Versicherungen
9. März 2016

Investoreninterview: Klein, aber fein

Klein zu sein, kann von Vorteil sein. Zwar verspürt auch die Deutsche Rück den Anlagedruck, findet aber in ihren Losgrößen für ihren liquiden Kapitalanlagetopf noch immer ausreichend Instrumente, die ein Minimum an Rendite bringen. Außerdem setzt der Düsseldorfer Rückversicherer auf Illiquiditätsprämien.

Alexander Merl, Abteilungsleiter Risikomessung und Reporting bei der Deutschen Rück­versicherung, im Gespräch mit Kerstin Bendix 

2015 fegten einige Tornados über Deutschland hinweg, in Mecklenburg-Vorpommern wurde die Kleinstadt Bützow verwüstet. War 2015 aus Sicht der Deutschen Rück ein schlechtes Jahr?
Mit Blick auf Naturkatastrophen war 2015 nach meinem Wissen kein Jahr, das aus dem langen Zeitraum der Wetteraufzeichnungen besonders heraussticht – anders als zum Beispiel 2007, als Sturm „Kyrill“ große Gebiete in Nordrhein-Westfalen verwüstete. Es wird viel über den Klimawandel und dessen ­Auswirkungen diskutiert. Das ist aber ein langfristiges Thema. Vor diesem Hintergrund würden wir nicht sagen, dass es 2015 eine besondere Häufung von Naturereignissen gab. Somit ist auch das Jahr 2015 kein schlechtes für die Deutsche Rück, obwohl die Entwicklung an den Kapitalmärkten eher durchwachsen war.

Asset-Liability-Management (ALM) stellt für institutionelle Anleger ein wichtiger Investitions­ansatz dar. Ursprünglich stammt er aus der Pensionswirtschaft. Ein Rückver­sicherer hat eine völlig andere Verpflichtungsstruktur. Wie sieht das ALM bei Ihnen aus? Und was sind Ihre wesentlichen Einflussfaktoren?
Ich denke, dass die Faktoren im Asset-­Liability-Management bei allen Investoren erst einmal die gleichen sind. Auch wir ­haben ein ALM und führen entsprechende Studien durch. Die Ergebnisse fließen in die jährliche Überarbeitung unserer strategischen Asset Allocation ein.
Die Naturkatastrophen-Rückversicherung ist das Hauptgeschäft der Deutschen Rück. Sie wird in der Regel auf ein Jahr abgeschlossen. Darum sind die Verpflichtungen auf der Passivseite vergleichsweise kurzfristig. Unsere Aktivseite kann nicht ganz so kurz sein – Stichwort: Niedrigzinsumfeld. Dennoch hat unser Portfolio eine kürzere Duration als die eines klassischen Lebensversicherungsunternehmens.

Das kann sich bei einem Zinsanstieg, der ­irgendwann kommt, als Vorteil erweisen?
Ja, obwohl das Zinsänderungsrisiko in unserem Portfolio nicht das primäre Risiko ist. Unser Portfolio unterscheidet sich neben der Duration noch an anderer Stelle von dem ­eines Lebensversicherers. Wir haben keinen Rechnungszins zu erfüllen und sind nach  VAG anders reglementiert als ein Erstver­sicherer.
Beides sind Gründe, die eine andere Port­foliostruktur erlauben. Wir brauchen zum Beispiel nicht die klassische deutsche Staats­anleihe, die heute je nach Laufzeit nah an der Nullverzinsung rentiert. Wir haben prozentual einen höheren Anteil an Sachwerten.

Aber die Zinssensitivität ist trotzdem ein wichtiges Thema?
Es ist ein wichtiges Thema, aber im Gegensatz zu Lebensversicherungen können wir als Rückversicherer unsere Bewertungsreserven dauerhaft halten, natürlich in Abhängigkeit von der Marktentwicklung. Wie erwähnt, sind zudem unsere Verpflichtungen aus der Versicherungstechnik deutlich kürzer.
Unsere Risiken, im Standardmodell nach Solvency II, liegen eher im Equity- und Spread-Risiko. Wir haben beispielsweise schon früh angefangen, Corporates statt klassische Financials zu kaufen. Mit dem Umschichten in Unternehmensanleihen haben wir bereits 2008 begonnen und damit sehr gute Erfolge erzielt. Daher ist das Credit-­Risiko bei uns eher im Fokus als das Zins­änderungsrisiko.

