Pension Management
10. März 2016

Affe gegen Bär

Wie wird denn nun im Solvency-II-Zeitalter tatsächlich investiert? Pünktlich zum Start des neuen Aufsichtsregimes stellten die ­Gothaer, der Volkswohlbund und der BVV auf der Asset-Management-Kon­ferenz von Berenberg ihre Anlagestrategien vor.

Das Jahr 2016 gilt bei den Chinesen als Jahr des Affen, bei ­deutschen Kapitalanlegern als Jahr des Bären – zumindest Stand ­Mitte Januar auf der Berenberg-Asset-Management-Konferenz, wo ­neben der Diskussion von Zinsen, China und sonstigen Risiken auch alte Indianerweisheiten bemüht wurden. „Wenn etwas aussieht wie ein Bär, brummt wie ein Bär und tapst wie ein Bär, dann ist es ­wo­möglich ein Bär“, analysierte Frank Egermann, Leiter Portfolio ­Management beim BVV Versicherungsverein, den Aktienmarkt (bei einem Dax-Stand von etwa 9.600 Punkten). „Vielleicht haben wir ­bislang zwei Drittel des Bären gesehen.“ Pünktlich zum Solvency-II-Start sind also nicht nur die Zinsen auf niedrigstem Niveau, sondern ist auch noch der Bär los.

Als Crash-Prophet möchte Egermann aber nicht in die 2016er-Annalen eingehen: „Die konjunkturelle Lage ­sollte Schlimmeres ver­hindern.“ Die bisherige Entwicklung der Aktienmärkte dürfte ­Egermann auch einigermaßen gelassen sehen. Die ­Aktienquote der Berliner Pensionskasse liegt zwar unter Einbezug von Wandel­anleihen bei zehn Prozent, ungesichert jedoch bei nahe null Prozent. Auch Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management, mag den zuvor auf der Konferenz von Berenbergs Chefvolkswirt Dr. Holger Schmieding präsentierten Optimismus nicht teilen: „Wir sind in einem Bärenmarkt. Aber langsam werden die Bewertungen ­attraktiv.“ In der Sachversicherung fährt die ­Gothaer eine ­ungesicherte Quote für Public und Private Equity von über fünf Prozent, in der ­Lebensversicherung von etwa drei Prozent. Schmieding verortete ­übrigens in seinem Vortrag die Risiken mehr im politischen als im wirtschaftlichen Umfeld. „Unser Wohlstand beruht auf der euro­päischen Integration. Der Populismus von links und rechts ist jedoch ­gegen ein vereinigtes Europa“, so Schmieding, der zum Vergleich das Agieren von amerikanischen Populisten gegen Washington heranzog. Die Eurokrise sei jedoch vorbei.

Relativ hohe Aktienquoten für das Solvency-II-Zeitalter – nämlich acht Prozent für die Sachversicherung und fünf für die Lebensver­sicherung – hält der Volkswohlbund. Vorstand Axel-Rainer Hoffmann, der dritte Investor auf der Podiumsdiskussion, verwies dabei auf eine Solvency-II-Sonderregelung, nach der bei einem längerfristigen Aktien­engagement weniger Solvency-Kapital benötigt wird. Trotzdem müsse man aber Renditen liegen lassen, „weil Solvency II limitiert“. Was Solvency II jedoch nicht limitiert, ist der Arbeitsaufwand. ­Arbeitsintensiv ist insbesondere die Dokumentation. Die Kapital­anlage ist dagegen fast schon nachgelagert. Christof Kessler: „Die Neben­bedingungen von Solvency II stehen derzeit im Vordergrund. Ziel muss sein, dass die Priorität wieder auf den eigentlichen Kapitalanlage­themen liegt.“ Zum Beispiel auf dem Zinsänderungs­risiko. Da die Durationserhöhung auf der Aktivseite nicht reicht, um die Lücke zur Passivseite zu schließen, betreibt die Gothaer ein Laufzeiten-­Matching. Auch der Volkswohlbund bemüht sich, die ­Durationslücke zu schließen. Dabei offenbaren sich in zwei Punkten die Besonderheiten von Solvency II. „Mit einer steigenden Duration steigt auch das aktive Risiko.­ Das Unternehmensrisiko sinkt jedoch“, so Hoffmann. Außerdem werde durch die Matching-Bemühungen das Bewusstsein dafür geschult, welche Gelder – nämlich die von Lebensversicherungs­kunden – man investiert.

Bei diesen Herausforderungen überrascht nicht, dass Egermann mit den beiden Versicherungskollegen „nicht tauschen“ will. Die ­Duration der Passivseite stellt aber auch für eine Pensionskasse eine große Herausforderung dar. Schließlich liege diese bei über 20 Jahren. Außerdem, so Egermann, ist der Rechnungszins deutlich höher.

