Traditionelle Anlagen
20. September 2019

Nachhaltiges Beta

Waffenproduzenten, Tabakkonzerne, Braunkohleförderer: Immer weniger Investoren wollen diese Unternehmen in ihren Portfolios haben. Kauft er aber den Markt, hat der Investor genau diese Titel meist drin – es sei denn, er investiert in einen Index, der auf Nachhaltigkeit setzt. So ist das Segment der nachhaltigen ETFs in den vergangenen Jahren rasant gewachsen.

Dieselskandal als Wendepunkt

Das mag auch dem noch relativ jungen Boom an nachhaltigen ETFs geschuldet sein. „Der Markt für Nachhaltigkeits-ETF fristete lange ein Nischendasein mit marginalen Zuflüssen“, sagt Dag Rodewald, Leiter der ETF-Sparte bei der UBS in Deutschland und Österreich. Ein ­Wendepunkt sei der VW-Abgasskandal im Jahr 2015 gewesen. Seitdem ist das Volumen nachhaltiger ETFs in Europa rasant gewachsen. Heute (Stand: Ende August 2019) sind es gute zwanzig Milliarden ­Euro. „In den MSCI-SRI-Indizes war VW schon vor dem Skandal ­wegen Kritik an der Corporate Governance nicht enthalten gewesen und der Skandal hat bei vielen Investoren zu einem Umdenken ­geführt“, sagt ­Rodewald.

Der Marktführer im Bereich nachhaltige ETFs, die UBS, hat seinen ersten Nachhaltigkeits-ETF im Jahr 2011 in Zusammenarbeit mit ­MSCI aufgelegt. Dabei nutzt die Schweizer Bank bis heute die SRI-Indizes­ mit einem strengen Nachhaltigkeits-Screening. Der MSCI World zum Beispiel enthält 1651 Werte. „Davon werden im MSCI World Socially Responsible circa 25 Prozent der Unternehmen mit den höchsten ESG-Ratings herausgefiltert. Das funktioniert in einem dreistufigen Verfahren aus Ausschlüssen, Best-in-Class und einem Positiv-Screening im ­Hinblick auf Kontroversen, die die Unternehmen in Bezug auf Governance,­ Soziale- oder Umweltthemen haben. „In Stufe zwei – Best-in-Class –  ­werden für jeden Sektor materielle Risiken definiert und geschaut, welches Unternehmen diese Risiken am besten ­managt“, so Dag ­Rodewald. Übrig bleiben etwa 400 Werte. „Diese ­Diversifizierung ist immer noch ausreichend, da die Werte ­global ­verteilt sind und jeder Sektor vertreten ist.“ Ausgeschlossen würden bei den SRI-Indizes, die die UBS nutzt, Hersteller konventioneller Waffen und deren Zulieferer.­

Maximal fünf Prozent Gewicht

In den MSCI-SRI-Indizes gebe es zudem eine Gewichtungsbegrenzung von jedem im Index enthaltenen Wert von fünf Prozent. „Diese Begrenzung wurde aus Gründen der Diversifzierung eingebaut“, ­erklärt Dag Rodewald. „Sonst wäre beispielsweise die ­Taiwan ­Semiconductor im Emerging Market SRI Index mit einer ­Gewichtung von 17 Prozent vertreten.“ Eine Überprüfung der SRI-Indizes findet grundsätzlich jährlich statt. Bei zusätzlichen quartalsweisen­ Überprüfungen­ werden diejenigen Unternehmen ausgeschlossen, die den Mindestanforderungen nicht mehr entsprechen.­ Im Rahmen der Fast-Entry und Exit-Rules können ­Unternehmen unter außergewöhnlichen Umständen aber auch ­innerhalb eines Quartals ­gestrichen werden. „Wird ein Unternehmen aufgrund von Kontroversen aus dem Index ausgeschlossen, setzen wir das im ETF um, sobald sich die ­Indexzusammensetzung geändert hat“, sagt Rodewald.

