11. Oktober 2013

AIFMD, InvG, KAGB, KVG, Ogaw, Ucits, AIF und Bafin

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Investmentgesetz-Vorhang zu und alle AIFMD-Fragen offen“, so vermutlich Bertolt Brecht zum Geschehen seit dem 22. Juli. Offen sind neben der Umsetzung die Auswirkungen auf Dienstleister sowie Rendite beziehungsweise die Frage, wer am Ende die Buchstabensuppe auslöffeln muss.

Der Atem der Geschichte wehte am 22. Juli durch die Portfolios. An jenem Tag ist nämlich das Gesetz zur Umsetzung der ­EU-Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Manager – AIFM) in Kraft getreten. Mit dem AIFM-Umsetzungsgesetz wurde das Investmentgesetz aufgehoben und durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) ersetzt. „Damit ­stehen nun erstmals die Regeln für offene und geschlossene Fonds und deren Verwalter in einem gemeinsamen Gesetz. Das ist sinnvoll“, lässt sich BVI-Chef Holger Richter zitieren. Die USA ist bei dieser ­Gesetzgebung zur Regulierung alternativer Fondsmanager zwar ­außen vor, deren Spiritus­ Rector sitzt (wortwörtlich) aber ebendort: Bernie Madoff! Hierzulande fiel größtenteils erst relativ spät auf, dass die Negativ-­Definition von alternativen Fonds – alles was kein Ucits-Fonds ist – auch den deutschen Spezialfonds einschloss. Dessen ­Abschaffung konnte jedoch verhindert werden.

Dafür ist jetzt Vokabellernen angesagt. Der deutsche Spezialfonds heißt nun offener inländischer Spezial-AIF mit festen Anlage­bedingungen und aus der KAG wird die KVG – sobald die Bafin ihre Lizenzierung abgeschlossen hat. Bei dieser handelt es sich um einen bürokratischen Kraftakt. „Bereits zugelassene Produkte brauchen eine neue Zulassung, bereits zugelassene Fondsgesellschaften brauchen eine neue Zulassung, bereits vertriebene Produkte brauchen eine neue Vertriebsanzeige und so weiter“, erklärt Richter. Der BVI, dessen Mitglieder fast alle die Zulassung zur Kapitalverwaltungsgesellschaft beantragen, schätzt, dass seine Mitglieder in den kommenden zwölf Monaten den Aufsichtsbehörden über eine Million Seiten Papier übermitteln müssen. Die Hansainvest, auch ein KVG-Lizenz-­Antragssteller, berechnet einen Wert von 900.000 Seiten, den die gesamte Branche bei der Bafin zur Prüfung zusammenträgt. „Von uns gab es neun ­dicke Leitz-Ordner“, erklärt Geschäftsführer Dirk Zabel. „Glücklicherweise muss man nur noch in einfacher Ausfertigung abgeben. Früher ­wurde eine dreifache Ausfertigung verlangt.“ Nachgereicht werden von der Hansainvest noch etwa fünf Ordner mit den Verkaufsprospekten der AIF, sobald Muster-Verkaufsprospekte vorliegen.

Zu diesen Volumina kommt erschwerend hinzu, dass zwar nicht „alle“, aber durchaus „einige“ AIFM-Fragen, vor allem bei geschlossenen AIF, noch offen sind. „Eine große Baustelle beim Lizenzantrag sind die Vergütungen für Schlüsselpersonen“, berichtet Gert Waltenbauer von der KGAL. Mindestens 50 Prozent der variablen Vergütung müssen gemäß der AIFMD aus Fondsanteilen bestehen. „Darauf ­achtet die Bafin genau.“ Hinzu kommt, dass die Vergütung über einen längeren Zeitraum zurückgestellt werden kann (40 Prozent über drei bis fünf Jahre). Laut der Kanzlei Norton Rose Fulbright führt die ­Ausgestaltung der variablen Vergütung zu komplexen arbeitsvertrag­lichen Regelungen. Zudem verursache die praktische Handhabung ­einen gewaltigen Verwaltungsaufwand. „Die Umsetzung dieser Regelungen zur variablen Vergütung fällt insbesondere bei illiquiden ­Assets schwer“, bemerkt Waltenbauer, der weitere Baustellen bei der neu eingeführten Leverage-Grenze zum Beispiel im Falle von Nach­finanzierungen und bei der Auslegung der Drei-Objekt-Vorschrift sieht. Prinzipiell gilt nämlich nach Paragraf 226 KAGB-Entwurf auch für ­geschlossene Publikums-AIF der Grundsatz der Risikomischung. ­Diese liegt vor, wenn in mindestens drei Sachwerte im Sinne des Paragrafen 225 Absatz 1 Nummer 1 KAGB-Entwurf investiert wird und ­jeder einzelne Sachwert vom Wert her in Bezug auf den Wert des ­gesamten AIF im Wesentlichen gleichmäßig verteilt ist. Liegt also ­eine ausreichende Risikodiversifikation bei einem Windpark mit drei Masten vor? Oder bei einer Wohnimmobilie mit zwei Garagen? In der Innenstadt könnten zwei Garagen einen besonders großen Wert ­darstellen. Zur Klärung dieser und weiterer Fragen harrt man nun auf entsprechende Anwendungsschreiben. Zeitraubend bei der Umsetzung des KAGB ist auch, dass die bisher formelle Prospektprüfung zu einer inhaltlichen Schlüssigkeitsprüfung erweitert wird. „Die Bafin muss nun auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines Fonds ­prüfen“, so KGAL-Mann Gert Waltenbauer. 

