Recht, Steuer & IT
2. September 2019

Nachhaltigkeitsverbände wollen umfassende und klare Taxonomie

Stellungnahme zum Bericht der Technical Expert Group im Rahmen des EU-Aktionsplans zu Sustainable Finance. Offenlegungspflichten für alle Finanzprodukte gefordert.

Verschiedene Verbände haben in einer gemeinsamen Stellungnahme Position zu dem von der Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) im Juni vorgelegten Bericht an die EU-Kommission bezogen. Sie gehen dabei insbesondere auf die geplante Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten ein. „Das ambitionierte Projekt kann nur dann gelingen und eine umfassende Nachhaltigkeitswirkung entfalten, wenn das Klassifikationssystem breit, umfassend, klar und Transparenz-schaffend konzipiert und ausgestaltet wird“, forderte das Bündnis aus den Vereinen CRIC – Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage und FNG – Forum Nachhaltige Geldanlagen, dem Beraternetzwerk Oekofinanz-21 und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik, ÖGUT, in einer gemeinsamen Pressemitteilung zur Stellungnahme „Nachhaltigkeit mit Breitenwirkung umfassend vorantreiben“.

Zunächst loben die Verbände die TEG: „Die bisherigen Arbeitsergebnisse der TEG überzeugen angesichts der Detailtiefe, methodischen Darlegung und umfassenden Ausarbeitung. Ziel des EU-Aktionsplans ist es, Kapitalflüsse in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken, finanzielle Risiken zu bewältigen sowie Transparenz und Langfristigkeit zu fördern. Die Taxonomie birgt das Potenzial, hierzu und im Sinne der relevanten internationalen Rahmenwerke – der Agenda 2030, der Aktionsagenda von Addis Abeba und dem Klimaabkommen von Paris – substanzielle Beiträge zu leisten“, heißt es in der Stellungnahme. Die Taxonomie biete erstmals ein einheitliches Rahmenwerk zur Bewertung von ökonomischen Aktivitäten im Hinblick auf Umweltziele und helfe damit, eine gemeinsame Sprache für Investoren, Emittenten, die Politik und Aufsichtsbehörden zu etablieren. „Doch der Aktionsplan wie auch das Taxonomie-Konzept der EU-Kommission hatten von Beginn an auch Defizite. Die Verfasser dieser Stellungnahme initiierten und unterzeichneten daher im April 2018 einen Offenen Brief an Brüssel und Berlin und bezogen im September desselben Jahres zur Taxonomie-Verordnung Position. Die Verhandlungen zum Verordnungsvorschlag zwischen EU-Kommission, -Rat und -Parlament laufen. Ergebnisse werden zum Ende des Jahres erwartet“, heißt es weiter.

Anbieter von nachhaltigen Finanzprodukten einseitig in der Pflicht

Zu den Offenlegungspflichten äußerte sich das Bündnis wie folgt: „Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Taxonomie sieht vor, dass ausschließlich Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte als ökologisch nachhaltige Investitionen oder als Investitionen mit ähnlichen Merkmalen anbieten, Informationen zur Taxonomie offenlegen müssen. Dies sei aus drei Gründen nicht zielführend: Zum einen würden Anbieter von nachhaltigen Finanzprodukten damit einseitig in die Pflicht genommen, was wettbewerbliche Nachteile erzeugen könne. Diese Einschränkung stehe daher dem Ziel des EU-Aktionsplans entgegen, nachhaltige Investitionen zu erleichtern. Zum anderen würden Investoren dadurch entscheidende Informationen vorenthalten. Sie sollten etwa – wie vom EU-Parlament angeregt – klar und verständlich Kenntnis darüber erhalten, wenn bei einem Finanzprodukt kein Nachhaltigkeitsansatz verfolgt werde und aufgrund dessen ein erhöhtes Risiko bestehe, dass im Sinne der Taxonomie nicht-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gefördert werden. Zudem entfalle auf nachhaltige Geldanlagen nach wie vor ein kleines Marktsegment – der Anteil in Deutschland betrage 4,8 Prozent und derjenige in Österreich 12,8 Prozent. „Aber nur wenn der gesamte Markt einbezogen wird, können die für die Transformation der Wirtschaft notwendigen Hebelwirkungen erzielt werden“, heißt es. Daher fordern die Verbände: „Die Einschränkung der Pflichten zur Offenlegung auf Anbieter ökologisch nachhaltiger Finanzprodukte sollte entfallen.“ Das EU-Parlament habe in seiner Position hierzu konkrete und sinnvolle Vorschläge ausgearbeitet.

