupt nicht vergleichbar. In den USA kauften Leute ohne Eigenkapital Immobilien, die sich diese definitiv nicht leisten konnten. Wir aber vermieten an Genossenschaften, bei denen jeder Genosse zunächst einmal eine Einlage leisten muss. Genossenschaftsmitglieder zählen oft auch zum Mittelstand. Das Finanzierungskonzept der Genossenschaft wird von Banken geprüft. Die Eigenkapitalanforderungen sind so hoch, dass eine Entwicklung wie 2008 in den USA derzeit nicht zu erwarten ist.
Gehen Sie direkt oder indirekt in Immobilien?
Gallop: Wir investieren lieber direkt und suchen eine regionale Streuung. Wir haben aber auch einen Wohnimmobilienfonds gezeichnet. An diesem schätzen wir neben der Streuung dessen ökologische und ethische Ausrichtung sowie dessen lange Laufzeit. 
Herr Novy-Huy, bei Trias spielen Immobilien eine noch größere Rolle.
Novy-Huy: Die Stiftung Trias hält ihr gesamtes Vermögen in Real Estate. Das ist ungewöhnlich, liegt aber am Stiftungszweck. Unser ­gesamtes Stiftungskapital ist in Grundstückskäufe geflossen. Unsere Erträge sind der klassische Vier-Prozent-Erbbaurechtszins. Der Schwerpunkt liegt auf städtischem Wohnen. Zur Risikostreuung sind wir in ganz Deutschland unterwegs. 
Was sagt denn die Stiftungsaufsicht zu dieser Asset-Allokation?
Novy-Huy: Die Aufsicht kommt damit zurecht. Kritischer als die Aufsicht könnte für uns einmal in 99 Jahren die Sicht des Finanzamts werden. Unser Interesse gilt zwar nur dem Zins, das Interesse des Finanzamts dürfte allerdings der Wertsteigerung der Grundstücke gelten.  
Wie „sourcen“ Sie denn die Grundstücke?
Gallop: Wenn in der bürgerrechtlichen Szene über Wohnungsfragen gesprochen wird, kommt die Diskussion schnell auf Trias. Für die Größe der Stiftung ist ihr Bekanntheitsgrad wirklich beeindruckend.
Welche Rolle spielen Banken?
Novy-Huy: Banken schätzen nicht unbedingt Erbbaurechte, sind uns gegenüber aber aufgeschlossen, weil sie gerne Immobilien­entwicklungen finanzieren – insbesondere darum, weil sich mit uns als Grundstückseigentümer deren Risiko senkt. 
Wird der Erbbaurechtszins sofort oder erst nach der Grundstücksentwicklung bezahlt?
Novy-Huy: In der Regel haben wir es mit entwickelten Grundstücken zu tun. Der Erbbauzins wird aber häufig in den ersten ein bis drei Jahren gemindert, bis das Gebäude fertiggestellt ist und regelmäßige Mieteinnahmen zur Verfügung stehen.
Warum investieren Sie gemeinsam? Welche Vorteile birgt die Kooperation?
Novy-Huy: Wir kennen uns schon lang und haben bezüglich Ethik und Ökologie gemeinsame Überzeugungen. Wir bringen in die ­Kooperation unser Netzwerk und Know-how ein und die Hannoverschen Kassen neben deren Expertise eben auch Kapital. Damit kann Trias Grundstücke auch in größeren Dimensionen erwerben. Statt maximal 400.000 Euro betrug ein Grundstückskauf nun auch einmal mehrere Millionen Euro. Damit können wir unsere ökologischen und sozialen Konzepte in anderen Größen verwirklichen und zivilgesellschaftliches Engagement absichern.
Gallop: Wir wollen gute Renten erwirtschaften und dabei auch ethischen Ansprüchen gerecht werden sowie langfristig möglichst ­sicher anlegen. Diesen Kriterien wird die Kooperation gerecht. 
Vier Prozent sind als Anfangsrendite nicht zu verachten. Aber innerhalb von 99 Jahren verzichten Sie nun auf viele nominale Miet­erhöhungen und damit auf viel höhere Mietrenditen.
Gallop: Als regulierter Anleger unterliegen wir der Aufsicht der Bafin. Sie hat den Auftrag, darauf zu achten, dass wir im besten finanziellen Interesse unserer Anspruchsberechtigten handeln. Unser Anspruch ist aber auch, für die Versicherten nachhaltige, anständige Renditen zu erwirtschaften. 
Rendite ist ja auch nur eine Seite der Performance-Medaille. Nachfrage für die von Ihnen unterstützte Wohnformen sollte immer gegeben sein und damit für Sie als Investor eine hohe Sicherheit.
Novy-Huy: Genau. Die Nachfrage ist sehr stabil. Es besteht auch eine hohe Flexibilität bei der Aufteilung der privaten Wohnräume. Die gesellschaftlichen Wirkungen sind für uns sehr wichtig. In unserem Gründungsjahr 2002 war Spekulation mit Grund und Boden noch kein so großes Problem wie heute. Grundstücks- und Wohnraumspekulation in Städten wie München, wo man händeringend Wohnraum sucht, ist amoralisch. 
Gallop: Wenn an den Grundbedürfnissen der Menschen vorbei gehandelt wird, schaffen wir uns als Gesellschaft selbst ein Problem. Wer Wohnungen kauft und leer stehen lässt, provoziert letztlich vielleicht Zwangs­belegungen. Dazu ist es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise vereinzelt gekommen. Wenn der Druck größer wird, verschieben sich die Maßstäbe und Eigentum wird auch in Deutschland eventuell nicht mehr unantastbar. 
Das Interview führte Patrick Eisele. 
portfolio institutionell, Ausgabe 3/2018 
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