Pension Management
13. November 2013

INTERVIEW: Gegen den Strom

ALM-Studien sind populär: Für viele Investoren sind sie die Grundlage der strategischen Asset Allocation. Bei der Linde­ AG ist das anders. Dr. Christoph Schlegel, Head of Pension, stört die Scheingenauigkeit der Studien, er setzt lieber auf Szenarioanalysen. Auch sonst schwimmt er gern gegen den Strom und investiert antizyklisch.

Interview mit Dr. Christoph Schlegel

Herr Dr. Schlegel, die deutschen Pensions­pläne von Linde sind in einen Contractual Trust Arrangement­ ausfinanziert. Wieso­ ­haben Sie nicht den Pensions­fonds gewählt?
Wir haben den CTA schon sehr lange. Zum Zeitpunkt der Auflegung war der Pensions­fonds nur versicherungsförmig darstellbar, was für uns nicht geeignet war. Bis jetzt sind wir sehr zufrieden mit unserer Wahl.

Im Vergleich mit anderen Dax-Unternehmen ist ihr Ausfinanzierungsgrad recht niedrig.
Das betrifft nur die inländischen Pensionen, dort sind wir in der Tat nur zu rund einem­ Drittel ausfinanziert. Wenn Sie aber den Gesamtkonzern betrachten, liegen wir ziemlich weit vorne. Mit 87 Prozent per Ende 2012 waren­ wir Nummer vier im Dax.

Die Pension Assets von Linde weltweit belaufen sich auf rund 5,1 Milliarden Euro. Wie verteilt sich das auf die einzelnen Länder?
Großbritannien ist mit über drei Milliarden­ Euro der mit Abstand größte Plan. Danach ­folgen Deutschland und die USA mit jeweils circa einer halben Milliarde Euro. Kleinere­ ­Pläne finden sich in Holland, Irland und der Schweiz.

Warum macht Linde kein Pension Pooling? 

Wir haben uns Pooling auf der Asset-Seite­ angeschaut. Aufgrund der strengen ERISA-­Regulierung (Employee Retirement Income Security Act) in den USA sind diese Ansätze in der Regel auf Europa begrenzt, so dass der US-Plan immer außen vor wäre. Auch der UK-Plan würde angesichts seines­ starken Übergewichts im Konzern von einem Pooling mit deutlich kleineren Plänen nicht wirklich profitieren. Wir haben das extern­ durchrechnen lassen und festgestellt, dass es den Aufwand nicht wert ist. Unsere Strategie ist Kosten­effizienz. Diese­ erreichen wir, in dem wir in den verschiedenen Ländern dieselben Asset-Klassen, Prozesse und Provider nutzen. Man könnte das als virtuelles Pooling bezeichnen.

Also kocht nicht jeder sein eigenes Süppchen?
Nein, alles wird zentral koordiniert. Das heißt allerdings nicht, dass alles exakt in der gleichen Struktur sein muss. Wir sind zum Beispiel nicht der Überzeugung, dass es im ganzen Konzern nur einen Asset Manager pro Anlageklasse geben sollte. Zwei oder drei sollten es schon sein.

