Strategien
25. Oktober 2019

Jenseits der Welt von MSCI

Nicht nur weil Real Assets in Europa und Nordamerika zunehmend knapp werden, zieht es inzwischen einige Investoren in Entwicklungs- und Schwellenländer. Durch Kooperationen mit Entwicklungsbanken ist dieser Gang – auch wegen der Übernahme von First-Loss-Tranchen seitens öffentlicher Institutionen – mitunter auch jenseits reiner Impact-Investitionen attraktiv.

Dennoch seien die Herausforderungen groß gewesen: „Wenn wir in Emerging Markets gehen, müssen wir uns über De-Risking ­Gedanken machen.“ Denn: „Viele Länder haben ein B- oder BB-Rating, teilweise auch CCC, wobei diese Länder für uns ausgeschlossen sind. Für Versicherer sind Investitionen im Sub-Investment-Grade-Bereich aber sehr kapitalineffizient.“ Gemeinsam mit IFC fand man eine Lösung. Unter dem „Managed Co-Participation Program“ investiert Allianz in ein Kreditportfolio, das die IFC durch Halten der First-Loss-Tranche absichert. Diese spielt eine wichtige Rolle: In Kooperation mit der schwedischen Entwicklungsagentur Sida sichert die IFC laut einem von ihr veröffentlichten Dokument die Übernahme der ersten zehn Prozent Verluste innerhalb des Kreditportfolios mittels einer Junior Tranche zu. Alle Zins- und Tilgungszahlungen gehen an ein Investmentvehikel und werden dann verteilt, wobei der Investor zuerst ­ausgezahlt wird. Bei Rückzahlung des Kredits wird zuerst der Investor bedient, erst wenn dieser vollständig ausgezahlt wurde, erhält die IFC den übrig gebliebenen Anteil. Dies bewirke laut der IFC, dass sich das Risikoprofil aus Investorensicht in den Investment-Grade-­Bereich verschiebt.

Entgegen kommt der Allianz weiterhin, dass sich mittels des immensen IFC-Portfolios sehr gut diversifizieren ließe. „Wir erwarten, dass die Returns aus einem Solarkraftwerk in Kenia und einer Straße in ­Indonesien sehr gering korreliert sind.“ Bei der Portfoliokonstruktion achtet die Allianz somit darauf, nur geringes Exposure zu einzelnen Ländern und Sektoren aufzubauen. Durch die First-Loss-Tranche ­würden nur große Verluste überhaupt im Portfolio der Allianz ­ankommen. Im Ergebnis habe man ein Portfolio aufbauen können, welches Investment-Grade-Charakteristiken habe. Zu den Returns könne Nikolova keine Aussage machen. Auch ein anderes Problem, die Skalierung, lässt sich mittels des IFC-Portfolios lösen. Aus relativ kleinen Finanzierungen ein Portfolio von mehreren hundert ­Millionen Dollar aufzubauen wie im Falle der Allianz könne andererseits sehr zeitraubend sein. „Investoren suchen nach groß skalierbaren diversifizierten Investments.“

Kritik an Neupositionierung

Aus Sicht der IFC lässt sich so das Volumen eines Investment in die First-Loss-Tranche geschätzt um den Faktor Neun hebeln, was einerseits ­staatliche Mittel freisetze, andererseits Vorbildcharakter für weitere institutionelle Investments haben könne. Diese strategische Neu­positionierung der Weltbank ist gleichwohl sehr umstritten. Als ein Negativbeispiel führt Markus Henn von der NGO WEED den ­Bujagali-Damm in Uganda an. Dabei handelt es sich um ein Staudammprojekt in Uganda, welches von der IFC kofinanziert wurde und rund 30 Prozent der Stromversorgung Ugandas sicherstellt. ­„Einerseits ist der Staudamm ein sinnvoller Beitrag zu den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, da dieser die Versorgung mit grüner Energie sicherstellt. Andererseits liegen die Kosten deutlich über denen vergleichbarer Projekte, was angesichts der hohen ­finanziellen Belastung für breite Bevölkerungsgruppen von ­elementarer Bedeutung ist.“ Diese liegen mit rund 3,5 Millionen US-Dollar pro Kilowattstunde in etwa dreimal so hoch wie bei etwa beim Drei-Schluchten-Staudamm in China oder einem vergleichbaren Staudamm in Kenia. Als wichtigen Grund sieht er die Abnahme­garantie der Regierung zu einem hohen Fixpreis. Diese sorgt mit ­dafür, dass das Investment aus Sicht der privaten Investoren sehr ­lukrativ ist. So konnte die Blackstone-Tochter Sithe Global Power ­ihren anfänglichen 110-Millionen-US-Dollar-Anteil im Juli 2018 an das norwegische Staatsunternehmen SN Power für 277 Millionen Dollar verkaufen. Höhere Kosten für Stromnutzer in Uganda und ­gleichzeitig erhebliche Summen, die in den globalen Norden ­abfließen, dürften trotz der unbestreitbaren Sinnhaftigkeit des Staudamms für die Stromversorgung Ugandas eine unter dem Strich sehr zweifel­hafte entwicklungspolitische Wirkung entfalten.