Damals waren die Spreads noch hoch.
Stimmt, damals gab es noch auskömmliche Spreads einzukaufen und die Risiken wurden realistisch bepreist, was heutzutage nur noch bedingt der Fall ist.

Wie sieht bei Ihnen die strategische Asset ­Allocation aus, die sich aus einer ALM-Studie ableitet? Sie hatten gerade gesagt, dass Sie keine Staatsanleihen brauchen.
Als Erstes analysiert unser Konzern-Controlling, wie groß die Verpflichtungen auf der Passivseite sind und welche Cashflows sich daraus ergeben. Daraus leitet sich ab, was wir dem an klassischen Zinsträgern auf der ­Aktivseite als ALM-Match dagegenzustellen haben. Unser Portfolio an verzinslichen Wertpapieren auf der Aktivseite ist größer als die Verpflichtungen auf der Passivseite. Das ist ­unter ALM-Gesichtspunkten vorteilhaft. Bei der Duration können wir uns ein ­gewisses Gap leisten und tun dies aus ökonomischen Gründen auch.

Welche Duration haben Ihre Aktiva?

Wir haben uns entschieden, die Duration sukzessive zu verlängern. Aber wir liegen weit von der eines Lebensversicherers entfernt, die meist im Bereich von zehn liegt.

Die Verlängerung der Duration ist dem ­Niedrigzinsumfeld geschuldet?
Ja, wir haben uns auch aufgrund des Niedrigzinsumfeldes dazu entschlossen. Wir sehen zurzeit eine mit steigender Laufzeit steilere Zinskurve und dass darüber hinaus im längeren Laufzeitenbereich zusätzlich höhere Spreads gezahlt werden. Somit lässt sich mit langlaufenden Titeln noch ein Renditeplus erreichen.

Was sind neben der kürzeren Duration wei­tere Unterschiede zur Lebensversicherung?
Ich hatte die Sachwerte schon einmal kurz angesprochen. Wir müssen auf der einen Seite­ einen großen Teil liquide Mittel vorhalten, um im Schadensfall gewappnet zu sein und die Ansprüche unserer Erstversicherungskunden bedienen zu können. Dort verzichten wir bewusst auf Rendite. Wir haben aber auf der anderen Seite die Möglichkeit, in andere Assets, Sachwerte wie Immobilien und Private Equity, zu investieren, bei denen wir eine Illiquiditätsprämie vereinnahmen. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu der Ausrichtung eines Lebensversicherers.

Sie haben keinen Rechnungszins. Gibt es ein Äquivalent?
Wir haben natürlich jedes Jahr unsere HGB-Bilanz zu schließen und möchten dabei auch ein positives Unternehmensergebnis erwirtschaften. Das ist unser Ziel, welches uns im Übrigen bisher immer gelungen ist. Aus der Gesamtunternehmensstrategie leitet sich ab, was die Kapitalanlage beisteuern soll.

Verstehen Asset Manager die Besonderheiten eines Rückversicherers?
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle Asset Manager das tun. Allerdings muss man an dieser Stelle festhalten: Wenn wir beispielsweise in Aktien investieren, investieren wir in ähnliche Produkte wie andere Versicherungsunternehmen. Das unterscheidet sich nicht grundsätzlich. Das erwähnte Managen des Liquiditätsrisikos und die jederzeitige Bedienung von Schadenszahlungen zählen zu unseren Kernkompetenzen. Dafür brauchen wir nicht die Hilfe von Asset Managern. Mit unseren langfristigen Partnern, die wir aktiv ausgewählt haben, sind wir sehr zufrieden. Sie verstehen uns und wissen, welche Produkte sie uns anbieten können. Positiv sehen wir auch die Entwicklung, dass Asset Manager sogenannte Solution Teams aufbauen, die mehr beratungs- als rein vertriebsorientiert sind.

