Strategien
25. Oktober 2019

Jenseits der Welt von MSCI

Nicht nur weil Real Assets in Europa und Nordamerika zunehmend knapp werden, zieht es inzwischen einige Investoren in Entwicklungs- und Schwellenländer. Durch Kooperationen mit Entwicklungsbanken ist dieser Gang – auch wegen der Übernahme von First-Loss-Tranchen seitens öffentlicher Institutionen – mitunter auch jenseits reiner Impact-Investitionen attraktiv.

Die Welt von MSCI besteht aus gerade einmal 23 Ländern – so viele sind im MSCI World enthalten. Will man als Aktien-Investor auch in die übrigen 170 Mitgliedsstaaten investieren oder diese zumindest nicht von vornherein aus der Anlagewelt ausschließen, so werden nur der Materie Unkundige nach dem MSCI All Country World Index greifen. Darin enthalten: 23 Industriestaaten und 24 Schwellenländer, immerhin knapp ein Viertel aller UN-Mitgliedsstaaten, wobei die USA Ende September 2019 eine Gewichtung von 55,83 Prozent hatten. Die Welt von MSCI im Jahre 2019: Ziemlich klein. Abhilfe bietet immerhin der MSCI Frontier Markets Index, der weitere 28 Staaten umfasst, die – den vorherigen Definitionen zufolge nahe, aber offenbar jenseits der uns bekannten Welt liegen. Und auch für viele Investoren stellen die Grenzen der durch den MSCI All Country World Index aufgespannten Welt noch unüberwindlichere Hindernisse dar, als die ­gegen die Menschen aus diesen Staaten hochgezogenen Zäune der „Festung Europa“. Oder haben Sie bereits viele Investments in Kuwait, ­Vietnam, Marokko und Nigeria, um nur die größten vier regionalen ­Allokationen des MSCI Frontier Markets Index zu nennen, getätigt?

Für diese Grenzen gibt es natürlich handfeste Gründe, nicht zuletzt regulatorische. Denn die führenden Rating-Agenturen strafen die ­politische Instabilität dieser Länder mit schlechten Ratings im Non-Investment-Grade-Bereich ab, was für Anleiheninvestoren eine hohe Eigenkapitalhinterlegung nach sich zieht. Dies verbittert selbst ­Investoren, die sich von den medialen Berichten um ­Umschuldungen, galoppierender Inflation, Kapitalverkehrskontrollen und ähnlichen Investorenalpträumen nicht abschrecken lassen, den Geschmack. Trotz einiger schlechter Jahre liegt die Rendite des MSCI Frontier Markets mit jährlichen 7,96 Prozent seit dem Mai 2002 noch immer über dem MSCI ACWI, der mit 7,33 Prozent rentierte, damit aber auf eine ebenso hohe Sharpe-Ratio von 0,44 kommt. Die gewichtete ­Realität dieser Länder zeigt damit auch: Umschuldungen, galoppierende Inflation und Kapitalverkehrskontrollen treten zwar wie ­aktuell in Argentinien fast ständig irgendwo auf, aber eben nicht überall zu jeder Zeit. Doch die Risiken sind durch die extremen Ausreißer eben schwer zu bemessen, wozu auch die beschriebene Ortsunkundigkeit der großen Ratingagenturen beiträgt.

Einige Wagemutige voraus

Wenn dies bereits im (beispielsweise bei Schwellenländeranleihen gar nicht mal so) liquiden Wertpapierbereich kompliziert ist, wird das Wagnis von illiquiden Investments in Real Assets zu einem Ding der Unmöglichkeit, so scheint es. Tatsächlich haben jedoch in den vergangenen Jahren einige namhafte Investoren – teilweise von Entwicklungsbanken incentiviert – den Schritt in Schwellenländer gewagt. So beteiligt sich die Allianz über ihre Tochter Allianz Capital Partners an einem Portfolio von indischen Mautstraßen. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ist mit einem zweistelligen Millionenbetrag in dem Global Climate Partnership Fund (GCPF) investiert, auch die ­Sparkasse Bremen stellte auf diese Weise Geld für grüne Projekte von Solarkraftwerken in Nicaragua bis hin zu ­Energieeffizienzmaßnahmen in Bangladesch bereit. Die Verka VK ist in einem von der ­Evangelischen Bank sowie der KfW-Tochter DEG gemanagten Renewables-Fonds ­investiert. Auch die Bundesstiftung Umwelt hat verschiedene Fondsprojekte im Bereich Erneuerbare Energien mit Fokus ­Entwicklungs- und Schwellenländer im Portfolio. Und Stefan ­Schütte, Leitender Portfolio Manager Debt Investments bei der R+V Lebensversicherung, verwies bei der BAI Investmentkonferenz auf attraktive Investitionsmöglichkeiten für alternative Investments in Chile, Peru, Philippen und Indonesien. „Im Vergleich zu diesen Ländern bietet Westeuropa ein vermeintlich niedrigeres Risiko, das aber auf jeden Fall niedriger bezahlt wird“, so Schütte.