In der Taxonomie-Verordnung sind zudem soziale Mindeststandards vorgesehen, die sich an den Kernarbeitsnormen der ILO (International Labour Organisation) orientieren. Eigenständige soziale und governance-bezogene Ziele sind jedoch nicht enthalten. Dies sei aber notwendig, um einerseits eine Ausrichtung des EU-Aktionsplans und der Taxonomie an der Agenda 2030 sowie der Aktionsagenda von Addis Abeba zu ermöglichen, andererseits um umfassende Nachhaltigkeitsanalysen, die ökologische, soziale und governance-bezogene Aspekte umfassen, zu unterstützen und Wechselwirkungen zwischen sozialen und ökologischen Aspekten berücksichtigen zu können. „In die Taxonomie-Verordnung sollten soziale und governance-bezogene Ziele eigenständig und gleichwertig zu den ökologischen aufgenommen und ein Zeitplan für deren Ausarbeitung festgelegt werden“, heißt es in der Stellungnahme.

Abstufungen von grün bis braun in Taxonomie erfassen

Außerdem sprach sich das Bündnis für ein umfassenderes Klassifizierungssystem aus. „Bislang deckt die Taxonomie fast ausschließlich einen kleinen grünen Teil der gesamten Wirtschaftstätigkeiten ab. Als einen Schritt in die richtige Richtung ist zu begrüßen, dass die TEG im bereits ausgearbeiteten Teil des Klassifikationssystems Tätigkeiten berücksichtigt, die (noch) nicht nachhaltig sind, aber zur Transformation beitragen können. Allerdings fehlt ein systematischer Ansatz, der Abstufungen von Nachhaltigkeit sowie schädliche Wirtschaftstätigkeiten umfasst. Dies ist aber von entscheidender Bedeutung“, da nur eine vollständige Taxonomie Transparenz bezüglich des Grads der positiven oder negativen nachhaltigen Wirkung von Wirtschaftstätigkeiten herstellen und damit Vergleichbarkeit ermöglichen könne. „Das Ziel einer vollständigen Taxonomie, die Abstufungen von Nachhaltigkeit transparent macht und aus Nachhaltigkeitssicht schädliche Tätigkeiten benennt, sollte in die Verordnung aufgenommen werden.“ Mit Blick auf schädliche Wirtschaftstätigkeiten solle an diejenigen internationalen Konventionen angeknüpft werden, die von der EU beziehungsweise ihren Mitgliedstaaten ratifiziert wurden.

Die Taxonomie könne zudem nur dann die gewünschte Wirkung entfalten, wenn sie breit angewendet werde. „Dies bedeutet, dass der Nutzungsfreundlichkeit und leichten Anwendung eine große Bedeutung zukommt.“ Mit Blick auf kleinere Akteure müsse die Verhältnismäßigkeit im Sinne fairer Wettbewerbsbedingungen gewahrt sein, die ihrerseits Voraussetzung für ein vielfältiges Investmentangebot sei. „Es sollte eine maximal einfache, flexible und nutzungsfreundliche Anwendung der Taxonomie angestrebt werden, etwa durch einfach handhabbare Standards bei gleichzeitiger Offenheit für alternative Ansätze. Gegebenenfalls müssen für kleinere Akteure reduzierte Anforderungen an die Berichterstattung gelten, um Wettbewerbsnachteile zu verhindern.“

Um den notwendigen ökonomischen Umbauprozess in Richtung Nachhaltigkeit voranzutreiben, komme es zudem nicht nur auf die Finanzwirtschaft an. Politische Maßnahmen mit Blick auf die Realwirtschaft, etwa fiskalischer oder steuerlicher Natur, könnten auch durch einen ideal verwirklichten EU-Aktionsplan nicht ersetzt werden. Über ein nachhaltiges Finanzwesen könne nicht alles gelöst, entscheidende Weichenstellungen jedoch aktiv unterstützt werden. Die Stellungnahme wird von weiteren Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen unterstützt. Sie ist außerdem den deutschen und österreichischen Bundesministerien für Umwelt und Finanzen sowie der EU-Kommission wie auch dem EU-Parlament übermittelt worden.

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