Vor allem zeitraubend ist natürlich auch das Fehlen des AIFM-Steueranpassungsgesetzes. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss scheiterten. Dabei wies nicht nur der Bundesverband Alter­native Investments (BAI) alle Beteiligten wiederholt darauf hin, dass ein Scheitern der Verhandlungen zu großer Rechts- und Planungsun­sicherheit führen wird, die äußerst nachteilig für den Fondsstandort Deutschland und deutsche Anleger ist. Für die mit Inkrafttreten des KAGB am 22. Juli 2013 eingeführten Alternativen Investmentfonds (AIF) fehlen nunmehr die Besteuerungsgrundlagen und ohne AIFM-Steueranpassungsgesetz unterliegen sie der normalen Körperschafts- und Gewerbesteuer. „Das Scheitern des Gesetzgebungsvorhabens wird dazu beitragen, dass in Deutschland im Gegensatz zu euro­päischen Nachbarländern zum einen keine oder nur wenige echte alter­native Investmentfonds aufgelegt werden, zum anderen deutsche Fondsanleger nur vereinzelt in entsprechende Fonds investieren werden“, so BAI-Geschäftsführer Frank Dornseifer. Zudem bestehe die Gefahr, dass Investoren von solchen Anlagen zunächst ganz absehen, weil die Besteuerung dieser Fonds und deren Anleger unklar sind.

Die Sorgen des BAI sind nicht unbegründet: Die französische Boutique Seven Capital Management, die auf liquide Wertpapiere ­basierende Strategien anbietet, bekam nach eigenen Angaben bereits am 2. August als eine der ersten Verwaltungsgesellschaften in Frankreich von der französischen Aufsichtsbehörde AMF die AIFM-Zulassung. Johan Schwimann von Seven Capital Management sieht in der Zulassung einen Meilenstein: „Diese Zulassung ist im Übrigen auch für unsere künftige Entwicklung von strategischer Bedeutung, da die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin in Zukunft voraussichtlich für alle AIF, die bei deutschen Anlegern vertrieben werden, eine solche Zulassung verlangen wird.“

Ein Trost für die verzögerte Abfertigung bei der Einführung der AIFMD: Die Verzögerung dürfte nur vorübergehend sein. „Nach ­dieser Einführungsphase dürfte die Bafin wieder wie früher vier bis sechs Wochen für eine Prüfung benötigen“, sagt Gert Waltenbauer. „Aktuell dauert es eben etwas länger.“ Auch Michael Sanders von ­Alceda gibt sich hoffnungsfroh: „Wir stehen mit der Bafin im ständigen Austausch und spüren, dass es vorangeht.“ Alceda möchte in Deutschland geschlossene Fonds unter anderem in Form von Investment-KGs auflegen und kann dabei Erfahrungen im Zulassungs­prozedere mit Ucits-Fonds sowie Strukturierungslösungen für Alternative Investments in Luxemburg vorweisen. Etwas entspannter mit der länger dauernden Zulassung können diejenigen Gesellschaften umgehen, die noch vor dem 22. Juli „Vorratsfonds“ nach altem Recht aufgelegt haben. Dazu soll es in zahlreichen Fällen gekommen sein. „Uns ging es dabei darum, handlungsfähig zu bleiben, da nach dem 22. Juli eine Unsicherheitsphase absehbar gewesen ist“, so Dr. Jörg Stotz, Geschäftsführer bei der Hansainvest.   