2008 hat die französische BNP Paribas Asset Management, nach UBS  Asset Management und I-Shares drittgrößter Player am Markt für nachhaltige ETFs, ­bereits mit dem Thema Low Carbon angefangen. Heute umfasst der BNP Paribas Easy Low Carbon 100 Europe Ucits ETF ein Volumen von 750 Millionen Euro. Der Index, der von der ­Pariser Börse ­Euronext entwickelt wurde, schließt zunächst kontroverse­ Waffen, Tabakhersteller, Rüstungsunternehmen, ­Produzenten fossiler Brennstoffe und solche, die in Konflikt mit dem UN Global Compact stehen, aus und investiert danach in einem ­Best-in-Class-Verfahren in diese mit dem besten Klima-Scoring, ­wobei die Datengrundlage für die Messung der CO₂-Emissionen von den französischen Researchhäusern CDP und Carbone 4 stammen. ­Zusätzlich zu den derzeit 91 so ausgewählten Aktien kämen neun so genannte Green Companies, die mindestens 50 Prozent ihres Umsatzes­ mit Low-Carbon-Technologien erwirtschaften. Auch die MSCI-SRI-­Indizes bietet BNP Paribas AM für verschiedene Regionen im ETF-Mantel an. Und Claus Hecher, Leiter ETF- und ­Indexlösungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei BNP Paribas Asset Management betont: „Wir machen beim Thema Engagement keinen Unterschied zwischen aktiven und passiven Investments und ­nehmen unsere Stimmrechte alle wahr. “

Auch die Blackrock-Tochter I-Shares arbeitet bei einigen ihrer ­nachhaltigen ETFs mit MSCI zusammen. Dabei unterscheidet sie drei ­Produktreihen: Einmal die MSCI ESG Screened-Produktreihe, ­eine auf Ausschlüssen basierende Alternative zu Standardbenchmarks.­ Hier werden sieben Bereiche aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen:­ zivile Schusswaffen, kontroverse Waffen, Atomwaffen,­ ­Ölsand, thermische Kohle, Tabak und Unternehmen, die gegen die UN-Global-Compact-Prinzipien verstoßen. Die Produktreihe zu den MSCI-ESG-Enhanced-Focus-Indizes geht einen Schritt weiter und ­ermögliche es Anlegern, ESG- und CO₂-Kennzahlen zu verbessern, ohne zu weit von der Standard-Benchmark abzuweichen. Zudem ­bietet auch I-Shares die MSCI-SRI-Indizes an, diese seien­ strenger als bei der Screened- und der Enhanced-Version. „Es handelt sich hier um die umfassendste ESG-Methodologie­ mit mehreren Ausschlusskriterien und höchsten ESG-Werten“, ­erklärt Victoria Arnold, ESG-­Expertin bei I-Shares.

Wichtig bei der ETF-Auswahl ist auch die Frage, ob der ETF physisch replizierend oder synthetisch replizierend ist. Die UBS schließt für ­ihre nachhaltigen ETFs eine synthetische Replikation aus. Bei I-Shares­ seien alle ETFs mit Ausnahme von Rohstoffen, bei denen sie die ­physische Lieferung aus regulatorischen Gründen ausschlössen, ­physisch replizierend. BNP Paribas Asset Management wählt für ihre nachhaltigen ETFs die physische Replikation, die einzige Ausnahme bildet ein Schwellenländeraktien-ETF, dessen Wertentwicklung sich synthetisch effizienter darstellen ließe. Physisch replizierende ETFs sind in der Regel besser mit Nachhaltigkeit zu vereinbaren, als synthetische, findet zudem ein Stiftungsvertreter, der sich seit Jahren um ­eine nachhaltige Kapitalanlage bemüht. Grundsätzlich gelte: „Anleger ­sollten wissen, was der konkrete Inhalt des ETFs ist. Aber nicht jeder Markt lässt sich über full replication abdecken“, gibt er zu bedenken.

Das Unwissen darüber, was der ETF eigentlich im Portfolio hält, kann auch in Bezug auf die Wertpapierleihe, die viele ETFs üblicherweise praktizieren, zum Problem werden. „Im Bereich der Nachhaltigkeitspalette machen wir keine Wertpapierleihe, denn so bekämen wir ­unter Umständen Aktien als Sicherheiten gestellt, die dem SRI-Sreening nicht standhalten würden. Das kann zu Widersprüchen führen“, ­erklärt Dag Rodewald. Die BNP Paribas schließt Wertpapierleihe­geschäfte in der gesamten Produktpalette generell aus.

Institutionelle Anleger können über verschiedenste Wege passiv ­investieren, ETFs sind einer davon. Allerdings gibt es einige Fallstricke­ zu beachten. Auch Absicherungsmechanismen bergen Risiken, weil es die nötigen Angebote (noch) nicht gibt. Sicher scheint: Die ­Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wird auch bei passiven ­Strategien weiter zunehmen.

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