Recht, Steuer & IT
10. Januar 2020

Klimawandel treibt Politik treibt Kapitalanlage

Das Pariser Zwei-Grad-Ziel scheint kaum noch zu verwirklichen. ­Darum müssen Regierungen heute versäumte Maßnahmen morgen ­umso stärker forcieren. Betroffen sind auch Investoren – und zwar eher negativ. Es führt aber kein Weg daran vorbei, mit dem Klimawandel auch die Portfolios zu wandeln. Unterstützung für den Transitionsprozess leisten die PRI.

Die Basilica di San Marco, Venedigs Dom, stand seit ihrer Gründung im Jahr 828 sechs mal unter Wasser. Drei der Überschwemmungen ereigneten sich in den vergangenen 53 Jahren, zwei in 2018 und 2019. Mitverantwortlich für die jüngsten Überschwemmungen wird der ­Klimawandel gemacht. Ein schwacher Trost für Venedig ist, dass die Stadt mit den Hochwasserproblemen nicht allein ist. Laut einer im vergangenen Jahr erschienenen Studie drohen 37 von 49 an der Mittelmeerküste gelegene Weltkulturerbestätten auf Grund des ­Anstiegs des Meeresspiegels in zunehmendem Maße Überschwemmungen. 42 Weltkulturerbestätten sind durch Bodenerosionen ­bedroht.

Betroffen von Hochwasser und Überschwemmungen sind nicht ­zuletzt auch Versicherungen. Die Starkregenschäden beliefen sich ­gemäß Angaben des Versicherungsverbands GDV in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2017 auf 6,7 Milliarden Euro. Künftig dürften die Schäden weiter steigen. Im September zitierte der GDV Klima­forscher: „Hitzewellen und extreme Regenfälle werden seit ­Jahrzehnten immer häufiger. Dieser Trend wird sich in Zukunft durch den Klimawandel fortsetzen.“ Carl-Friedrich Schleußner von der Berliner ­Humboldt Universität: „Wenn die globale Temperatur um zwei Grad zunimmt, wird jeder Sommer so wie 2018.“ Von Relevanz sind ­Unwetterschäden und der Klimawandel innerhalb einer Versicherung aber nicht nur für die Underwriter, sondern auch für die Kollegen in der Kapitalanlage. Betroffen sind auch nicht nur die Immobilien­investoren. Man erinnere sich nur, dass BASF-Chef Dr. Martin ­Brudermüller das schlechte Jahresergebnis 2018 mit dem „Rhine ­Impact“ begründete. Niedrigwasser führte im vergangenen Geschäftsjahr zu höheren Transportkosten. Wie dem zweiten Klimamonitoring-Bericht der Bundesregierung zu entnehmen ist, beeinträchtigen ­niedrige Wasserstände in Flüssen nicht nur das Ökosystem, sondern auch die Wirtschaft, weil nur noch eingeschränkt Schiffe fahren können. Zudem sei die Versorgung von Kraftwerken und Industrie mit Kühlwasser gefährdet. Laut dem Bericht hat sich auch die mittlere Lufttemperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht. Allein in den vergangenen fünf Jahren betrug der Anstieg 0,3 Grad.

Zunehmend wird der Klimawandel von institutionellen Investoren als Anlagerisiko wahrgenommen. Dies ist einer Studie von BNY Mellon Investment Management und Create-Research zu entnehmen. 93 Prozent der Befragten beurteilen den Klimawandel als ein ­Anlagerisiko, das an den wichtigen Finanzmärkten weltweit noch nicht in den ­Kursen berücksichtigt ist. 57 Prozent der Befragten sieht den Klimawandel als Risiko und Chance; 36 Prozent betrachten ihn ausschließlich als Risiko, und sieben Prozent ausschließlich als Chance. Für die Studie wurden institutionelle Anleger aus 16 ­Ländern mit Assets von insgesamt rund 12,75 Billionen Dollar befragt.

„The Inevitable Policy Response“

Äußerst relevant ist der Klimawandel für Investoren auch deshalb, weil die Politik zunehmend unter Handlungsdruck gerät – und ­Investoren in die Pflicht nimmt. Anlegern droht dadurch, dass der Klimawandel insbesondere in bestimmten Sektoren überwiegend nur noch Risiken, aber kaum mehr Chancen bereithält. PRI (Principles for Responsible Investment) hat dazu – auch zur Sensibilisierung der Investoren – ein Projekt namens „The Inevitable Policy Response“ ins Leben gerufen.

