Alternative Anlagen
22. November 2019

Infrastruktur wird reifer und grüner

Immer mehr Marktteilnehmer, weniger Covenants, diverse Nachhaltigkeitsaspekte oder auch der Rotmilan: Die Umsetzung der ­Infrastruktur-Allocation wird anspruchsvoller. Welche Wege Investoren in der Praxis wählen, machte eine Diskussionsrunde auf einer Veranstaltung von Faros Consulting in Wien deutlich.

Infrastruktur ist und bleibt Anlegers Liebling. Mehr als ein Drittel der vom Alternatives-Researcher Preqin für einen Ausblick auf das zweite Halbjahr 2019 befragten internationalen Investoren wollen in den kommenden Monaten ihre Commitments erhöhen. Der Infrastruktur-Enthusiasmus hält also an. Allerdings war dieser in der jüngeren Vergangenheit, als über die Hälfte der Investoren mehr Geld für ­Infrastruktur-Assets zusagen wollte, schon einmal höher. Ein Hauptgrund für die leicht abkühlende Begeisterung ist, dass die Bewertungen und das begrenzte Asset-Angebot 61 beziehungsweise 57 Prozent der Investoren heute Grund zur Sorge geben.

Dieses Sentiment der Infrastruktur-Investoren spiegelt auch eine ­Infrastruktur-Diskussionsrunde auf dem Faros-Investorentag in Wien wider. Bislang haben die Diskutanten gute Erfahrungen mit Infrastruktur-Assets gemacht. „Infrastruktur ist ein stabiler Baustein mit attraktiven Cashflows“, so Andreas Siegert. Auch darum will der ­Vorstand der Versorgungskasse der Angestellten der GEA Group ­Aktiengesellschaft VVaG die Quote weiter aufstocken – trotz eines kleinen Luxusproblems: „Das Geld kommt teilweise früher zurück als gedacht.“ Für die Zukunft wollen die Investoren sich jedoch vor ­echten Problemen wappnen. „Die nächsten zehn Jahre werden sicher nicht mehr so positiv wie die vergangenen zehn Jahre“, warnt Dr. Thomas Mann vom Talanx-Asset-Manager Ampega. Dimitar Lambrev von der österreichischen Versicherung Uniqa blickt mit einer gewissen Sorge (und etwas Wiener Schmäh) auf die Vielzahl der Marktteilnehmer: „Heute sprechen alle über Infrastruktur – und jeder kennt sich damit aus.“ Die Uniqa hat beispielsweise dieses Jahr gemeinsam mit der Munich Re in Projektanleihen investiert, die der Finanzierung von Windparks in Norwegen dienen.

Den Gastgeber vertrat auf dem Podium Martin Dürr. „Infrastruktur hat sich bei institutionellen Investoren zu einem fest etablierten, nicht mehr wegzudenkendem Asset entwickelt. Das Universum der ­Anbieter hat sich enorm verbreitert und die Preise sind hoch. Darum wird nun die Umsetzung anspruchsvoller.“ Was bedeutet nun aber ein künftig schwierigeres Umfeld für Umsetzungen, Renditen und Risikomanagement? Hierzu zeigten die vier Infrastrukturexperten recht unterschiedliche Sichtweisen.

Risikomanagement per Diversifikation

Thomas Mann ging zunächst auf die im Vergleich zu liquiden Assets mangels passender Benchmarks oder berechenbarer Sharpe Ratios schwierigere Risikoabbildung ein. „Es gibt keine passende Risikokennzahl, um die durch den Nestbau eines Rotmilans erforderliche Abschaltung einer Windturbine abzubilden“, spitzt Mann die Problematik zu. Es sind auch solche Unwägbarkeiten, denen man ­letztendlich nur durch eine breite Diversifikation in unterschiedliche Sektoren ­begegnen kann. Die bei der Talanx größere Wertschätzung von Fremdkapital liegt bei der Versicherung stark in regulatorischen Anreiz­effekten begründet, die durch Fremdwährungs- und Leverage-Effekte zum Teil wieder gemildert werden. „Aus einer Risikoperspektive ­erhöht sich aktuell bei Fremdkapital-Investitionen das Risiko häufig schleichend“, warnt Mann. „Ein Grund sind die zunehmend schwächer ausgeprägten Kreditschutzklauseln in den Darlehensverträgen.Andreas Siegert bestätigt, dass es bei Infrastruktur-Assets ­verschiedene, nicht messbare Risiken gibt. Neben Diversifikation und den langen Anlagezeiträumen ist für Siegert eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit hilfreich: „Vieles muss man einfach aushalten können.“ Im Sinne der Renditen höhere Risiken in Kauf zu nehmen, ist für die GEA-­Vorsorgeeinrichtung aber nicht der präferierte Ansatz. Vielmehr ­wurden der Rechnungszins und damit auch die ­Renditeanforderungen gesenkt. „Auf die Erträge der Vergangenheit sind wir nicht mehr ­angewiesen.“ Nach zehn sehr guten Jahren seien nun die Preise und die Risiken hoch. Siegert: „Wir sind vorsichtiger geworden!“