Liquidität ist ein wichtiges Thema für die Deutsche Rück. Sie müssen immer genug davon­ für Schadensfälle vorhalten. Wie kalkuliert man, wie groß dieser liquide Topf sein muss? Lässt sich dies überhaupt kalkulieren?
Es gibt Zeitreihen vorheriger Schadensereignisse und Simulationen der Auswirkungen von zum Beispiel Sturmereignissen, die wir zur Steuerung nutzen. Wir schauen uns beispielsweise Großereignisse wie „Kyrill“ an: Wann ist das Ereignis eingetreten? Welche Schadenshöhe gab es brutto und nach Retrozession? Und wie stellt sich das Auszahlungspattern im Anschluss dar?
Unsere Erfahrung zeigt, dass es in der Regel nicht so ist, dass ad hoc die gesamte Schadenssumme fällig wird und am Tag nach dem Ereignis zu überweisen ist. Vielmehr zeigen unsere Analysen, dass die Auszahlungen über rund sechs Monate erfolgen. Korres­pondierend ist dann auch die Fälligkeitsstruktur unserer Wertpapiere gestaffelt. Es gibt einen stetigen Rückfluss. Darüber hinaus haben wir einen strategischen Teil höchst liquide angelegt, zum Beispiel in Tages­geldern und Geldmarktpapieren.

Mussten Sie schon einmal draufzahlen?
Wenn Sie Negativzinsen für Liquiditäts­anlagen meinen: Nein. Bis jetzt mussten wir das noch nicht. Wir haben aus dem Markt gehört, dass tatsächlich für Tagesgeldanlagen schon Negativzinsen aufgerufen wurden. Wir diversifizieren breit. Das ist auch unser Ansatz im gesamten Portfolio. Jede Asset-Klasse ist in sich diversifiziert. So handhaben wir das auch mit der Liquidität. Wir würden nicht den kompletten Topf bei ­einer Bank anlegen. Wir haben mehrere Partner, und darüber ­hinaus kaufen wir Geldmarktpapiere, Floater und fungible Restläufer mit guter Bonität.

Wie groß ist der liquide Topf prozentual an den gesamten Kapitalanlagen?
Wir haben eine strategische Größe, die sich aus historischen Schadensereignissen und den Auszahlungspattern, die wir analysiert haben, ableitet. Dabei ist zu beachten, dass die Liquiditätsströme bei einem Rückver­sicherer nicht gleichmäßig über das Jahr ­verteilt sind. Vielmehr gibt es einen unterjährigen Liquiditätsüberhang, der wieder abfließt. Deswegen unterscheiden sich alle Quoten bei uns über das Jahr – so auch die des liquiden Topfes.

Was findet sich neben Tagesgeldern noch in dem liquiden Topf?
Wir haben drei Anlagekategorien definiert, die in Abstufungen liquidierbar sind. Diesen Kategorien ordnen wir alle Assets zu. Die Anlagen der ersten Kategorie sind börsentäglich liquidierbar. In der zweiten Kategorie finden sich Assets, die kurzfristig, aber eben nicht börsentäglich handelbar sind. Und die dritte Kategorie beinhaltet alle Assets, bei denen die Veräußerung eines längerfristigen ­Prozesses bedarf. Ein Beispiel hierfür sind Immobilien. Die Assets der ersten Kategorie bilden also den liquiden Topf.

Aktien sind auch liquide: Sind diese also in dem liquiden Topf veranschlagt?
Ja, Aktien zählen auch zur Kategorie eins, solange ausreichend Umsätze zu beobachten sind. Allerdings untersuchen wir in unseren Analysen auch die Auswirkungen von Aktien­stress. Aktien werden zum aktuellen Marktwert abzüglich eines möglichen Abschlags eingerechnet. Auch für die Renten werden Szenarien mit unterschiedlichen Zins-Shifts, zum Beispiel ein Anstieg von 100 beziehungsweise 200 Basispunkten, gerechnet.  Wir analysieren unsere Anlagen hinsichtlich der Liquidierbarkeit sehr genau und wählen im Zweifel den konservativeren Ansatz.