Dessen Kernthese: Bisher haben die Finanzmärkte die Folgen der zu erwartenden politischen Regulierung nicht ausreichend eingepreist. Investoren sind allein schon deshalb unvorbereitet, weil noch nicht absehbar ist, wann genau was kommt. Absehbar ist nur, dass mit ­jedem weiteren Jahr Verzögerung die Heftigkeit der politischen ­Reaktion immer größer wird. Nathan Fabian, PRIs Chief Responsible ­Investment Officer: „Was jetzt nicht zeitnah angegangen wird, erfordert umso größere Anstrengungen in der Folgezeit. Mit jedem ­versäumten Jahr steigen die Anforderungen überproportional.“ ­Mittelfristig könnte auf Investoren regulatorisch einiges zukommen. Denn: „Für 2020 sehen wir keine großen Fortschritte“, so Fabian. „Die ­Regierungen tun noch zu wenig.“ 2023 steht eine Überprüfung der klimapolitischen Fortschritte an. Fabian ist skeptisch, dass die ­bisherigen Maßnahmen ausreichen, um die selbstgesteckten Klimaziele einzuhalten. Gründe dafür seien neben dem Mangel an politischen Fortschritten das wirtschaftliche Wachstum der ­Schwellenländer und nicht ausreichende technologische Weiterentwicklungen.

Sollte die Politik nicht schneller in die Gänge kommen, könnte es beim darauffolgenden Überprüfungstermin im Jahr 2024 unangenehm werden. Zwar sei es möglich, dass die USA kurz danach dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten. Mit einem Rücktritt vom Rücktritt würde sich die gemeinschaftliche Anstrengung, den Planeten zu retten, etwas einfacher gestalten. Doch selbst dann wird es aus Sicht von Fabian zu disruptiven Veränderungen kommen.

Skeptisch scheinen auch die europäischen Asset Owner zu sein, die sich zu den PRI bekannt haben. In einer Umfrage gehen 59 Prozent davon aus, dass es zu disruptiven Entwicklungen kommen wird. 25 Prozent erwarten, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft scheitern wird. Dagegen sehen neun Prozent die Rettung in technologischen Verbesserungen und sieben Prozent – die Optimistenfraktion – erwarten einen sanften Übergang hin zu ­einer wirklich nachhaltigen Kapitalanlage.

Nachhaltigkeits-Reportings: von der Kür zur Pflicht

Viele deutsche Anleger scheinen jedoch erst einmal abzuwarten, was denn regulatorisch insbesondere bezüglich Taxonomie neu hinzukommen wird. Dass nun der Fokus auf das Jahr 2024 verschoben wird, könnte diese Anleger in ihrer Haltung bestätigen. PRI-Mann ­Fabian rät jedoch nachdrücklich dazu, nicht weiter zu warten, ­sondern jetzt Maßnahmen zu treffen. „Aktuell betreffen die regulatorischen Maßnahmen Reportings und Transparenz, wobei hier noch viel auf freiwilliger Basis erfolgen darf. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird dies eine Pflichtveranstaltung“, prognostiziert Fabian. „Künftig dürften mehr Fragen gestellt werden, zu welchen finanziellen Risiken der Klimawandel führt.“ Kapitalsammelstellen, die sich hier richtig aufstellen, seien gegenüber disruptiven Regulierungsmaßnahmen besser gerüstet. Vor diesem Hintergrund hat PRI mit ihrem ­Inevitable-­­ Policy-Response-Projekt eine Studie vorgelegt, die gezielt Auskunft gibt, welche Maßnahmen der Politik in Zukunft zu erwarten sind und welche Auswirkungen diese auf makroökonomischer Ebene und auf Ebene einzelner Wirtschaftssektoren haben wird. Nathan Fabian sagt: „Auf diesem Weg wollen wir die Investoren, die sich zu den PRI ­bekannt haben, unterstützen.“

