Traditionelle Anlagen
20. September 2019

Nachhaltiges Beta

Waffenproduzenten, Tabakkonzerne, Braunkohleförderer: Immer weniger Investoren wollen diese Unternehmen in ihren Portfolios haben. Kauft er aber den Markt, hat der Investor genau diese Titel meist drin – es sei denn, er investiert in einen Index, der auf Nachhaltigkeit setzt. So ist das Segment der nachhaltigen ETFs in den vergangenen Jahren rasant gewachsen.

„Eine genügende Diversifizierung unkorrelierter Risiken kann das Portfoliorisiko gegen null reduzieren“, hat der Ökonom und Begründer­ der modernen Portfoliotheorie, Harry M. Markowitz, einmal im Interview mit dem Wall Street Journal gesagt. Die Volkswagenstiftung nimmt sich diese Markowitz-Maxime seit jeher zum Vorbild. Dieter Lehmann, Leiter der Vermögensanlage der Stiftung, setzt bei seinen Investments ganz auf Diversifikation. Dies ist auch der Grund, ­weshalb die Stiftung vor allem bei ihren Aktienanlagen, die derzeit circa 37 Prozent der 4,1 Milliarden Assets under Management (AuM) ausmachen, passiv investiert. „Vor jedem Investment führen wir ­hausintern eine klassische Korrelationsanalyse durch“, sagt Lehmann. Dabei werde in der Regel ein auf eine bestimmte geographische Region­ ausgerichteter Index, der diese nach den Vorstellungen der Stiftungsmitarbeiter gut repliziert, mit der Wertentwicklung der ­bereits vorhandenen­ Teilportfolios verglichen. „Wenn wir dann ­andere Titel kaufen würden, als die, die wir zuvor in der Indexanalyse ­untersucht haben, wäre das Risiko sehr hoch, dass die tatsächlichen Anlageergebnisse später vom Analyseergebnis abweichen. Daher ­tendieren wir zu einer passiven Anlagestrategie und halten uns an die Portfoliotheorie nach Markowitz,­ nach der die Wahrscheinlichkeit, ein positives Gesamtanlageergebnis zu erzielen, wächst, je breiter die Einzelrisiken gestreut werden“, ­erläutert Lehmann.

Vor allem bei den passiven Investments im ­Aktienbereich spielt ­Nachhaltigkeit eine zunehmende Rolle: Aktienanlagen­ im Wert von derzeit etwa 530 Millionen Euro verwaltet die Stiftung selbst und ­bildet ­damit hausintern einen Nachhaltigkeitsindex nach. Rund eine Milliarde Euro an Aktien werden zudem in mehreren Spezialfonds bei verschiedenen Asset Managern vorwiegend passiv verwaltet. Auf der Anleihenseite, die derzeit etwa 48 Prozent des verwalteten­ Vermögens ausmacht, weicht man aber vom reinen ­passiven Ansatz ab, denn häufig ließen sich die Anleihen nicht erwerben, weil sie zum Teil voll platziert oder nicht liquide genug sind. Außerdem stecken circa 14 Prozent der AuM in Immobilien. Nur gut ein Prozent hält die Stiftung an Alternatives.

Keine Rohstoffe und Agrarinvestments

Seit vergangenem Jahr messen die Mitarbeiter die Nachhaltigkeit des Aktienbestandes. Hierfür wird ein Nachhaltigkeits-Tool von Thomson Reuters genutzt, welches 400 verschiedene Nachhaltigkeitskriterien auf etwa 7.000 Unternehmen anwendet. „Für unseren gesamten ­Aktienbestand inklusive der Spezialfonds haben wir eine Werteskala selbst entwickelt, die von dunkelrot bis tiefgrün reicht“, sagt Lehmann. „Wenn sich in der ­Bewertung etwas Richtung rot verändert, können wir bei Bedarf ganz gezielt eingreifen. Im Moment bewegen wir uns mit unserem Aktienportfolio im grünen Bereich und sehen uns somit als nachhaltig­ ­investiert aufgestellt.“ Zudem schließt die Stiftung bestimmte ­Investments aus ihrem ­Universum aus, wie zum Beispiel Streubomben,­ Investments in ­Agrarrohstoffe oder klassische ­Rohstoffe­ wegen schlechter ­Arbeits- und Umweltbedingungen in der Förderung. Auch andere Einzeltitel werden aus Nachhaltigkeitsgründen zuweilen aus dem Portfolio genommen. „Diese Individualität ­lassen wir uns nicht ­nehmen“, sagt Lehmann. Auf der Anleihenseite nutzt die Stiftung bis zu 14 verschiedene Informationsquellen, von Freedom House über Reporter ohne Grenzen bis zur Zürcher Kantonalbank, um die ­Nachhaltigkeit des Rentenportfolios zu messen. ­Dabei kommen die gleichen Kriterien zum Tragen wie bei Aktien.

Bei den hausintern verwalteten Aktienanlagen findet einmal im Jahr ein Rebalancing statt. Der Clou hierbei: Die Kapitalanlage-Experten nehmen eine Gleichgewichtung der Indextitel vor. So soll ein starkes Übergewicht einzelner Titel mit einer hohen Marktkapitalisierung verhindert werden. Und auf die genauen Daten zur Marktkapitalisierung sind die Manager somit nicht angewiesen. Für die passiven ­Spezialfonds hat man sich entschieden, da diese kostengünstiger ­seien als ETFs. „Zudem können sich für einen steuerbefreiten ­Anleger daraus noch weitere Vorteile ergeben, wie etwa die mögliche Erstattung der auf Dividenden einbehaltenen Quellensteuern“, erklärt ­Lehmann. Viele ETFs mit US-Anlagen müssen auf dort ­vereinnahmte Dividenden 30 Prozent Quellensteuer bezahlen.

Sondereffekte bei der Portfolioabsicherung

Zum Thema Stewardship äußert sich Dieter Lehmann eher vorsichtig.­ „Hier handelt es sich um einen bewussten Versuch unternehmerischer Einflussnahme, der aufgrund der hier verfolgten Absicht im Grundsatz ja absolut zu begrüßen ist. Allerdings begibt man sich ­damit als gemeinnützige Stiftung in die Nähe einer sogenannten ­gewerblichen Tätigkeit.“ Daher rät Lehmann gemeinnützigen Stiftungen,­ sich im Vorfeld mit dem zuständigen Finanzamt und der Stiftungsaufsicht über das geplante Vorhaben ­abzustimmen.

Von Absicherungsstrategien hält Kapitalanlagen-Leiter Dieter ­Lehmann nicht viel: „Dabei geht es immer um aktive Entscheidungen und eine Abwendung von der Diversifikationsstrategie. Man läuft ­Gefahr, zur falschen Zeit abzusichern. Da sitzt man im gleichen Boot wie jeder aktive Manager.“ Der Leiter Kapitalanlage einer anderen Stiftung dagegen betont ein Problemfeld bei der Absicherung von Nachhaltigkeits-ETFs: „Es gibt keine nachhaltigen Sicherungsinstrumente wie zum Beispiel SRI-Future-Kontrakte auf ETFs, das führt zu zusätzlichen Effekten.“ Man würde bei einem nachhaltigen ETF-­Portfolio, das mit klassischen Futures gesichert ist, die zum Beispiel die Entwicklung des Dax abbilden, bei bestimmten Titeln, die nur im klassischen ETF ­vorhanden sind, nicht jedoch in dem nachhaltigen, besonders short oder besonders long sein.

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