Dass institutionelle Investoren sich dem Thema annehmen, dürfte zum einen etwas mit den in Europa knapp werdenden gut ­rentierlichen Assets beispielsweise im Infrastrukturbereich zu tun haben, zum ­anderen aber auch damit, dass von staatlicher Seite Investoren ­deutlicher stärker entgegengekommen wird. Im Rahmen der ­„Maximising finance for development“-Strategie strebt beispielsweise die Weltbank die Mobilisierung privater Gelder an. Denn wie eine ­Publikation der Weltbanktochter IFC aus dem April 2018 festhält, sind signifikante ­Investitionen in die Infrastruktur von Schwellenländern bisher ausgeblieben – trotz erheblich gestiegener ­Investmentpotenziale.  Laut einer Studie von McKinsey aus dem Jahre 2017 seien jähr­liche Infrastrukturinvestitionen von 3,7 Billionen US-Dollar nötig, um ­allein mit dem prognostizierten Wirtschaftswachstum mithalten zu können. Eine weitere Billion US-Dollar jährlich seien notwendig, um die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable ­Development Goals (SDGs), zu erreichen.

Hindernisse für privates Investment

Als größte Hindernisse für mehr private Investments identifiziert IFC das Fehlen eines Track Records von Investments in Schwellen­ländern, das Risikoprofil, welches sich üblicherweise im Non-Investment-­Grade-Bereich befindet, sowie das Fehlen von lokaler Expertise. Als weitere Probleme, für welche jedoch leichter eine Lösung gefunden werde könne, wird regulatorische Unsicherheit, Project Bankability, das Fehlen von Performance-Daten sowie mangelnde institutionelle Kapazitäten seitens der Regierungen genannt. Diese Probleme soll ein Programm mit dem Titel Managed Co-Lending Portfolio Program (MCPP) lösen, welches seit 2013 institutionalisiert wurde. Dieses sieht die Partizipation am Kreditportfolio der IFC vor. Nach einer Test­phase, welche durch ein Co-Investment der China’s State ­Administration of Foreign Exchange erfolgte, war die ­Allianz der ­erste internationale Investor, der sich mit 500 Millionen US-Dollar ­beteiligt. Mittlerweile haben weitere große Versicherungen wie die Münchener Rück, ­Prudential, ­Liberty Mutual, Swiss Re und Axa ­einen ähnlich ­hohen Betrag ­zugesichert.

Als 2012 das Infrastruktur-Team bei Allianz Global Investors (AGI) gegründet wurde, gab es nur wenige Investoren, die direkt in ­Infrastruktur-Debt investierten, erläutert Nadia Nikolova, Senior ­Portfolio Manager bei AGI. AGI war vor dem IFC-Investment bereits in Lateinamerika in verschiedenen Ländern als ­Co-Investor investiert, allerdings handelte es sich hier durchweg um Finanzierungen im Investment-Grade-Bereich. Am Anfang der ­Kooperation mit der IFC stand deshalb die Frage, wie Infra­struktur in Ländern mit Sub-Investment-Grade-Rating für die Versicherungen ­investierbar gemacht werden könne. Dabei beobachtet Nikolova eine Lücke zwischen dem tatsächlichen und dem wahrgenommen Risiko. „Wenn man in Infrastruktur-Debt in Indonesien investiert, erwarten viele Investoren, dass die Ausfallraten sehr hoch und die Recovery ­Rates sehr niedrig sind. Die Erfahrungen von Entwicklungsbanken mit teils über 50 Jahren Track Record in diesen Ländern sind jedoch deutlich besser. So zeigt eine Analyse von Moody’s, dass die durchschnittlichen kumulierten Ausfallraten für Infrastrukturwerte mit ­einem BB-Rating in Schwellenländern und OECD-Ländern weit­gehend ähnlich sind.“

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