Abseits der Matching-Anstrengungen offenbart die von Corinna Wohlfeil moderierte Diskussion, dass sich die drei Investoren auf der Asset-Seite spezialisieren. Dieser Effekt ist von Solvency II gewünscht. Ob das Aufsichtsregime für unterschiedliche Allokationen auch ­ursächlich ist, soll aber dahingestellt sein. Zumindest scheint das Aufsichtsregime aber nicht wie befürchtet zu einheitlichen Allokationen und damit Systemrisiken zu führen. So investiert der Volkswohlbund beispielsweise überdurchschnittlich in Aktien. Dabei hält die ­Ver­sicherung laut eigenen Angaben Dividendenpapiere auch im ­Direktbestand und bietet seit dem vergangenen Jahr ein Altersversorgungsprodukt an, das die Chance auf eine Partizipation an steigenden Aktienindizes mit sinnvollen Garantien und Absicherungen verbindet. Höhere Aktienquoten scheinen für Hoffmann grundsätzlich wünschenswert, sind aber aufsichtsrechtlich schwierig. Hoffmann ­argumentierte mit Puffer, dem Anlagehorizont der Kunden und dem positiven Effekt auf die Finanzierung von Industrieunternehmen mit Eigenkapital. Aber: „Die Lobby-Arbeit für Aktien ist gescheitert.“ ­Neben Aktien stehen auf dem Einkaufszettel von Hoffmann auch ­Private Placements, um Liquiditätsprämien abzugreifen.

Eine Spezialität der Gothaer sind Erneuerbare Energien, wofür man die Sachversicherung zu Rate ziehen kann, und Immobilien. Die Quoten liegen bei immerhin 3,5 beziehungsweise zehn Prozent. Zum Infrastrukturportfolio zählt nun auch ein Wasserkraftwerk in der ­Türkei. Ein Investment in Finnland steht in Kürze an. Weiter tragen zur Streuung – mit geringeren Solvenzkapital-Kosten als Aktien – ­Municipals, Emerging Market Debt und dänische Pfandbriefe bei. „Wald“ wurde geprüft, wegen der geringen Rendite und Diversifika­tion bei hohen Solvenzkapital-Anforderungen aber nicht umgesetzt.
Der BVV setzt sehr breit auf die Illiquiditätsprämien des Privatmarkts. Auf der Fremdkapitalschiene vergibt der BVV mit Partnern Kredite. Mit Eigenkapital engagiert sich die Pensionskasse mit dem mit 25 Milliarden Euro größten Altersvorsorgevermögen Deutschlands bei Private Equity, Infrastruktur und Real Estate. In letzterer Asset-­Klasse ist der BVV auch in Australien und Asien investiert. ­„Unser Anlagebedarf liegt bei ein bis zwei Milliarden Euro im Jahr. Darum benötigen wir einen globalen Anlagehorizont“, so Egermann. „Global gibt es immer wieder Opportunitäten – und diese wollen wir nutzen können.“ „Klassiker“ wie Pfandbriefe und Staatsanleihen ­machen mittlerweile nur noch die Hälfte der Gesamtallokation aus. Unternehmensanleihen kommen dafür auf 20 Prozent. Antizyklisch könnten künftig auch wieder Rohstoffe ins Portfolio kommen, wobei zur Vereinfachung der Umsetzung auch indirekte Investments über bestimmte Emerging Markets denkbar seien.

Mit dem globalen Horizont und den allgemein überschaubaren Renditeerwartungen gewinnt Währungsmanagement an Bedeutung. Egermann: „Währungsmanagement ist bei uns in fast allen Asset-Klassen ein aktiver Part. Wir beschäftigen für Währungs-Overlays drei Asset Manager, die von uns nach Asset-Klassen abgestufte Vorgaben bekommen.“ Beim Volkswohlbund hat man den Dollar bislang offen gelassen. Angestrebt wird nun aber ein dynamisches Währungs­management.

Mangels Risikoprämie sind FX-Risiken für Cashflow-Investoren eigentlich uninteressant. Dies erwähnte Jasper Düx, Leiter Overlay Management bei Berenberg, in einem Vortrag. Die schlechte Performance mit Local Bonds der Schwellenländer 2015 und die oft ­fehlende Diversifikation der Währungskomponente führen jedoch zusammen mit dem Renditehunger zur Notwendigkeit, sich dieses Jahr stärker mit Währungsrisiken zu beschäftigen. In China gelten Menschen, die im Jahr des Affen geboren sind, als intelligent, schlau und flexibel. Dies gilt hoffentlich auch für in diesem Jahr geborene Strategien. Was zuversichtlich stimmt: Affen sind intelligenter als Bären!

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 02/2016

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