Welche Aktienquote können Sie sich leisten? Liegen Sie über dem, was in der Lebensversicherungsbranche im Schnitt üblich ist?
Unsere strategische Quote liegt darüber. ­Taktisch variiert das Exposure je nach Marktlage. Auch haben wir Grenzen definiert, ab denen kein aktiver Aufbau mehr stattfindet, und uns ein Limit gesetzt, ab welcher Performance aktiv Exposure abgebaut wird. Dies ­erlaubt uns, antizyklisch zu handeln. In der Risikosicht wird über die klassische Aktienanlage hinaus das gesamte Equity-Risiko ­betrachtet. Dabei finden dann auch Private-Equity-Anlagen Beachtung.

In welchem Aktienuniversum sind Sie unterwegs, nur Europa oder global?
Wir schauen uns ein breites Spektrum an und sind auch in den Emerging Markets aktiv.­ Wie gesagt: Alle Asset-Klassen sind breit diversifiziert. Wir haben in der SAA deutsche, europäische, aber auch US-amerikanische- und Emerging-Market-Aktien im ­Fokus.

Verwalten Sie die Aktien selbst?

Unsere Aktienanlage wird weitgehend von externen Managern über Publikumsfonds verwaltet. An einigen Märkten beteiligen wir uns aber auch über ETF. Obwohl es sich um strategische Asset-Klassen mit langfristigem Anlagehorizont handelt, sind diese Anlagen im Bedarfsfall schnell zu liquidieren.

Würde es sich nicht lohnen, eigene Spezialfonds aufzusetzen?
In den von uns mandatierten Größen­ordnungen lohnt sich das für einzelne Asset-Klassen nicht. Allerdings bündeln wir viele Assets in einer Masterfondskonstruk­tion.

Gab es Änderungen in dem liquiden Topf aufgrund des Niedrigzinsumfeldes?
Ja, das hat zu Veränderungen geführt. Die ­Liquiditätsanlage erfolgt jetzt über das Tagesgeld hinaus verstärkt in anderen Liquiditätsinstrumenten, wie kurzlaufende Renten und Commercial Papers. Hier ist noch ein Minimum an Rendite zu erzielen. Darüber hinaus wird die Anlage weiter gestreut.

Und da werden Sie noch fündig?
In unserer Größenordnung ist das teilweise möglich. Aber auch das wird zunehmend zur Herausforderung für unser Cashmanagement im Frontoffice.

In diesem Fall gereicht es Ihnen zum Vorteil, dass Sie mit Kapitalanlagen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro nicht ganz so groß sind.
Ja, unter diesem Gesichtspunkt ist das sicherlich von Vorteil. Es ermöglicht, den Anlage­bedarf in kleinere Losgrößen zu teilen und auch gewisse Marktphasen teilweise auszusitzen, zum Beispiel Ausschläge am Zinsmarkt wie im Frühjahr 2015. Aber natürlich möchte auch die Deutsche Rück rentierlich investieren. Somit spüren wir auch den An­lagedruck, wenn auch in einer anderen Größenordnung als die großen Gesellschaften.

Im Mai 2015 gab es einen kurzen, heftigen Zinsanstieg. Viele Anleger haben damals kräftig durchgeatmet. Wie war das bei Ihnen? Hat Ihnen dies Bauchschmerzen bereitet?
Bauchschmerzen kann ich nicht sagen. Aber auch unsere verzinslichen Wertpapiere ­werden bewertet. Da spielt das Zinsniveau natürlich eine Rolle. Allerdings ist unsere ­Reservesituation sehr gut, so dass wir weit von Schmerzgrenzen entfernt sind.