Wie steht es mit Ihrem Vorstand? Inwiefern ­befasst er sich mit Pensionsrisiken?
Der Vorstand erhält regelmäßig Bericht über die Pension Investments und das Risiko aus den Pensionen, zusätzlich kann es ad hoc Updates geben. Der Vorstand entscheidet über ein Risikobudget für die Pensionen auf Konzernebene. Daraus werden dann die Anlagestrategien und Hedging-Level der wesentlichen Pensionspläne abgeleitet. Ferner haben wir bei Linde das sogenannte Pension Investment Panel geschaffen. Hier beraten wir unter Vorsitz des Finanzvorstands zusammen mit externen Experten regelmäßig über Chancen und Risiken verschiedener Anlageklassen.­ 
Beim Funding liegt der Fokus wegen der Größe des Plans auf Großbritannien. Dort musste Linde im Zuge der BOC-Übernahme bedeutende Recovery Contributions vornehmen, die in den regelmäßigen dreijährigen Valuations der Jahre 2008 und 2011 bestätigt­ wurden. Wir wollten allerdings von diesem Zyklus, sich alle drei Jahre mit den Trustees an den Verhandlungstisch zu setzen, wegkommen. Daher haben wir mit den Trustees eine Vereinbarung über die langfristige Funding- und Investmentstrategie geschlossen. Ab der 2014er Valuation kommt ein inno­vatives Konzept zum Einsatz, das von vorn­herein Planbarkeit für alle Seiten schafft. Die wesentlichen Elemente sind ein festes Regelwerk für einen Recovery Plan in einer Defizitsituation, ein sogenannter Langlebigkeitspuffer sowie eine schrittweise Absenkung der Diskontrate in eine Surplus-Situation.

Deutschland hat eine Art Vorbildfunktion für die Anlagestrategie aller Pensionspläne. Wie muss man sich das vorstellen?
Begründet durch die CTA-Struktur ist unsere­ Governance in Deutschland relativ schlank, während in den internationalen Pensions­plänen immer Treuhandgremien einbezogen sind. Dort ist die Risikoaversion oftmals ein bisschen höher und es fehlt vielleicht auch manchmal der Mut zu Innovationen. Neuere Strategien implementieren wir daher manchmal zunächst in Deutschland.
Ein schönes Beispiel ist das Tail-Risk-Hedging. Diese Strategie haben wir zunächst in Deutschland implementiert und ein halbes Jahr später in Großbritannien in deutlich ­größerem Umfang.

Wie sind Ihre Renditeziele?
Wir haben keine starren Renditeziele. Unsere Philosophie startet mit dem tolerier­baren Risiko. Ausgehend von diesem Risikoniveau müssen die Asset-Klassen so zusammen­gefügt werden, dass eine für dieses Risiko­niveau optimale Rendite erwirtschaftet werden kann. Wie hoch diese dann ausfällt, entscheidet der Markt.

Sie haben sich von klassischen ALM-Studien verabschiedet und arbeiten prospektiv mit Szenarioanalysen. Wie kam es dazu?
Ich habe mich schon lange an ALM-Studien­ gestört, die eine Scheingenauigkeit produzieren und letztlich doch nur auf­zeigen, was als Annahmen hineingegeben wurde. Ich denke, dass die aktuellen Herausforderungen an den Kapitalmärkten mit historischen Zeitreihen der letzten 20 oder 30 Jahre nicht richtig­ greifbar sind. Wir gehen deshalb einen­ anderen Weg, nämlich den der Szenario­analyse. Dabei haben wir zwei Hauptszena­rien definiert. Das eine geht von einer Fortsetzung der finanziellen Repression aus, wobei wir hier zwischen zwei Unter­szenarien unterscheiden: mit und ohne Inflation. Das andere Hauptszenario beinhaltet eine­ Rückkehr zur alten Normalität. Schließlich haben wir noch ein Tail-Risk-Szenario.

Können Sie Ihr Vorgehen genauer erläutern?
Das eine Hauptszenario, die Rückkehr zur Normalität, würde zu steigenden Zinsen führen. Wir überlegen dann, was dies für die verschiedenen Asset-Klassen bedeutet. Die ­finanzielle Repression würde hingegen dafür sorgen, dass die Renditen niedrig bleiben und die Bewertungen hoch. Wiederum schätzen wir ab, wie die verschiedenen Asset-Klassen in diesem Szenario vermutlich abschneiden werden. Beim Tail-Risk-Szenario ist die Sache recht einfach: Es würde zu einer Flucht in die Qualität kommen und alle volatilen Assets würden stark verlieren. Dann leiten wir ­mathematisch die in der Gesamtbetrachtung der Szenarien beste Asset Allocation ab. ­Natürlich kommt man dabei nicht umhin, Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Szenarien festzulegen.