Faros-Berater Martin Dürr ist ebenfalls nicht überzeugt davon, im Sinne der Rendite höhere Risiken in Kauf zu nehmen: „Dafür braucht es ein ganz anderes Skill-Set.“ Statt sich in unbekanntem Greenfield-Gefilde zu versuchen, empfiehlt Dürr den Investoren, die weiter die historischen Infrastruktur-Renditen anpeilen (müssen), stattdessen, Private Equity in Betracht zu ziehen. Auch für Lambrev sind zweistellige Renditen Vergangenheit. Eine Folge des zunehmenden Preisdrucks ist, dass innerhalb von Infrastruktur neue Subsegmente ­entstanden sind. „Mit Offshore fühlten sich Investoren vor sechs bis sieben Jahren noch unwohl. Heute zählt Offshore aber zum Mainstream.“ Andere relativ neue Subsegmente sind Rechenzentren oder Glasfaser. Der Markt für Letzteres ist in Österreich kürzlich auch ­bereits in Bewegung gekommen. Allianz Capital Partners erwarb für etwa 300 Millionen Euro einen 75-Prozent-Anteil der Niederösterreichischen Glasfaserinfrastrukturgesellschaft. Geplant ist, in den ­Jahren 2020 bis 2022 100.000 Haushalte, bevorzugt in Ortschaften mit ­weniger als 5.000 Einwohnern, an ein Glasfasernetz anzuschließen.

Stichwort „Green“: Auch deutschen Anlegern, die oft überhaupt erst durch das EEG auf Infrastruktur gestoßen sind, ist mittlerweile sehr bewusst, dass diese Asset-Klasse nicht nur aus Renewables oder ­Energie besteht. Dieses Subsegment wäre für den Investitionsbedarf der institutionellen Anleger auch überhaupt nicht ausreichend. Allerdings: „Segmente wie Häfen, Flughäfen oder Straßen wirken mit Blick auf den Klimaschutz zum Teil konträr zum Nachhaltigkeitstrend“, konstatiert Mann. Lambrev verweist darauf, dass man bei der Uniqa von Anfang an eine ESG-Policy gelebt habe und nun mit Checklisten von Drittanbietern arbeite. Klar ist für Lambrev: „Nachhaltigkeit wird im Investmentprozess weiter an Bedeutung gewinnen.“ Ähnlich Martin Dürr: „Heute kann man es sich nicht mehr leisten, ESG-­Kriterien nicht zu berücksichtigen.“

Der Charme von Listed Real Assets

Ob nun Nachhaltigkeit oder Infrastruktur per se: Jeder Investor muss für die Besonderheiten von Infrastruktur seinen eigenen Weg finden. Für die Talanx besteht dieser auch größenbedingt aus Direktinvestments. Im Unterschied zu den meisten anderen Anlegern kann die Talanx bezüglich Solvency II auch ein internes Modell zum Einsatz bringen, welches tendenziell weniger Eigenkapitalvorhaltung not­wendig macht. Am anderen Ende des Anlegerspektrums können ­insbesondere für kleinere Investoren wegen der kleineren Losgrößen auch Listed Real Assets, also als Aktie verpackte Infrastruktur- oder Immobilienportfolios, interessant sein. Martin Dürr, der Listed Real Assets auf der Veranstaltung vorstellte, nannte aber auch Gründe, ­warum ein Portfolio aus Aktien wie Brookfield, Vonovia oder Encavis auch für größere Investoren interessant sein kann. Beispielsweise lassen sich Portfolios schneller aufbauen, Call-Wartezeiten überbrücken, Income per Dividenden generieren, Diversifikationsvorteile gewinnen oder Liquiditätserfordernisse befriedigen. Nicht zuletzt sprechen für Dürr die Bewertungen im Vergleich zu geschlossenen Fonds für Listed ­Real Assets. Zumindest von den Investoren auf dem Podium waren nicht alle ganz überzeugt. Lambrev stört sich an der hohen ­Korrelation zu Aktien, Mann sieht Bilanzschwankungen insbesondere mit Blick auf die Planbarkeit der IFRS-Ergebnisse und damit verbundene Preis-Auswirkungen auf die eigenen Talanx-Aktien kritisch. Der Talanx Konzern­ ist seit 2012 im ­S-Dax notiert und veröffentlicht seine Gruppen­ergebnisse auf IFRS-Basis.

Doch ob nun per Direktinvestments, via ­geschlossene Fonds, mittels Club Deals oder über Aktien sowie bezüglich der Konsequenz, wie nachhaltig das Portfolio sein soll: jeder Investor – das machte die Diskussion deutlich – muss seinen eigenen Weg, die hierfür ­passende Aufstellung und Umsetzung finden. Eine ­wichtige Empfehlung von Thomas Mann war darum, auf die richtige Organisationsform zu achten. Das Mann-Mantra: „Infrastruktur braucht einen strukturierten Prozess.“

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