2015 war der August auf der Aktienseite ein schwieriger Monat. Wie haben Sie dies erlebt?­
Aufgrund unserer sehr auskömmlichen ­Reservesituation begreifen wir so etwas auch als Chance. Wir sind sehr daran interessiert, antizyklisch zu handeln. Unsere Assets, die durch Marktschwankungen eine Auswirkung auf das HGB-Ergebnis haben können, sind in einem Masterfonds gebündelt. Dieser ist, wie gesagt, so auskömmlich mit Reserven ausgestattet, dass wir solche Marktbewegungen wie im August eher als Chance sehen. Generell investieren wir aber immer in Schritten und nicht mit dem gesamten vor­gesehenen Volumen auf einmal.

Sie haben also die Luft, um einen Einbruch an Aktienmärkten durchzuhalten?
Ja, das kann man so sagen. Es ist ein großer Vorteil, nicht in die Zyklik zu kommen und in fallenden Märkten verkaufen zu müssen. Dass wir das heute können, ist dem Umstand geschuldet, dass wir früh angefangen haben, in bestimmte Asset-Klassen, die heute ­Renditebringer sind, zu investieren. Das ­waren sehr gute Entscheidungen.

Sie meinen die bereits erwähnten Unternehmensanleihen. In welchen Topf ­fallen diese?
Ja, unter anderem ist damit unser Corporate-Portfolio gemeint. Die Einteilung in die ­Liquiditätskategorie hängt von unserer Kredit­einschätzung und Emissionsgröße ab. Manche Emissionen sind eher kleiner, aber trotzdem interessant. Ich denke hier an Private­ Placements. Diese werden in der ­Regel nicht der Kategorie eins zugerechnet. Wir unterstellen nach dem Vorsichtsprinzip hier eine erschwerte Kontrahentensuche von mehr als einem Börsentag. Diese Papiere sind dennoch hochliquide. Grundsätzlich sind wir in allen Risikobelangen unserer ­Kapitalanlage konservativ aufgestellt.

Sind Sie auch hier global unterwegs?
Unternehmensanleihen managen wir selbst, wobei auch globale Namen im Portfolio sind. Wir investieren allerdings grundsätzlich nur in Titel beziehungsweise Produkte, die wir kennen und verstehen. In der Regel verfolgen wir einen Buy-and-Hold-Ansatz bei Bonds, wobei das Corporate-Portfolio aktiv gemanagt wird. Wenn sich Opportunitäten ergeben, nutzen wir diese.

Waren Sie schon mal in der Situation, eine Anleihe mit tollem Spread verkaufen zu ­müssen – aus Liquiditätsgründen?
Nein, und wir gehen auch nicht davon aus, dass das passieren wird. Auch die Schäden durch den Sturm „Kyrill“ konnten wir aus den normalen Liquiditätsflüssen, sprich, aus dem Cashflow der Kapitalanlage, bedienen.

Was ist das Worst-Case-Szenario? Wenn es eine­ Naturkatastrophe gibt und es gleich­zeitig an den Kapitalmärkten wacklig wird?
Das wäre eines der Worst-Case-Szenarien, die eine besondere Aufmerksamkeit erfordern würden. Aus Kapitalanlagesicht müssten wir auf der einen Seite Liquidität zur Verfügung stellen, während auf der anderen ­Seite die Liquidität am Markt abnähme. Aber unsere Kapitalanlage ist so aufgestellt, dass wir Schäden jederzeit bedienen können.
Um dies sicherzustellen, erfolgt unsere ­Liquiditätsanalyse sowohl zum aktuellen Marktwert als auch unter Annahme von ­diversen Stress-Szenarien. Monatlich ­analysieren wir die Auswirkungen von acht Szenarien, darunter die Bafin-Szenarien und historisch beobachtete Szenarien auf die ­Kapitalanlage. Das zählt zu den Aufgaben meines Teams im Kapitalanlage-Controlling.
Die im monatlichen Reporting-Prozess enthaltenen Berechnungen werden dann im Hause kommuniziert. Im angesprochenen Szenario würden die Auswirkungen und mögliche Maßnahmen im Investment Committee, das sich aus Vertretern verschiedener Bereiche zusammensetzt – Rechnungs­wesen, Konzern-Controlling, Kapitalanlage sowie dem Vorstandsvorsitzenden und dem ­Finanzvorstand – diskutiert und beschlossen. Das ist ein bewährter Prozess. Das Risiko­management hat bei uns im Haus einen großen Stellenwert und ist sehr gut aufgestellt. Wir sind State of the Art. Das wird uns öfter bestätigt.

