Strategien
28. August 2018

Japan tüftelt an einem gigantischen Staatsfonds

Die japanische Regierung will einen Staatsfonds ins Leben rufen. Er soll unter anderem dazu dienen, der Inflation auf die Sprüge zu helfen. Infrastrukturanlagen könnten ins Portfolio kommen.

Ein japanisches Sprichwort besagt: „Wenn man den Edelstein nicht schleift, hat er keinen Glanz.“ („Tama migakazareba hikari nashi.“) Die Regierung im Land der aufgehenden Sonne will demnächst einen Staatsfonds aus der Taufe heben – und vermutlich das Schmuckstück zum Edelstein polieren. Das gebietet schon die Tradition.

Der, wie die Angelsachsen sagen, Sovereign Wealth Fund entsteht abseits des japanischen Government Pension Investment Fund (GPIF). Mit einem verwalteten Vermögen von rund 1,43 Billionen Dollar ist letzterer ganz vorn dabei in der Gruppe der staatlich geprägten Investoren, der Brillant unter den geschliffenen Diamanten sozusagen.

Das neue Anlagevehikel grenzt sich von der 2006 angelegten ­Schatztruhe allerdings in mehrfacher Hinsicht ab. Während der Government Pension Investment Fund über diversifizierte Anlagen verfügt und dieser Schatz auf mehreren Dutzend Asset-Management-Gesellschaften aufgeteilt wurde, ist bei dem Rohdiamant, um das Bild ein letztes Mal zu bedienen, ein Portfolio noch nicht in Sicht.

Der Staatsfonds folgt einer politischen Agenda

In einem ersten Schritt soll der Staatsfonds dazu dienen, die Forderungen der USA nach einem Abbau des Handelsdefizits mit Japan aufzufangen. Es geht also vor allem um Politik und Diplomatie. Die Börsen-Zeitung mutmaßt, das Kapital könnte unter anderem in US-Infrastrukturprojekte fließen. Und damit in eine Anlageklasse, die sich bei institutionellen Investoren in den vergangenen Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Denn sie ist gekennzeichnet durch die Aussicht auf stabile und planbare Erträge und gewinnt mit der Bonität ihrer Akteure noch an Charme.

Neben US-Infrastrukturanlagen, so wird gemutmaßt, könnte Japan auch Gelder für die sogenannte indo­pazifische Investitionsoffensive von US-Außenminister Mike Pompeo bereitstellen. Pompeo hatte Anfang August angekündigt, rund 300 Millionen Dollar in der Region Asien-Pazifik investieren zu wollen, um die Zusammenarbeit und die maritime Sicherheit vor Ort zu erhöhen. Mitstreiter würden das Vorhaben stärken.

Es ist keinesfalls ungewöhnlich, dass ein Staatsfonds konzipiert wird, um regionale Probleme zu adressieren. Sie dienen häufig dazu, die heimische Wirtschaft und die Währung des Heimatlandes zu stabilisieren. Im Krisenfall können sie auch als Geldgeber der letzten Instanz auftreten, wenn sonst niemand mehr dazu bereit ist.

Die von Staatsfonds verfolgten Ziele sind dabei nicht immer statischer Natur, sondern flexibel. Das gestattet es den Institutionen, dynamisch auf Veränderungen im wirtschaftlichen und politischen Umfeld zu reagieren. Es sind Eigenschaften wie diese, die Sovereign Wealth Funds zu einer ganz besonderen Gruppe unter den institutionellen Investoren machen. Und so ist es auch beim japanischen Staatsfonds. Er soll primär engere Bande mit den USA und in der Region Asien-Pazifik knüpfen.

Die Börsen-Zeitung ruft in Erinnerung, dass die Vereinigten Staaten auch auf einen bilateralen Handelsvertrag dringen, während sich Japan die Rückkehr der USA zum früheren Freihandelsvertrag TPP der Pazifik-Anrainerstaaten wünscht. Aber die Überlegungen der ­japanischen Regierung gehen offenbar weit darüber hinaus.

Zusätzlich könnte der Fonds helfen, eine für die japanische Wirtschaft kontraproduktive Aufwertung des Yen abzumildern. Diese Idee geht auf den Wirtschaftswissenschaftler Koichi Hamada von der Yale Universität zurück. Er ist einer der Architekten der Abenomics genannten Wirtschaftspolitik Japans.

Institutionelle Anleger investieren in den Fonds

Mit Blick auf den noch zu installierenden Staatsfonds geht die japanische Filiale der Großbank UBS davon aus, dass der Fonds zunächst mit einem Teil der japanischen Auslandsreserven ausgestattet werden könnte. Laut Zahlen des Internationalen Währungsfonds IWF vom März 2018 hält Nippon mit umgerechnet knapp 1,2 Billionen Dollar erhebliche Währungsreserven, im globalen Vergleich verfügt nur China mit stolzen 3,2 Billionen Dollar über noch höhere Reserven an ausländischen Währungen.

An Kapital dürfte es dem Staatsfonds nicht mangeln. Zumal dem Vehikel zusätzlich Kapital von institutionellen Anlegern zufließen könnte. Wie es heißt, akzeptierten die Großanleger eine langfristige Rendite von null Prozent, weil andere Anlagen ähnlicher Art negative Renditen einbringen würden. Es wäre, so skurril es auch klingen mag, ein relativ gutes Geschäft für die Kapitalgeber, wenn ihr Investment unverzinst bliebe.

Der Staatsfonds soll die Inflation antreiben

Für die Regierung von Premierminister Shinzo Abe gilt der Staatsfonds perspektivisch auch als Werkzeug, um die Deflation ein für allemal zu besiegen, meint jedenfalls die UBS. Nach Jahrzehnten der niedrigen Inflation und teils der Deflation ist Japan zu einem Land der wirtschaftspolitischen Absonderlichkeit geworden, konstatierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im vergangenen Jahr. Regierung und Notenbank seien weitgehend darauf fixiert, die Inflationsrate in die Höhe zu treiben, anstatt das Preisniveau stabil zu halten. Der japanische Zentralbankchef, Haruhiko Kuroda, beschwöre bei jeder Gelegenheit das Inflationsziel von zwei Prozent.

Mit einer Inflationsrate von zuletzt 1,12 Prozent ist Japan inzwischen aber nicht mehr allzu weit davon entfernt, 2016 lag die Kennzahl noch knapp unter der Nulllinie. Der Druck auf den neuen Staatsfonds, der Inflation auf die Sprünge zu helfen, ist demnach gesunken. Andere Anlageziele rücken so in Sichtweite.

Asset Manager wittern Geschäft

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PWC hat sich jüngst mit einer Studie „Sovereign Investors 2020 – A growing force” Staatsfonds gewidmet. Diese Zielgruppe bietet nach Einschätzung von PWC herausragende Geschäftsmöglichkeiten für Asset Manager. Das überrascht nicht, schließlich sind Staatsfonds und Pensionsfonds mit staatlichem Background von Haus aus groß, auf einen langen Zeithorizont ausgerichtet und von einer gewissen Stabilität gekennzeichnet.
PWC weist darauf hin, dass die Kapitalbestände staatlicher Großanleger in der Vergangenheit bevorzugt von west­lichen Asset Managern betreut wurden. Ein Beispiel liefert die Abu Dhabi Investment Authority (Adia). Sie hat zwei Drittel ihrer Assets zur Verwaltung an externe Manager ausgelagert.

Dadurch bleiben die Personalkosten überschaubar, aber der finanzielle Aufwand für extern eingekaufte Vermögensverwaltung dann eben nicht. Die Rechnung scheint jedoch nicht aufzugehen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten denkt man darüber nach, Asset verstärkt selbst zu managen.

Auslagerung von Anlageentscheidungen

In Zukunft wird eine solche Entscheidung für oder gegen eine Auslagerung des Asset Management darauf basieren, ob gewisse Kriterien eingehalten werden. Angesichts ihrer Größe sind für staatlich geprägte Anleger zwei Aspekte besonders relevant, meint PWC: Hat das interne Team die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit bestimmten Anlageklassen?

Beispielsweise würde ein auf Kapitalmaximierung ausgelegter Fonds bestrebt sein, sich ­näher mit alternativen Anlagen zu beschäftigen. Man kann vermuten, dass ein solcher Staatsfonds einen Teil seiner Mittel einem spezialisierten externen Manager anvertrauen würde, der in dem Segment einfach besser aufgestellt wäre.

Anders sähe die Sache bei einem Stabilisierungsfonds aus, wie er in Japan entsteht. Ein solcher würde, vermutet PWC, mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Verwaltung eines Teils einer Anlagen nach außen geben, was sich mit der Zusammensetzung seines Portfolios begründen ließe: Wo Plain-Vanilla-Geldanlagen das Portfolio prägen, macht ein Outsourcing für PWC weniger Sinn. Aber auch hier nur unter der Voraussetzung, dass das Anlageteam über das erforderliche Know-how verfügt.

Asset Manager kooperieren mit Investoren

Künftig werden die Übergänge zwischen internem und ausgelagertem Asset Management fließend sein. Die Studienmacher von PWC rechnen damit, dass beide Seiten enger kooperieren werden. Hier der Investor, dort der Asset Manager. Die Zusammenarbeit könnte zu so etwas wie einer strategischen Partnerschaft avancieren. Die Ausgestaltung einer solchen Zusammenarbeit ist dann von den Wünschen des Anlegers abhängig.

Andere Großanleger werden andere Wege beschreiten und dazu tendieren, das Fachwissen der eigenen Mannschaft zu stärken. Der Aufbau von Kompetenzen kostet Zeit und Geld. Dafür lässt sich die Ernte eines fernen Tages in vollen Zügen genießen – wenn die externen Verwaltungskosten gen null tendieren.

Ein Beispiel liefert die Government of Singapore Investment Corporation (GIC), die mehr als 1.000 Mitarbeiter auf ihrer Gehaltsliste zählt und dazu übergeht, ihre Mittel intern zu managen. Die Vorteile einer solchen Strategie liegen für PWC auf der Hand: Die Nettorenditen steigen, die Interessen der ­Beteiligten gleichen sich einander an und last but not least ­können Anleger auf eigene Faust und passgenauer Zugang zu neuen Anlagemöglichkeiten gewinnen. Ein weltumspannendes Filialnetz kann bei einer solchen Strategie durchaus als hilfreich betrachtet werden.

Staatsfonds mit globalem Netzwerk

Der norwegische Ölfonds zeigt, wie das geht. Er residiert nicht nur in Oslo, sondern unterhält auch Niederlassungen in London, New York, Shanghai, Luxemburg und Singapur. Also praktisch am Puls der Finanzwelt. Und er streckt seine Fühler bis nach Tokio aus, vermutlich bis an den Kabutocho.

Dort, im Finanzdestrikt Nihombashi schließt sich der Kreis dieser Weltreise, nicht ohne noch ein Sprichwort aufzugreifen. Die Japaner sagen: „Makanu tane wa haenu“. Übersetzt heißt das, „ungesäte Saat geht nicht auf.“ Oder: „Von nichts kommt nichts.“ Das weiß man auch in Norwegen.

Festzuhalten bleibt, Staatsfonds werden nach Einschätzung von PWC eine zunehmend wichtige Rolle unter den institutionellen Investoren spielen. Wenn man sich die schiere Größe der Kapitalsammelstellen vor Augen führt, muss man sich um kooperationswillige Asset Manager keine Sorgen machen. „Tama migakazareba hikari nashi.“

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2018 

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