Welches Szenario wäre für Sie im Moment das wahrscheinlichste?
Für das Pension Asset Management ­sehen wir beide Hauptszenarien „finanzielle Repression“ und „Rückkehr zur alten Normalität“ derzeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Diese differenziert sich noch mal etwas zwischen den Regionen USA und Europa.

Und was heißt das für Ihre strategische Asset Allocation? Wie sind Sie derzeit aufgestellt? 
In den großen Pensionsplänen liegt die strategische Aktienquote zwischen 20 und 30 Prozent. In diesem Bereich bewegen wir uns schon seit relativ langer Zeit. Der Bereich Alter­natives macht jeweils circa zehn Prozent und Immobilien planabhängig zwischen fünf und zehn Prozent aus. Der Rest ist Fixed Income.­ Der Aktienbereich ist relativ einfach gestaltet. Wir haben uns schon vor einigen Jahren von dem Glauben gelöst, selber Länder­ oder Sektoren bewerten zu können. Deshalb investieren wir inzwischen ausschließlich in Global-Equity-Mandate. In den großen Pensionsplänen in Großbritannien, Deutschland und den USA werden diese globalen Aktienmandate aktiv verwaltet, in den kleineren Plänen günstig und Ressourcen-sparend passiv.

Gibt es ein Verbot für Linde-Aktien?
In den Einzelmandaten sind Eigeninvestments generell ausgeschlossen. In den passiven Indexfonds der kleineren Pensionspläne ist das natürlich nicht möglich.

Wie viel Freiraum lassen Sie den Managern?
Bei den Global-Equity-Mandaten haben die Manager einen hohen Freiraum, Vorgaben gibt es lediglich zum Grad der Diversifikation, damit keine Konzentrationsrisiken entstehen. Im Credit-Bereich ist das anders. Hier gibt es zu viele Fehlanreize, als dass man einem Manager die Auswahl der Sektoren und Titel überlassen sollte. Daher sind unsere­ Credit-Mandate in der Regel auf einen Sektor beschränkt, beispielsweise High Quality Corporate­ Bonds, Prime Residential Mortgage­ Backed Securities, Emerging Market Corporates, Senior Loans oder High Quality ABS. Letzteres Portfolio haben wir allerdings kürzlich aufgelöst.

ABS waren für viele nach der Krise ein No-Go.
Genau, viele Investoren wollten diese Instrumente im Jahr 2009 nicht mehr anrühren. Dadurch haben sich sehr günstige Bewertungen auch bei den sehr sicheren Tranchen ergeben.­ Inzwischen sind die Spreads durch die Liquiditätsschwemme sehr zurückge­kommen. Angesichts der möglichen Illiquidität von ABS im nächsten Credit Crunch stimmte die Risiko-Rendite-Balance für uns nicht mehr und wir haben die Allokation abgebaut. Ähnliches gilt im Übrigen für High Quality Corporate Bonds, die wir ebenfalls reduzieren. Die Spreads sind zu weit eingelaufen. Interessante­ Assets im Fixed-Income-­Bereich sind für uns Emerging Market Debt, Senior­ Loans und Real Estate Loans. In diese höher rentierlichen Fixed-Income-Sektoren investieren­ wir nun mehr. Dabei arbeiten wir grundsätzlich mit externen Managern zusammen und legen Einzelmandate auf, so dass wir das zulässige Investmentuniversum genau eingrenzen können.

Sie senken Ihr Corporate-Bonds-Exposure?­
Ja, es ist wie immer eine Risiko-Rendite-Überlegung. Ich sprach Immobilienkredite und Senior Loans an. In beiden Asset-Klassen kann man Spreads von 300 Basispunkten und mehr erzielen und das mit einem hohen Grad der Besicherung. High Quality Corporate Bonds liegen bei 100 Basispunkten und weniger. Risikoadjustiert sind Immobilienkredite und Senior Loans einfach interessanter. Natürlich gibt es im Loans-Bereich regelmäßig auch Ausfälle, schließlich sprechen wir über hoch geleveragte Unternehmen. Wenn aber die Recovery Rates auch nur an­nähernd bei den historisch üblichen 80 Prozent bleiben, kann das Portfolio viele Prozentpunkte Defaults pro Jahr verkraften.
Um noch einmal den Bogen zu unserer Szenarioanalyse­ zu spannen: Immobilienkredite, Senior Loans­ und Emerging Market Debt sind Asset-­Klassen, die in der Mischung der Szenarien relativ gut performen, weil sie von Anfang an eine hohe Rendite bringen und in der Summe global diversifiziert sind. Mit Senior Loans setzen­ wir auf die diversifizierte Volkswirtschaft der USA, Emerging Market Corporates sprechen für sich selbst und bei Immobilienkrediten investieren wir nur in Großbritannien,­ wo der Immobilienmarkt hoch entwickelt ist und der Gläubigerschutz sehr stark aus­geprägt ist.

Das heißt, der deutsche CTA hat keine Immobilienkredite?
Doch, auch der deutsche Pensionsplan investiert in Immobilienkredite in Großbritannien, und zwar als Co-Investor mit dem UK-Plan. Der deutsche Plan ist für Einzelmandate­ oft zu klein, so dass wir uns entscheiden müssen, entweder gar nicht in eine Asset-Klasse zu investieren oder uns an den UK-Plan anzuhängen. Genau das haben wir in diesem Fall getan.

Wie sieht es bei Emerging Market Debt aus? Gehen Sie in Fremd- oder Lokalwährung?
Wir sind überwiegend in Lokalwährungen investiert. Als wir vor drei Jahren begonnen haben, in diese Asset-Klasse zu investieren, war die Überlegung, dass die Emerging Markets für uns eine Core-Asset-Klasse sein sollen und nicht nur ein Satellit. Angesichts dessen hätten wir uns nicht wohlgefühlt, wenn wir Länder, wie Venezuela oder Argentinien, aus dem Hard-Currency-Bereich ins Portfolio aufgenommen hätten. Im Local-Currency-Bereich ist die Qualität besser, denn nur ein Land, das über viele Jahre eine gute makroökonomische Entwicklung und Geldpolitik gezeigt hat, ist in der Lage, sich in der eigenen Währung zu refinanzieren. Lokalwährung ist also ein Qualitätssiegel.
Der zweite Faktor ist, dass die Währung auch eine Chance ist. Natürlich ist es auf kurze Sicht ein Risiko, aber Sie wissen aus dem bisherigen­ Gespräch, dass wir eine gewisse Risikotrag­fähigkeit haben und immer Risiko und Rendite abwägen.

Sie gehen also sukzessive aus den entwickelten Ländern hinein in Emerging Markets.
Das war in der Tat die Tendenz der letzten Jahre, da in den Emerging Markets das Chance-­Risiko-Verhältnis einfach besser gepasst­ hat. Unsere Emerging-Market-Debt-Quote liegt derzeit schon bei circa zehn Prozent der gesamten Assets und ist damit ein wichtiger Baustein im Fixed-Income-Bereich. Im Aktienbereich ist es ähnlich. Unsere globalen­ Aktienmandate verfolgen eine eigene­ Benchmark aus 80 Prozent Developed Markets und 20 Prozent Emerging Markets.

Wie stehen Sie zu den EU-Peripheriestaaten?
Wir haben natürlich im Rahmen unserer Szenarioanalyse geprüft, wie zum Beispiel italienische oder spanische Staatsanleihen in den verschiedenen Szenarien performen, und vergleichen die Ergebnisse mit unseren Investments in Emerging Market Debt, Senior Loans und Immobilienkrediten. Dabei stellen wir fest, dass diese Asset-Klassen insgesamt ein besseres Rendite-Risiko-Profil aufweisen als die Staatsanleihen der Peripheriestaaten. Insofern sind wir dort nicht investiert. 

Wie hoch ist Ihre Immobilienquote?
Immobilien sind für uns keine sehr bedeutende Asset-Klasse, die Quoten liegt in den großen Pensionsplänen unter zehn Prozent. Unser deutscher CTA ist an einem Immobilienspezialfonds beteiligt, der in europäische Immobilien im Bereich Core und Core+ investiert. Im Moment haben wir keinerlei Pläne, im Immobilienbereich mehr zu investieren.­

Viele Investoren richten ihr Augenmerk derzeit auf Infrastruktur. Wie ist das bei Ihnen? 
Aufgrund der Rechnungslegung IFRS für Unternehmen sind wir ein Mark-to-Market-Investor, für den die sehr langen Laufzeiten der Infrastrukturkredite eher ein Risiko als eine­ Chance darstellen. Für uns ist Liquidität wichtig, um sich einem veränderten Kapitalmarktumfeld anzupassen. Wir haben Infrastrukturkredite mit Bonds von Infrastrukturunternehmen, zum Beispiel einem Wasserwerk oder Stromnetzbetreiber, verglichen. Die Prämie eines sehr illiquiden Loans gegenüber­ dem täglich handelbaren Bond betrug höchstens ein Prozent, eher weniger. Das erschien uns nicht attraktiv.
Das ist in aller­ Kürze das Ergebnis unserer Analyse zum Thema Infrastruktur-Debt. Ich verstehe aber, dass die Bewertung für ein Versicherungs­unternehmen anders ausfällt, das lange Laufzeiten explizit sucht.

Auch Private Equity ist kein Thema bei Ihnen. Liegt es ebenfalls an der Illiquidität?
In Private Equity investieren wir nicht aus zwei Gründen. Zum einen wegen der Illiquidität. Zum anderen sind wir der Meinung, dass wir dafür zu klein sind. Für sehr große Investoren, die eigene Ressourcen auf das Thema setzen können und sich dadurch einige­ Intermediäre sparen, mag das Sinn machen. Wir sind jedoch nicht so groß.
Außer­dem sind die Incentives und das Gebührenmodell bei Private Equity meiner Meinung nach so ausgestaltet, dass die Inter­mediäre gut verdienen, beim Kapitalgeber am Ende aber nicht mehr viel ankommt, zumindest in schlechten Zeiten.

Sie arbeiten in Ihrer Asset Allocation mit einer dynamischen Steuerung. Wann haben Sie diese eingeführt und mit welchem Ziel?
Das Ziel ist die Ergänzung der strategischen Asset Allocation. In kontrollierten Umfang sollen günstige Eintrittschancen genutzt und Gewinne realisiert werden. Im November 2008 haben wir zum Beispiel ein Convertible-Bonds-Mandat aufgelegt. Sie erinnern sich vielleicht, dass es bei Convertibles extreme­ Verwerfungen gab, da viele Hedgefonds mit Leverage investiert hatten und nun liquidieren mussten. Plötzlich gab es keine Käufer mehr für diese Papiere. Damit haben wir sehr gut verdient. Inzwischen sind die Gewinne längst realisiert und die Allokation ist wieder abgebaut.
Weiter haben wir im ersten­ Quartal 2009 ein großes Portfolio mit High Quality Corporate Bonds aufgelegt. Die Bonds hatten überwiegend A-Ratings und trotzdem war der Portfolio-Spread damals sehr hoch. Auch hier haben wir in den Folgejahren aufgrund der Spread-Einengung ­natürlich sehr gut verdient und derzeit bauen wir die Allokation stufenweise ab. Die Logik dieser zunächst ad hoc entschiedenen Maßnahmen haben wir dann in eine formale Struktur überführt, die wir dynamische Asset Allokation nennen.