Kommen wir zu dem illiquiden Topf: Welche ­Asset-Klassen finden sich dort?
Vor allem mögen wir gute Immobilien, sprich: Core-Immobilien in großen, wachsenden Städten in Deutschland. Wir haben hierfür einen erfahrenen Immobilien­spezialisten im Frontoffice und arbeiten mit etablierten Partnern. Aufgrund der Regulatorik können wir auch Hypothekendarlehen mit höherem Beleihungsauslauf vergeben als es Lebensversicherer im Sicherungsver­mögen können. Dies ist aus unserer Sicht ­eine sehr attraktive Anlagemöglichkeit, weil hier noch risikoadäquate Renditen gezahlt werden. Private Equity ist ebenfalls ein ­Thema für uns, bei dem wir uns mit einem großen strategischen Partner sehr gut auf­gestellt haben. Aus diesem Portfolio sehen wir bereits vorzeig­bare Rückflüsse, so dass die übliche ­J-Curve abgeflacht ist.

Wann haben Sie mit dem Darlehensgeschäft angefangen? Inzwischen hat sich dieser Markt doch auch schon ein Stück gedreht.
Sie haben recht, es ist nicht mehr so einfach, gute Objekte zu finden oder diese zu attraktiven Konditionen zu finanzieren. Es ist viel Geld im Markt. Allerdings haben wir Immobilienfinanzierungen schon seit 2011 wegen des attraktiven Rendite-Risiko-Profils besetzt. Damals waren die Banken mit der Kreditvergabe zurückhaltend, und wir konnten diese Lücke füllen. Finanzierungsobjekte werden bei der Deutschen Rück sehr aufwendig durch unseren Immobilienspezialisten ­geprüft. Finanziert werden nur Immobilien, die auch unserer Immobilienstrategie entsprechen und die wir auch direkt erwerben würden. Das ist einer der Leitsätze. Außerdem vergeben wir Darlehen in der Regel nur in Deutschland.

Ist Infrastruktur ein Thema für Sie?
Was aktuell als Infrastrukturinvestment angeboten wird, ist sehr heterogen. Allerdings treffen wenige Produkte unsere Strategie und Rendite-Risiko-Erwartungen. Deswegen reduzieren wir in unserer strategischen Asset-Allokation Infrastruktur zugunsten von Private­ Equity.
Bereits investiert sind wir in verschiedene Solarparks. Das Problem dabei ist der politische Preis der Einspeisevergütung, der für neue Anlagen gesenkt wurde. Attraktiv sind solche Anlagen nur, wenn sie sich zu tat­sächlichen Marktpreisen für Strom noch rechnen. Auch für Infrastruktur gilt, dass das Produkt gut investierbar sein muss und die Rendite zum Risiko passt. Allerdings ist dies aus unserer Sicht schwierig.

Private Equity ist eine Asset-Klasse, die unter Solvency II nicht gerade hofiert wird.
Das ist so. Unter Solvency II wird Private Equity abgestraft. Unabhängig von der Investitionsart erfolgt eine Gleichbehandlung. Nach meiner Ansicht ist diese Asset-Klasse aber nicht per se ein besonders volatiles Investment.­ Bei breiter Diversifikation über Regionen,­ Programme und Auflagezeit­punkte lassen sich hier durchaus sehr stabile Portfolios zusammenstellen.

Sie lassen sich Private Equity als Anlageklasse trotz Solvency II nicht kaputtmachen?
Wir sind in der Lage zu investieren. Durch unsere gute Kapitalisierung haben wir den Vorteil und die Möglichkeit, auch weiterhin in Private Equity investieren zu können.

