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14. März 2016

Neues vom Bembelboy: Kollege Computer

Führungskräfte wird es immer geben, Spezialisten werden aber durch Computer ersetzt oder fristen ein Dasein als Operatoren. Startschuss für diese Entwicklung war die Niederlage von Schachweltmeister Garri Kasparow gegen IBMs „Deep Blue“.

„Bembelboy“ ist ehemaliger Sales-Trader einer großen Bank. Für portfolio institutionell blickt er als Undercover-Agent und Kommentator hinter die Kulissen. 
Im „Spiegel“ habe ich einen Bericht über künstliche Intelligenz beim Schach gelesen. Dabei begann die rasante Entwicklung zunächst mit einem Betrug. Eine „Schachtürke“ genannte Puppe konnte im 18. Jahrhundert Schachspieler aus Fleisch und Blut besiegen. Nur war der Schachtürke keine autonome Maschine, sondern in der scheinbar bahnbrechenden Apparatur steckte ein Mann. Bemerkenswert für mich war in diesem Artikel zu erfahren, dass der damalige Schachweltmeister Garri Kasparow gegen den von IBM entwickelten Schachcomputer „Deep Blue“ erstmals 1996 eine Partie verlor und im Jahr darauf sogar einen Wettkampf über sechs Partien. Damit war Deep Blue der erste Computer, der einen amtierenden Weltmeister unter Wettkampfbedingungen besiegt hatte. 
Für die Arbeitswelt war der Sieg von Deep Blue eine Art Initialzündung. Damit war der Beweis erbracht, dass mittels Computerprogrammen auch menschliches, anspruchsvolles Fachwissen ersetzt werden kann. Schon Ende der 90er Jahre war meiner Ansicht nach damals bereits klar, wohin zumindest für die Finanzbranche die Reise gehen wird. Zumal diese Entlastungen des Menschen zu seiner Entlassung führen werden – allein schon deshalb, um wettbewerbsfähig zu bleiben. 
Entlastungen und Entlassungen
Natürlich ist es schön, dass wir von vielen Dingen des Alltags entlastet werden. Leider findet diese Entlastung auch im Berufsleben statt. Dann gibt es nur noch Führungskräfte, Spezialisten werden immer weniger gebraucht. Und wenn das „Management“ Spezialisten braucht, kauft sie diese temporär ein. Das ist kurzfristig zwar teuer, langfristig aber wesentlich risikoärmer. Denn man bindet sich keine Spezialisten mit Spitzengehältern als Festangestellte ans Bein. Das duale System im Arbeitsleben – Führungskarriere versus Spezialisten – hat ausgedient. Denn die Apps der Computer ersetzen das Know-how der Spezialisten. Da „Führung“ noch nicht über Computer digitalisiert wurde, und dies meiner Ansicht nach vom Management aus Gründen des Selbstschutzes nicht in Auftrag gegeben werden kann/darf – wer sägt schon an seinem eigenen Ast –, kann nur noch dieser berufliche Entwicklungsweg im Angestelltendasein übrig bleiben. 
Dann haben wir nur noch Chefs und „Operatoren“, die Daten eingeben. Das notwendige Fachwissen erhalten sie von der App. Dann stimmt dank des Computers alles und das Management hat kaum Beratungsrisiko. Außerdem „rechtfertigt“ das sogar im Auge der Elite, warum nun Spitzenmanager etwa das 300-fache Jahresgehalt eines Facharbeiters erhalten. Vor 30 Jahren war es noch der Faktor 30! Spezialisten im Angestelltenverhältnis kann ich mir nur noch in wenigen Rubriken dauerhaft vorstellen: Juristen, Physiker für die Modelle, ein paar IT-Fachkräfte, Chefsekretärinnen, Fahrer. Und je nach Branche gibt es dann noch ein paar handverlesene Spezialisten, wie zum Beispiel Ingenieure und Chemiker für Forschung & Entwicklung. Alle anderen Fachkräfte müssen sich zunehmend selbstständig machen, wollen sie als Spezialisten weiterarbeiten. Deshalb habe ich mir von meinem Bereichsvorstand anhören dürfen, dass er nicht meine zahlreichen Kompetenzen braucht, sondern nur noch meine Kontakte und deren Qualität. 
Diese „Insel“ gibt es wohl noch – die des Netzwerkens und der Kontakte. Sie wird es zum Glück auch weiterhin geben, aber der „Wasserpegel“ steigt trotzdem ein wenig. Compliance sei Dank, sind die Kontakte nicht mehr so stark personenbezogen, sondern vielmehr adressbezogen! Wenn Sie als Finanzdienstleister einen „Spitzenbanker“ von Goldman holen, wird der in der Regel woanders kaum Erfolg haben! Wer kann schon eine solche Plattform wie Goldman bieten? Außerdem handelt der Kunde in Wirklichkeit nun mal mit Goldman und nicht mit dem Sales X. Nur noch ganz wenige Sales verfügen über solche Kontakte, dass sie gute Kunden bei einem Wechsel des Arbeitgebers mitnehmen können – und diese Kunden dem neuen Arbeitgeber noch nicht bekannt sind. 
Wenn wir also letztlich nur noch Führungskräfte haben, die über die verbliebenen Operatoren herrschen und sich von ein paar ausgesuchten Spezialisten beraten lassen, stellt sich mir folgende Frage: Wer kauft dann die Produkte? Denn es wird noch mehr Menschen geben, die nicht mal einen der Operatoren-Plätze erhalten können. Der Mensch wird dann zur Belastung für die „Gesellschaft der Eliten“. Denn die Eliten brauchen immer weniger Handlanger. Der Mensch ist aber auch ein soziales Wesen und ich will mir einfach nicht vorstellen, dass diese mögliche Entwicklung nicht von der herrschenden Klasse gesehen wird. Denn der Computer ist nicht der bessere Mensch, dafür aber fügsam, anspruchslos und wird nicht krank. Leider vertraut der Mensch dem Computer mehr als sich selbst. Denn wie wir immer wieder vor Augen geführt bekommen, können Computer von Menschen manipuliert werden. Denn sonst könnten wir darauf vertrauen, dass Computer uns auch führen könnten – oder tun wir das etwa schon?  
portfolio institutionell newsflash 14.03.2016
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