Auch der frühere UN-Vizegeneralsekretär und Ökonomieprofessor K.S. Jomo kritisiert, dass durch den Weltbank-internen Prüfungs­prozess auch für die öffentliche Hand profitable Projekte privatisiert werden, während die Weltbank über die First-Loss-Tranche die ­Risiken trägt. Zudem sei zu befürchten, dass durch den Fokus auf die ­Mobilisierung privater Gelder Kernaufgaben der Weltbank wie die ­Finanzierung von Projekten, welche den ärmsten Bevölkerungsschichten zu Gute kommen, zu kurz treten. Auch Initiativen ­multilateraler Kooperation, um das Problem von Steuer- und ­Kapitalflucht in den Griff zu bekommen, könnten durch die Abkehr von staatlichen hin zu privaten Akteuren leiden. Diese sind aus entwicklungs­politischer Perspektive aber entscheidend. Die UN-­Organisation UNCTAD schätzte 2015 die Steuerverluste für Entwicklungsländer allein durch aus Offshore-Hubs einfließende ­ausländische Direktinvestitionen auf 100 Milliarden Dollar. Noch deutlich höher dürften die Zahlen für unlautere Finanzflüsse liegen, welche als grenzüberschreitend bewegtes Geld, das illegal verdient, verwendet oder bewegt wird, definiert werden. Der Think-Tank ­Global Financial Integrity schätzte die Verluste für Entwicklungs- und Schwellenländer für 2014 auf rund eine Billion Dollar – mehr als das sechsfache der ­offiziellen globalen Entwicklungshilfe.

Zur bitteren Wahrheit gehört, dass mitunter die gleichen Akteure, die nun Lösungen für die Entwicklung des globalen Südens anbieten, ­einen Beitrag dazu geleistet haben, diese Finanzlücken erst zu ­verursachen. Goldman Sachs kooperiert seit 2014 über die Goldman Sachs Foundation mit der IFC für einen Fonds zur ­Förderung von ­unternehmerischen ­Frauen in Schwellenländern. Gleichzeitig ­befindet sich die Bank im Herzen eines Korruptionsskandals gigantischen Ausmaßes in Malaysia, bei welchem es um die Veruntreuung von 4,5 Milliarden Dollar aus dem staatlichen Unternehmen 1MDB geht. Die ­Deutsche Bank bekam im ­November 2018 Besuch von der ­Staatsanwaltschaft, welche Enthüllungen durch die Panama Papers und dem Verdacht der Beihilfe zur Geldwäsche nachgeht. Im Zentrum steht ­eine mittlerweile verkaufte Deutsche-Bank-Tochter auf den Britischen Jungfern­inseln, welche allein im Jahr 2016 über 900 ­Kunden mit ­einem ­Geschäftsvolumen von 311 Millionen Euro ­betreute. In weitere Fälle in Kenia, der Ukraine, Russland und Indien war die Deutsche Bank ­verwickelt. Zurück an gleicher Stelle managt ihre Tochter DWS einen ­Agrarfonds, der das Ziel verfolgt, „das Potenzial des ­afrikanischen ­Agrarsektors auf allen Ebenen – Produktion, ­Verarbeitung, ­Dienst­leistungen und Handel – zugunsten der Armen zu erschließen“. Der Fonds ist als öffentlich-private Partnerschaft mit der ­deutschen ­Entwicklungsbank KfW und dem BMZ aufgestellt. ­Erste Verluste werden auch hier mit einer First-Loss-Tranche aufgefangen, welche die sogenannten C-Anteile tragen werden, für die das BMZ Kapital bereitgestellt hat. Die KfW und die Deutsche Bank ­haben in die Mezzanine-B-Anteile investiert, die A-Anteile stehen privaten ­Anlegern offen.

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