Apropos Solvency II: Anfang 2016 ist das neue Aufsichtsregime gestartet. Fühlen Sie sich gut vorbereitet?
Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Solvency II ist bei uns im Konzern-Controlling angesiedelt, hier wird der Prozess des Gesamthauses und der Gruppe koordiniert. Es wurde frühzeitig und sehr intensiv begonnen, sich vorzubereiten, so dass alle Bereiche im Haus laufend informiert waren, wann was zu tun ist. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise der gesamte Prozess zur Säule drei in einem Testlauf durchgeführt. In der Kapitalanlage trifft uns primär die Berichtspflicht. Unsere Prozesse waren auch vor Solvency schon sehr gut dokumentiert, aber wir haben den Blick auf die Abläufe noch einmal geschärft. Das ist das einzig ­Positive, das ich in der Praxis dem Ganzen abgewinnen kann (lacht). Das intensive und detaillierte Reflektieren der eigenen­ Prozesse ist für mich ein Gewinn.
Die Reporting-Anforderungen sind natürlich umfangreich, wobei nicht alle auf Anhieb nachvollziehbar sind. Weil wir früh angefangen haben, uns darauf vorzubereiten, sind sie jedoch alle umsetzbar und weitgehend ­automatisiert. Einen ökonomischen Mehrwert können wir daraus aber nicht ziehen.

Waren die Berichtspflichten die größte ­Herausforderung in der Kapitalanlage bei den Vorbereitungen auf Solvency II?
Ja. Der Umfang und der Detaillierungsgrad sind immens. Jedes einzelne Asset wird gemeldet. Wir haben unsere Master-KVG per Datenschnittstelle angeschlossen und führen in unserem Bestandsführungssystem alle Daten zusammen. Von dort füllen wir dann die QRT, die quantitativen Reporting ­Templates.
Allerdings sind nicht alle Berichtsanforderungen einfach nachzuvollziehen. Beispielsweise müssen festverzinsliche Wertpapiere explizit mit einem externen Rating­ gemeldet werden. Dies ist eine Anforderung der euro­päischen Aufsicht Eiopa, während die Bafin auf der anderen Seite daran interessiert ist, die Versicherungsbranche unabhängiger von Rating-Agenturen zu machen – Stichwort: CRA III.

Das widerspricht sich.
Es ist ein klarer Widerspruch, der auch noch Geld kostet, ohne einen erkennbaren Nutzen zu generieren.

Standardmodell oder internes Modell, diese Frage wurde im Vorfeld von Solvency II viel debattiert. Wofür haben Sie sich entschieden? Ein internes Modell stand bei Ihnen vermutlich nicht zur Debatte.  
Da täuscht man sich. Wie gesagt: Wir sind State of the Art, was das Risikomanagement angeht. Wir haben das Standardmodell im Einsatz, verfügen aber auch über ein internes Modell. Wir modellieren in der Kapitalanlage das Marktrisiko auch in unserem internen Modell mit. Die Zertifizierung des Modells ist jedoch eine Frage mit weitreichenden Auswirkungen. Zurzeit ist es eine Option, aber wir sind noch nicht in einem Zertifizierungsprozess.

Sie arbeiten parallel mit zwei Modellen?
Ja, wir haben das interne Modell schon länger im Aufbau beziehungsweise im Einsatz. Das ist inzwischen in einem eingeschwungenen Zustand und sehr gut dokumentiert. In der Kapitalanlage wird es zum Beispiel für die ALM-Studien eingesetzt. Das Standardmodell hat nun einmal seine bekannten Schwächen, zum Beispiel die Solva-Null-­Widmung von europäischen Peripherie­staaten oder die Risikounterlegung für Immobilien.­ Wir möchten aber wirklich ­wissen, wo und wie hoch unsere Risiken sind und bilden daher unsere Assets im internen Modell detaillierter ab. Wir sehen die Gefahr, dass nach dem Standardmodell Risiken unter­schätzt werden. Dies führt zu Fehl­anreizen in der Steuerung.

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 02/2016

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert