Versicherungen
21. Oktober 2015

5. Teil: Was wird aus der Lebensversicherung, Herr Florian, Herr Berndt?

Die Versicherer stehen vor fundamentalen Herausforderungen: von neuen Geschäftsmodellen in der Lebensversicherung über neue Vertriebsmodelle bis hin zur weiteren Regulierung der Branche. portfolio sprach mit Frank-Henning Florian, Vorstandsvorsitzender der R+V Lebensversicherung, und Ralf Berndt, Vorstand bei der Stuttgarter Lebensversicherung.

Niedrigzinsen spalten die Branche bei der Produktentwicklung, insbesondere bei Garantien. Welche LV-Produkte haben aus Ihrer Sicht Zukunft und welche nicht? Könnten Sie dies kurz begründen?
Florian: Klassische Lebens- und Rentenversicherungen bilden mit ihren Vorteilen wie Planbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit auch weiterhin den Kern jeder privaten Vorsorge. Sie garantieren als einzige Produkte am Markt lebenslange Zahlungen – ganz egal wie alt der Kunde wird. Wer auf eine Mischung aus Garantie und Chance setzen will, greift aktuell aber auch verstärkt zu indexbasierten Produkten wie unserer „Privatrente Index Invest“. Auch das fondsgebundene Geschäft hat in der R+V-Gruppe spürbar angezogen – nicht zuletzt dank unseres Konzepts „Regelbasierte Anlagestrategie“.
Berndt: Im Bereich der Altersvorsorge werden Produkte mit einer hundertprozentigen Bruttobeitragsgarantie eine zentrale Rolle spielen. Dazu werden wir im Markt unterschiedliche Konzepte sehen. Die Stuttgarter setzt in dieser Frage weiterhin auf ihr effizientes Sicherungsvermögen und ihre starke Finanzkraft. So gestalten wir die Garantie für unsere Kunden sicher, effektiv und kostengünstig. Um zusätzliches Renditepotenzial zu nutzen, können unsere Versicherten auch Fonds- oder Indexkomponenten einsetzen. Wie sich die rein klassischen Produkte in Zukunft behaupten werden, wird insbesondere davon abhängen, wie sich der Kapitalmarkt weiter entwickelt. Marktgerechte Zinsen wären natürlich wünschenswert. Heute ist die klassische Rentenversicherung eines finanzstarken Versicherers nach wie vor attraktiv.
Solvency II kommt zum 1. Januar 2016 mit Übergangsszenarien. Was erwarten Sie als erste Auswirkung im kommenden Jahr? Und wäre die Übertragung des Kapitalanlagerisikos auf den Kunden nicht strategisch zu kurz gesprungen, da es Verbraucher weg von den Lebensversicherern und hin direkt zu Fondsanbietern treiben könnte?
Florian: R+V ist für die Einführung von Solvency II gut gerüstet. Gleichwohl teilen wir die Meinung der Aufsichtsbehörde Bafin, dass das Niedrigzinsumfeld in den kommenden Jahren eine große Herausforderung darstellt. Wir sehen bereits jetzt erste Auswirkungen am Markt, da sich einige Anbieter produktseitig neu aufstellen. Am ehesten erwarten wir anfangs eine größere Transparenz über die Risiko- und Kapitalausstattung der Unternehmen. Wir bieten eine breite Produktpalette für verschiedene Kundengruppen und Lebenssituationen an: klassische und neue Produkte mit Garantie, fondsbasierte und andere Produkte mit chancenorientierter Teilhabe am Aktienmarkt, ein breites Produktspektrum in der betrieblichen Altersversorgung und natürlich Produkte zur Absicherung aller biometrischer Risiken. Wir werden auch weiterhin klassische Zinsgarantien anbieten. Zudem gibt es bei fondsgebundenen Produkten eine enge Zusammenarbeit mit unserem Schwesterunternehmen, der Fonds­gesellschaft Union Investment.
Berndt: Wir erwarten für 2016, dass sich die Produktwelt im Markt verändern wird. Der Ansparprozess wird sich von dem der klassischen Lebens- oder Rentenversicherung wegbewegen, hin zu flexibleren Garantiemodellen. Treibende Kraft dabei ist nicht nur Solvency II, sondern vielmehr die lang anhaltende Niedrigzinsphase. Die flexiblen Garantiemodelle werden das bisherige klassische Modell mit Elementen kombinieren, bei denen der Kunde das Kapitalanlagerisiko selbst trägt. Das Niveau der Kapitalgarantien verschiebt sich auf Garantien zum Rentenbeginn, sogenannte endfällige Garantien. Dies führt insgesamt dazu, dass der Kunde mehr Chancen auf höhere endfällige Leistungen bekommt als bei den bisherigen klassischen Produkten. Allerdings muss er dafür in Kauf nehmen, dass die Schwankungsbreite der möglichen Leistungen zunimmt. Was unverändert bleibt, ist die Kernleistung der Lebensversicherer: die lebenslange Rente. Bank­ähnliche Produkte können dies nicht.
Welche  Zukunft hat bei Ihnen der Maklervertrieb, wie sorgen Sie bei Umsetzung des Lebensversicherungs-Reformgesetzes (LVRG) für faire Vergütung, die den Makler nachhaltig überleben lässt?
Florian: Maklervertrieb und Bankenvertrieb haben in den vergangenen Jahren jeweils ein erfolgreiches Wachstum absolviert. Mit unserer Tochter Condor Lebensversicherung besitzen wir eine starke Marke im Maklermarkt. Die Courtageregelungen haben wir an die Erfordernisse aus dem LVRG und an das Niedrigzinsumfeld angepasst – in der Regel durch stärkere Verteilung der Zahlungen über die Vertragslaufzeit. Mit einer kompletten Produktpalette auch in anderen Sparten und unserer breiten bAV-Kompetenz helfen wir den Maklern, ihren Kunden hochwertiges Geschäft zu vermitteln und dafür auch eine angemessene und faire Vergütung zu erhalten.
Berndt: Wir setzen auch in Zukunft auf den unabhängigen Vertrieb. Nur dieser bietet Kunden hochwertige und faire Beratung. Wir haben das LVRG hinsichtlich der Vergütung mit Augenmaß umgesetzt. Wichtig war uns ein angemessener Interessenausgleich zwischen Vermittler und Kunden. Der Fokus liegt auf der Betreuungsleistung des Vermittlers über die Laufzeit: Wir haben die laufende Vergütung als Ausgleich für die niedrigere Abschlussvergütung spürbar angehoben. Dies führt zu einer deutlichen Aufwertung der Bestandsbetreuung. 
Die Gespräche führte Detlef Pohl.
portfolio institutionell newsflash 21.10.2015/Detlef Pohl

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