Wie steuern Sie das? 
Wir haben inhouse ein Set von Indikatoren entwickelt, die wir dafür nutzen. Das sind auf der einen Seite Bewertungsindikatoren, wie das langfristige Kurs-Gewinn-Verhältnis oder der Rock-Bottom-Spread. Auf der anderen Seite sind es zyklische Indikatoren, wie Einkaufsmanagerindizes oder Credit Surveys. Zusätzlich kaufen wir Analysen von einem makroökonomischen Research-Haus ein und nutzen unsere Berater Mercer und Towers Watson. All diese Informationen schauen wir uns an und entscheiden, ob wir beispielsweise­ Aktien über- oder untergewichten. Wir ändern­ allerdings nicht jeden Monat etwas, es sind wenige Entscheidungen pro Jahr.

In welchen Bandbreiten bewegen Sie sich?
Wenn wir beim Beispiel Aktien bleiben mit strategischen Quoten zwischen 20 und 30 Prozent in den großen Pensionsplänen, dann liegen die dynamischen Bandbreiten bei plus/minus fünf bis sechs Prozent. Diese schöpfen wir aber in den seltensten Fällen voll aus. Üblicherweise bewegt sich eine dynamische­ Anpassung im Bereich von zwei bis vier Prozent.

Ihr Vorgehen klingt sehr anti­zyklisch.
Das ist ganz klar die Philosophie. Allerdings ist es immer wieder eine große Herausforderung, dies in der Praxis umzusetzen. Es ist ja auch selten eindeutig, dass eine Opportunität vorliegt. Wenn zum Beispiel die Bewertungs­indikatoren eine Opportunität anzeigen, hat das in der Regel einen Grund. Es könnte zum Beispiel an einem Einbruch der Konjunktur liegen. Doch ist der Boden in der Zyklik schon erreicht oder geht es noch weiter­ nach unten? Das muss man abwägen. Daher sind die dynamischen Asset Allocationen auch nicht sehr groß.

Bei der Umsetzung der Asset Allocation arbeiten Sie
usschließlich mit externen Managern. Wie gehen Sie bei der Managerselektion vor?

Hier bedienen wir uns externer Berater, in aller Regel global tätige wie Mercer und Towers­ Watson. Wir sind nur ein kleines Team, das nicht das ganze Universum an Managern­ kennen kann.
Die Zusammen­stellung der Longlist ist die Aufgabe der Be­rater. Der Prozess der ­Reduzierung auf die Shortlist und die Endauswahl ist unser Beitrag. Ein Manager muss vom Stil her auch zu uns passen.­ Das kann der Berater ex-ante nicht einschätzen.

Nutzen Sie auch Performance Fees?
Überwiegend arbeiten wir mit einer Management­ Fee. Gerade im Fixed-Income-­Bereich muss man mit Performance Fees vorsichtig sein, um keine Fehlanreize zu setzen. Im Aktienbereich haben wir bei den globalen Aktienmandaten auch Performance-Fee-­Anteile. Und im Alternative-Bereich kommt man gar nicht um Performance Fees herum. Die Richtschnur ist für uns: Gibt es Fehlanreize oder ist es eine richtige Incentivierung?

Welche Rolle spielt der Track Record?­
Der spielt nicht unbedingt eine große Rolle.­ Bei einer neuen Asset-Klasse brauchen wir keinen Track Record. Wenn wir an dem Beta einer Asset-Klasse interessiert sind, es aber keine oder wenig Asset Manager gibt, die schon einen längeren Track Record vorweisen können, vergeben wir trotzdem Mandate, wenn uns die Asset Manager überzeugen. So war es zum Beispiel 2009 mit den Prime RMBS und diese Jahr bei den Immobilien­krediten.