Ökonomie wird unter Klimawandel oder Disruption leiden

Der Weg der Transition zu grünen Assets wird finanziell kein leichter sein. Öl- und Kohle-Assets haben bereits stark an Wert verloren, bei Automobilunternehmen führt die Abkehr von Verbrennungsmotoren zu sinkenden Margen und der Einkauf von Renewables wird immer teurer. Andererseits: „Das Wirtschaftswachstum wird sich nicht fortsetzen, wenn die Temperatur um zwei bis drei Grad steigt“, so Fabian. „Entweder leidet die Ökonomie unter dem Klimawandel oder unter der politischen Disruption.“

Am Ende könnten somit jene 36 Prozent der Investoren bestätigt werden, die in der Studie von BNY Mellon und Create Research für die Aussage stimmten, dass der Klimawandel ausschließlich ein Risiko darstellt. Von Vorteil wird es jedoch sein, nicht der letzte Investor zu sein, der sich aus Kohle-Assets verabschiedet, und nicht der letzte ­Investor zu sein, der sich mit dem beschränkten und teuren Renew­ables-Angebot beschäftigt. „Je schneller der Wechsel zu grünen Assets und verstärkten Engagements, desto besser“, meint PRI-Officer ­Fabian. Kurzfristig mag für die Anspruchsberechtigten eines Pen­sionsfonds der Verzicht auf hohe Dividenden beispielsweise aus dem Ölsektor wenig attraktiv sein. Langfristig dürfte der Pensionsfonds ­jedoch davon profitieren. Auf einer PRI-Veranstaltung in Frankfurt im November sagte dazu Michaela Attermeyer von der österreichischen Vorsorgeeinrichtung VBV: „Für alle Asset-Klassen werden ­Klimarisiken immer bedeutender. Wir sind überzeugt, innerhalb der nächsten fünf Jahre reagieren zu müssen. Eines Tages werden sich alle Investoren bewegen müssen – und dann wollen wir nicht die letzten sein.“ Von Kohlerisiken hat sich die VBV bereits verabschiedet.

Ähnliche Überlegungen hegen offenbar Investoren, die im Rahmen des Private-Equity-Barometers von Coller Capital befragt wurden. Demnach planen knapp 60 Prozent der Investoren aus Europa und Asien, ihre Portfolien in den nächsten fünf Jahren im Kampf gegen den Klimawandel zu verändern. Sofern Änderungen der Anlage­strategie geplant sind, wollen die Investoren vor allem ihr ­Engagement in Öl und Gas durch Investments in Renewables und in klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen ersetzen. In Nordamerika sind diese Bestrebungen geringer ausgeprägt.

Nicht zu Unrecht fürchten jedoch andere Investoren, dass es zu Überbewertungen von Assets kommt, die von der Taxonomie bevorzugt werden und sich in der Kapitalanlage somit Klumpenrisiken ­aufbauen. Für die besonders nachhaltig anlegende Nest Sammelstiftung, laut ­eigenen Angaben die erste ökologisch-ethische Pensionskasse der Schweiz, ist das Risikomanagement von besonders großer ­Bedeutung. Dies verwundert nicht, wenn man wie Nest beispielsweise das halbe Aktienuniversum ausschließt. „Wir brauchen eine Anlagestruktur mit einem ökonomisch vertretbaren Risiko-Rendite-Profil“, sagte Peter ­Signer 2017 im Interview mit portfolio institutionell. „Bezüglich ­Risikosteuerung steht bei uns eine klare Diversifikation des gesamten Portfolios im Vordergrund. Dies umso mehr, da einzelne Portfolios aufgrund der Nachhaltigkeit höhere Tracking Errors ausweisen.“

Die Auswirkungen von Einschränkungen erläutert Dr. Martin Jaron, Leiter PM Aktien & Systematische Strategien bei Ampega Asset ­Management, folgendermaßen: „Auf dem weißen Blatt Papier führt jede Form von (exogener) Restriktion zu einer ex-ante Verschlechterung der Effizienzlinie.“ Jaron betont jedoch, dass im Falle von ESG ein ­hoher Gleichlauf mit traditionellen Risikomaßen – wie beispielsweise Beta, historische Volatilität, Credit-Spread – beobachtet werden kann. „Die in unserem Hause verfolgte konservative Effizienz korreliert positiv mit ESG-Scores.“ ESG reiht sich gemäß Jaron als ein ­zusätzliches, abrundendes Maß in der Dimension „Risiko“ ein, ist aber nicht als eigenständiger Faktor im Sinne eines traditionellen ­Asset Pricing zu sehen. „ESG und Low-Vola haben sehr viel gemein. Eine ESG-Integration rundet damit unseren konservativen Selektions­prozess sehr gut ab.“ Geht die ESG-Regulierung künftig mit einer ­systematischen Verschiebung der Nachfrage nach ESG-kompatiblen versus non-kompatiblen Werten einher, sollten sich langfristig allerdings höhere Risikoprämien für Titel mit schlechten ESG-Scores ­einstellen und nicht umgekehrt. „Risikoadjustiert sind ESG-Stocks in dieser Betrachtung aber keinesfalls unterlegen“, so Jaron.

Die Bedenken der Investoren gegenüber regulatorischen Eingriffen mögen berechtigt, für die Politik jedoch nachrangig sein. Fabian geht von einer politischen Disruption aus. Getrieben werden die Politiker nämlich von Bürgern, die die Klimaerwärmung nicht akzeptieren. ­PRI-Mann Fabian verweist zur Begründung auf die diesjährige ­Climate Change Election in Kanada, die Taifun-Ängste in der japanischen Bevölkerung und darauf, dass in Großbritannien „Flooding“ nach dem Brexit das dominierende politische Thema sei. Die Gelbwesten-­Bewegung in Frankreich und die deutschen Abstands­regelungen zu Windparks zeugen jedoch von anderen ­Befindlichkeiten. Andererseits hat hierzulande auch Anfang des Jahres die Kohle­kommission den Kohleausstieg beschlossen, wenn auch erst bis ­spätestens 2038. Nathan Fabian prophezeit: „Sektor für Sektor und Staat für Staat verschärft sich die Gesetzgebung.“

Staat für Staat, Sektor für Sektor

Naheliegend ist für Investoren, ebenfalls Sektor für Sektor die ­Anlagestrategie zu überdenken. Besonders betroffen werden Agrar und Forst sein – auch seitens der Regulierung. Zu erwarten sind ­nämlich Vorgaben zur Förderung der Biodiversität. Biodiversität ­fördert, anders als schnellwachsende Monokulturen, die Qualität des Bodens, so dass dieser vor Erosionen besser geschützt ist. Außerdem wirken Wälder in warmen Regionen temperatursenkend. Größere ­institutionelle Allokationen finden sich jedoch in anderen Sektoren. Bei diesen haben, so die Befürchtung der PRI, die Finanzmärkte ­heute die wahrscheinliche und kurzfristig anstehende Reaktion der Politik auf den Klimawandel noch nicht eingepreist. Somit sind die einzelnen Sektoren neu zu bewerten.

Was auch auf der To-Do-Liste oben stehen sollte: Auf Einzeltitelebene in Form von Engagements Einfluss zu nehmen. Dies empfiehlt neben den PRI auch die Net-Zero Asset Owner Alliance, zu deren ­Gründungsmitgliedern die Allianz zählt. „Es ist eine der größten ­Herausforderungen unserer Zeit, den Klimawandel zu bekämpfen“, teilte Allianz-CEO Oliver Bäte mit. „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam handeln, um schädliche Klimagase zügig zu reduzieren. Wir Asset Owner nehmen unsere Verantwortung ernst und steuern im Dialog mit den Unternehmen, in die wir investieren, auf kohlenstoffarme Geschäftspraktiken hin.“ Bis 2050 will die ­Allianz ihre Portfolios klimaneutral stellen. „Klima- und Umweltrisiken ­mutieren über kurz oder lang zu Kapitalrisiken“, warnt Allianz-Chef Oliver Bäte andere Marktteilnehmer. „Schon ­deshalb ist die ­Finanz­industrie gut beraten, ­entscheidend zum ­Umbau zu einer emissionsarmen Weltwirtschaft beizutragen.“

Ziel der Initiative ist die Begrenzung des Anstiegs der globalen ­Temperatur auf nicht mehr als 1,5 Grad. Mit Blick auf die weiteren Mitglieder der Initiative – milliardenschwere Pensionsfonds aus den USA und Skandinavien – und vor allem auf deren Assets under ­Management, scheint offensichtlich, in welche Richtung sich Kapitalmärkte und einzelne Sektoren entwickeln werden.

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