Stiftungen
1. November 2012

Geschäftsführer der Hertie-Stiftung ruft Kollegen zum Umdenken auf

Holger Benke gilt als großer Verfechter von Aktienanlagen und Private Equity. Eine deutlich weiter verbreitete Anlageklasse hat er dagegen aus seinem Stiftungsportfolio verbannt.

„Stiftungen, die bisher konservativ angelegt haben, wird gar nichts anderes übrig bleiben, als ein höheres Risiko einzugehen.“ Diese Einschätzung vertritt der Geschäftsführer der Hertie-Stiftung, die mit einem Vermögen von rund 800 Millionen Euro zu den größten privaten Stiftungen Deutschlands zählt, im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Für Stiftungen bestünde aufgrund der Finanzkrise das größte Problem darin, dass die risikolose Anlage verloren gegangen sei. Früher habe man uneingeschränktes Vertrauen in fast alle Banken und Staaten als Schuldner gehabt. Das sei heute anders. Mit Blick auf die drastisch gesunkenen Renditen investiert die Hertie-Stiftung nicht mehr in Staatsanleihen; die Rentenquote wurde auf 35 Prozent reduziert.  Stattdessen legt Benke bei der Auswahl von Anlagen heute den Schwerpunkt auf Sachwerte. So machen Aktien inzwischen 30 Prozent der Kapitalanlagen der Hertie-Stiftung aus.
„Wir haben auch neue Dinge ausprobiert, zum Beispiel Infrastrukturfonds gezeichnet“, so der Geschäftsführer der 1974 gegründeten Hertie-Stiftung, die auf dem Lebenswerk des Inhabers der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, Georg Karg, aufbaut. Seit 2005 investiere man auch in Private Equity. Dieser Anteil am Portfolio soll „behutsam“ von sieben auf zehn Prozent zulasten der Rentenanlagen erhöht werden, so Benke. „Bei Private Equity kommt es sehr auf die Qualität der Manager an“, erläutert der Geschäftsführer und ergänzt: „Wenn man gute Leute findet, kann die Wertentwicklung deutlich besser sein als im Aktienbereich“.
Bei ihren Anlageentscheidungen verlässt sich die Stiftung aus Frankfurt am Main nicht nur auf Anlageberater. Viele Entscheidungen treffe man selbst. Mit dieser Herangehensweise ist Benke auch in der Lage, sich ein klares Urteil von nachhaltiger und ethisch vertretbarer Vermögensanlage zu bilden: „Wir sind sehr skeptisch und würden Stiftungen diese Strategie nur empfehlen, wenn sie genau den satzungsmäßigen Zielen entsprechen, die der Stifter festgelegt hat“. Die Abgrenzung in „Erlaubte“ und „Verbotene“ sei wahnsinnig schwierig, beklagt Benke, der nie gezielt in ein Unternehmen investieren würde, das Kriegswaffen herstellt. Für ihn stelle sich aber die Frage, wo man die Grenzen ziehen soll, etwa wenn sich die Möglichkeit bietet, in einen Hersteller von Uniformen zu investieren.
Wenn die Finanzkrise sich weiter zuspitzen sollte, „fühle ich mich in Aktien und Immobilien am besten aufgehoben“. Bei diesem Ansatz nimmt der Geschäftsführer der Hertie-Stiftung, die auf laufende Erträge angewiesen ist, um ihr jährliches Fördervolumen von bis zu 30 Millionen Euro zu finanzieren, Kursschwankungen und Abschreibungen in Kauf. Zur Begründung sagt er: „Wenn wir beispielsweise in ein Inflationsszenario hineinlaufen, müssten wir Aktien zwar abschreiben, der Anteil am Unternehmen wäre aber noch da.“ Überhaupt seien Stiftungen die idealen Aktienanleger. Benke: „Wenn Stiftungen keine Aktien kaufen, wer dann?“ Er verweist auf ihren „sehr langen Anlagehorizont“, so könnten Stiftungen schwierige Marktphasen einfach aussitzen. „Das haben noch nicht alle Stiftungen verstanden“, mutmaßt er und betont: „Sie werden umdenken müssen.“ Vor die Wahl gestellt zwischen einer mit sechs Prozent verzinsten Anleihe eines südeuropäischen Landes und einer substanzstarken Aktie mit einer Dividendenrendite von 3,5 Prozent plus eventuellen Kursgewinnen, fällt Benke die Wahl nicht schwer: „Wir haben keine Staatsanleihen mehr.“
portfolio institutionell newsflash 31.10.2012/tbü
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