Wenn Sie unzufrieden mit einem Manager sind, tauschen Sie diesen dann sofort aus? 
Ich finde, das ist die schwierigste Aufgabe überhaupt im Investment Management: die Managerauswahl und der Austausch. Wechselt man Manager immer nur aus, wenn sie underperformen, kann man langfristig nicht die Benchmark schlagen. Dann sollte man kein aktives Management betreiben und lieber­ passiv die Benchmark kaufen. Will man aktives Management langfristig erfolgreich betreiben, heißt das theoretisch, dass man ­einem Manager immer dann kündigen muss, wenn er sich in einer Phase der Outperformance befindet. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen­ ein Manager underperformt. Hier gibt es die einfachen Situationen, in denen der Manager sich nur noch defensiv­ verhält, seinen Stil dem Marktgeschehen anpasst oder das halbe Team gegangen ist. Dann verabschiedet man sich von diesem Manager.
Die schwierigen Situationen­ sind die, in denen der Manager underperformt, obwohl er in seinem Prozess und Team konsistent war. In diesen Fällen­ hat offenbar der Stil nicht mehr funktioniert. Vielleicht kommt aber wieder eine Phase, in der dieser Stil passt. Das sind sehr schwierige Situationen, in denen man ein Stück weit unabhängig von der Performance eine Entscheidung treffen muss. Uns ist enges Relationship mit den Managern wichtiger als ein hoher Grad der Manager­diversifizierung auf dem Papier. Ich habe in einem Papier von Towers Watson gelesen, dass ein Pensionsplan unserer Größe 30 Asset Manager haben müsste, das wäre die optimale­ Diversifizierung.

So viele haben Sie nicht?
Nein, wir haben in UK etwas über zehn Manager, in Deutschland und USA weniger. Wir bevorzugen grundsätzlich segregierte Mandate gegenüber Publikumsfonds, um mit den Managern im intensiven Dialog­ sein zu können.

Bestandteil Ihrer Asset Allocation ist auch ein sogenanntes LDI-Portfolio.­ Wie groß ist der Anteil und wie ist dieses ausgestaltet?
Der Anteil eines LDI-Portfolios an den Assets sagt eigentlich nicht sehr viel aus, da der Leverage sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Das LDI-Portfolio soll ja die Risiken der Liability-Seite hedgen, also in der Regel Zins und Inflation. Die richtige Steuerungsgröße ist daher der Hedging-Level. Die Instrumente im deutschen Plan sind Bundesanleihen sowie Zins- und Inflationsswaps und Cash; in Großbritannien ganz genauso nur mit Gilts statt Bunds. Zusätzlich haben wir in beiden Ländern auch noch Swaption-Programme. Das ist aber eher eine Maßnahme, die in die dynamische Steuerung hineinfällt. Durch dynamische Variation der Hedging-Level für Zins und Inflation konnten wir in den vergangenen Jahren eine signifikante Verbesserung des Funding-Levels erreichen. 

Nutzen Sie Linker?

Absolut, sie stellen im LDI einen bedeutenden, in UK sogar den überwiegenden Teil der Staatsanleihen dar. In Großbritannien ist das Universum sehr groß. In Deutschland gibt es meines Wissens dagegen nur drei solche Emissionen, die wir alle im Portfolio haben. Deswegen müssen wir hierzulande den Inflationshedge fast ausschließlich über Swaps abbilden.

Wie groß schätzen Sie das Inflationsrisiko ein?
In denjenigen Pensionsplänen, die inflationsindexierte Leistungen bieten, also auch in Deutschland, hat die Absicherung des Inflations­risikos für uns den gleichen Stellenwert wie die Absicherung des Zinsrisikos. Langfristig wollen wir hohe Hedging-Quoten für beide Risiken realisiert sehen. Im Zinsbereich sind wir aufgrund der Niedrig­zinsphase davon allerdings noch recht weit entfernt.

Erwarten Sie, dass längerfristig die Inflation steigt?

Was ich konkret erwarte, sollte keine große Rolle spielen. Wenn man die möglichen Szenarien betrachtet, muss man konstatieren, dass Inflation ein signifikantes Risiko darstellt. Das Niveau, zu dem man Absicherung kaufen kann, ist dagegen relativ attraktiv. Daher scheint es mir interessant, sich gegenüber dem Szenario abzusichern.

portfolio institutionell, Ausgabe 9/2013

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