Hoffnung für künftig kürzere Prozesse resultiert auch aus der ­gegenseitigen „Befruchtung“ von AIFMD und Ucits-Welt. „Einige ­Lücken beziehungsweise Unklarheiten in der Leverage-Berechnung bei Ucits-Fonds sind in der AIFMD besser geregelt“, erklärt Oliver Stör von Princeton Financial Systems, einem Spezialisten für Investment-IT-Lösungen. Mit der AIFMD unterliegen die bisher national regulierten,­ nicht Ucits-konformen Fondsprodukte erstmals einer einheitlichen europäischen Regelung. „Im Gegenzug werden einige Themen der AIFMD, wie zum Beispiel Vergütung (Remuneration) oder Verwahrstellen (Depositary), in künftige Ucits-Regulierungen einfließen“, so Stör. Zunächst gilt jedoch: Zeit ist bekanntlich Geld, und dies gilt auch für den gestiegenen Aufwand. Dieser entfällt insbesondere auf die bei der Administration von geschlossenen Fonds neu hinzu­kommenden Depotbanken. Der Verwahrer muss nun bei Beteiligungen nicht nur Verträge verwahren, sondern auch vor Ort die Existenz eines Windparks überprüfen oder Windgutachten für die Performance-Erwartung analysieren. Depotbanken sehen sich zudem neuen Haftungsfragen für die korrekte Performance-Berechnung und die Unterverwahrung durch beauftragte Sub-Custodians gegenüber und müssen diese auch mit Eigenkapital bedecken. Vieles muss sich bei den neuen Aufgaben noch einspielen. „Einmal jährlich werden die Vermögensgegenstände des Fonds und der Nettoinventarwert (NAV) von einem Bewerter berechnet. Die Verwahrstelle kontrolliert diese ­insoweit, als die Berechnungen mit dem KAGB, den Anlagebedingungen und dem Gesellschaftsvertrag des AIF übereinstimmen müssen“, beschreibt Dr. Holger Sepp von Caceis das Aufgabenfeld.

Absehbar ist auch, dass sich Administratoren wegen der großen Unterschiede von zum Beispiel Timber, Hydropower oder Buyouts auf verschiedene ­Assets spezialisieren. Allgemein bestehen für Depot­banken durch die neuen regulatorischen Änderungen auch Wachstumschancen. Laut Sepp können die Verwahrstellen von einem künftigen jährlichen ­Geschäftspotenzial von etwa sieben bis zehn Milliarden Euro aus­gehen. Mit der Verwahrung des ersten Spezial-AIF ist Caceis bereits live gegangen. Profitieren wollen aber auch KAGen, wie zum Beispiel die PEH Wertpapier AG. Laut PEH eröffnen die verschärften regulatorischen Anforderungen, etwa die AIFM-Richtlinie, zusammen mit den Verbriefungsmöglichkeiten innerhalb der Gruppe weiteres Wachstumspotenzial. Die PEH-Geschäftsleitung rechnet laut Pressemitteilung in diesem Segment mit einem weiter positiven Verlauf bei Neuauflagen und der Übernahme von Verwaltungsaufgaben.

Neben den Kosten für die Depotbanken fallen weitere Ausgaben für zusätzliches Personal und neue Reporting-Anforderungen an. Beim externen Personal wird zum Beispiel auch der Wirtschaftsprüfer teurer. „Vor Madoff und der Finanzkrise hat der Wirtschaftsprüfer im Jahr zwischen 7.000 bis 8.000 Euro verlangt“, berichtet Sanders von Alceda. „Seitdem kniet sich der Wirtschaftsprüfer viel stärker in die Strukturen rein, geht zum Beispiel der Frage nach, wo Zahlungen herkommen. Dadurch haben sich die jährlichen Kosten auf etwa 15.000 Euro verdoppelt.“

Gert Waltenbauer schätzt die Zusatzkosten aus dem KAGB in der Regel auf etwa zehn Basispunkte. Allerdings könne diese Höhe individuell, je nachdem wie die künftigen KVG-Häuser die Regeln umsetzen, sehr unterschiedlich ausfallen. Zehn Basispunkte wären ein überschaubarer Betrag, der aber etwa fünfmal so hoch ist wie das Entgelt für eine Master-KAG für liquide Wertpapiere. Darüber, wer nun für die KAGB-Zusatzkosten aufkommt, sind sich Anbieter und Investoren – allerdings aus jeweils subjektiver Sicht – einig: „Wir nicht.“ Bei dieser Frage gibt es also noch Diskussionsbedarf. Renditebelastend kann sich auch die Dauer von Genehmigungsverfahren auswirken. Nämlich dann, wenn Opportunitäten nicht genutzt werden können, weil Investmentideen aufgrund der gestiegenen Formalien nicht schnell genug umgesetzt werden können. Wenn sich aber einmal Strukturen gebildet haben, dürfte dieses Problem gelöst sein. Während also Kosten und eventuell die Genehmigungszeiträume die Rendite­ belasten, könnte diese andererseits auch von den KAGB profitieren. Bei zugegenermaßen optimistischer Betrachtung könnten bessere­ Incentives bei der variablen Vergütung oder zusätzliche Reportings­ als Basis für bessere Analysen auch die Rendite heben.

Möglicherweise höhere Renditeaussichten können künftig auch sogenannten semi-professionellen Anlegern, wie Stiftungen, winken. Wie Rechtsanwalt Dr. Jürgen Müller, Partner bei RP Asset Finance Treuhand, erklärt, führt das KAGB diese Anlegertypologie ein, womit sich das Anlageuniversum für Stiftungen erweitert. „Dadurch können Stiftungen gemeinsam mit institutionellen Anlegern in Spezial­investmentvermögen investieren und dadurch von einer gegenüber Publikumsinvestmentvermögen deutlich geringeren Kostenquote profitieren“, so Müller, der hinzufügt, dass es derzeit noch offen ist, wie in der Praxis eine belastbare Prüfung und Bewertung der für die Qualifikation eines semi-professionellen Anlegers erforderlichen Kriterien­ aussehen werden.

Wenn man das magische Investmentdreieck heranzieht, werden sich anders als bei der Rendite bei der „Liquidität“ durch das KAGB keine Änderungen ergeben. Offen sind aber die Auswirkungen beim dritten Punkt: der Sicherheit. Dies bezweifelte aber zum Beispiel Hubertus­ Leonhardt vom Venture-Capital-Fonds SHS in der diesjährigen­ März-Ausgabe. „70 Prozent der Anforderungen erfüllen wir bereits heute. Außerdem sitzen wir nicht auf den Antillen, sondern seit 20 Jahren in Tübingen“, so Leonhardt, der in den AIFM-Richtlinien für Investoren zudem weniger einen Mehrwert als Mehrkosten sieht. Auch die Investorenseite gibt sich gegenüber dem Mehrwert der KAGB zurückhaltend. „Die Grundgedanken der AIFM-Richtlinie zum Beispiel ­hinsichtlich Transparenzerhöhung und einheitlicher regulatorischer Rahmenbedingungen in Europa sind gut – und auch machbar. Aber diese Umsetzung wird Investoren letztlich auch einiges an Gebühren kosten. Grundsätzlich sind wir darauf gut vorbereitet“, so Andreas Binder von der Wave AG ebenfalls in der März-Ausgabe.­ Er verweist unter anderem auf seine Sicav mit Depotbank in Luxemburg. Die Wave ist Konzern-Asset-Manager der VHV-Gruppe.

Dass die AIFM-Richtlinie Betrugsrisiken verhindert, darf mit Blick auf Madoff auch deshalb bezweifelt werden, weil unter den Leid­tragenden auch viele regulierte Investmentfonds waren. Laut Wikipedia-­Quellen mussten insgesamt 16 von der Luxemburger Aufsicht CSSF regulierte Fonds wegen ihres Madoff-Engagement die Anteils­rücknahme aussetzen. Außerdem habe im Großherzogtum die UBS Luxemburg schon 2005 von der doppelten Rolle Madoffs als Fondsverwalter und Fondsunterdepositär gewusst, was eigentlich in Luxemburg wegen des Interessenkonflikts verboten gewesen wäre. In Deutschland mussten Dachfonds renommierter Administratoren den Wert ihrer Madoff-Fonds auf zehn Cent abschreiben. Durch die ­AIFMD wird sich das Betrugsrisiko auch nicht reduzieren. Bei liquiden­ Wertpapieren, in die Madoff angeblich investierte, bestand nämlich auch zuvor schon das Vier-Augen-Prinzip.

portfolio institutionell, Ausgabe 9/2013

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