Strategien
16. September 2016

Allianz-Chef: Ohne Regulierung geht es nicht

Für Investoren, die Klimarisiken managen, sind klare und konsistente Signale seitens der Regulierung unabdingbar. Das betrifft insbesondere den Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Einen Einblick in seine Sicht zum Thema „Divestment“ gab Oliver Bäte auf einer Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen.

An der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hat Oliver Bäte derzeit nicht viel Spaß. Daran ließ der Vorstandschef der Allianz SE in seinem Vortrag auf dem Finanzwende Forum 2016 Mitte September keinen Zweifel. Doch darum sollte es an diesem Tag auch gar nicht gehen. Im Fokus der Veranstaltung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Grünen im Europaparlament stand vielmehr die Suche nach Mitteln und Wegen, das Finanzsystem mit dem in Paris vereinbarten Klimaerwärmungsziel von maximal zwei Grad in Einklang zu bringen. Und wer hätte bei diesem Thema ein passenderer Gastredner sein können als der Chef der Allianz, die als einer der größten institutionellen Investoren in Europa im November vergangenen Jahres – noch vor dem Pariser Klimaabkommen – den Ausstieg aus Investments in Unternehmen bekanntgab, deren Umsatz zu mehr als 30 Prozent an der Kohleproduktion hängt.

Mit Blick auf Paris erinnerte Bäte in seinem Vortrag daran, dass es das erste Mal gewesen sei, „dass Unternehmen der Politik voraus waren. Große institutionelle Investoren warnten, dass dies die letzte Chance ist, um Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel zu erzielen.“ Deutschland sprach er eine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel zu. Dass die Zeit drängt, daran ließ Bäte kein Zweifel. Er verwies auf das zweite Quartal dieses Jahres, das er als eines der „furchtbarsten Quartale in Bezug auf Naturkatastrophen“ bezeichnete. „Unsere Industriekunden haben erkannt, dass der Klimawandel das größte, langfristige Risiko ist. Die Unternehmen sind sich dessen bewusst und ignorieren das Thema nicht mehr. Das muss auch die Politik verstehen: Die Unternehmen sperren sich nicht mehr dagegen“, so der Allianz-Chef. Die Allianz sei bereit dafür, die Transformation der Wirtschaft voranzubringen.

Dabei geht es dem Münchner Versicherungskonzern nicht nur um den Ausstieg aus der Kohle, sondern auch um Unterstützung für die Industrie. „Wir helfen Unternehmen, wie deutschen Energieriesen, wenn sie sich dazu entschieden haben, ihre Geschäftsmodelle umzustellen und nachhaltiger zu werden“, erklärte Bäte. Für institutionelle Investoren sei dabei allerdings wichtig, dass sie seitens der Regulierung Klarheit und konsistente Signale bekommen. „Was nicht hilft, sind wenig Vertrauen und minütliche Änderungen. Bevor man die eine Finanzregulierung implementiert hat, kommt schon die nächste“, kritisierte Bäte. Er wolle damit nicht weniger Regulierung erreichen. Darum gehe es ihm nicht. „Es braucht mehr Regulierung, aber nicht aus taktischer und kurzfristiger Sicht, sondern in einem strategischen Dialog“, führte der Allianz-Chef aus.

Echter Fortschritt lässt sich Bätes Ansicht nach letztlich nur auf EU-Ebene erreichen. Zur Veranschaulichung zog er das Beispiel Frankreich heran. Dort stammen gut 90 Prozent der erzeugten Energie aus Atomkraft. Und daran solle sich auch nichts ändern. Zur Begründung verweisen sie auf den Klimawandel. Auch China habe sich zwar klar zum Ausstieg aus Kohle bekannt, werde die eigene Energiewende jedoch nicht über Wind-, sondern Atomenergie voranbringen. „Wir dürfen diese Themen nicht zu sehr fundamental betrachten, sondern überlegen, welche Prioritäten wir setzen. Ich weiß, dass ist für uns – insbesondere in Deutschland – schwer. Aber man muss mit der Realität umgehen“, so Bäte. In diesem Zusammenhang kam er auch auf Infrastrukturinvestments zu sprechen: „Institutionelle Investoren liegen 52 Prozent hinter ihren gesteckten Investmentzielen in puncto Renewables zurück. Der Finanzsektor, nicht nur die Allianz, würde allzu gern, noch viel mehr in Erneuerbare Energien investieren. Ich selbst suche jeden Tag mit meinem Team nach Opportunitäten. Es fehlt nicht das Interesse oder Geld. Das ist nicht der Punkt.“ Der Punkt sei vielmehr, dass es an kohärenten und konsistenten Informationen aus der Politik fehlt. Zu viel Konfusion schrecke Investoren ab. „Das ist ein simples Physikgesetz: Wenn man ein Objekt bewegen will, braucht man Kraft und Richtung. Wir haben die Kraft, brauchen aber die Richtung“, so Bäte, der mit seinem Konzern derzeit rund drei Milliarden Euro direkt in Infrastruktur investiert hat. Der Schlüssel für die Festlegung der Richtung sei die Datenverfügbarkeit, die jedoch noch immer unzureichend ist.
Warum sich die Allianz intensiv mit Klimarisiken auseinandersetzt und sich für den Kohleausstieg entschieden hat, geschah keineswegs aus Altruismus. „Die Gründe für den Kohleausstieg sind nicht nur ökologischer, sondern auch ökonomischer Natur“, so Bäte. Dass sie dieses Vorhaben ausschließlich in ihren Versicherungs-Assets von rund 700 Milliarden Euro umsetzt und nicht auch im Asset-Management-Geschäft, stoße bei Nichtregierungsorganisationen immer wieder auf Kritik. Bäte erinnerte jedoch daran, dass diese Gelder von Drittkunden stammten, die selbst entscheiden müssten, wie ihr Geld investiert werde. Ein großes Problem für Investoren, die fossile Energieträger und die damit hantierenden Unternehmen aus ihren Kapitalanlagen verbannen möchten, seien außerdem indexbezogene Investments. Hier kaufe man die großen Energiekonglomerate immer als Teil des Index ins Portfolio hinein.
Abschließend machte der Allianz-Chef nochmals eindringlich das Spannungsfeld deutlich, in dem sich der Versicherungskonzern bewegt. Einerseits wird versucht, die klimabezogenen Risiken zu managen. Anderseits sei man seinen Kunden gegenüber verpflichtet, die Rendite zu optimieren. Was gut für die Gesellschaft und Deutschland sei, müsse nicht automatisch gut für die Kunden sein. „Wir sind bereit, mehr zu machen. Wir denken, dass der Finanzsektor mehr leisten kann. Wir schieben die Verantwortung nicht weiter“, so Bäte. Doch dafür brauche es von der Politik und der Regulierung entsprechende Unterstützung. „Als Leader kann man einiges erreichen, aber ohne Regulierung geht es nicht“, merkte er an.

Freiwillig, aber schnell

Nicht nur die Allianz meldete sich auf der Konferenz der Grünen zu Wort. Auch Christian Thimann, Head of Strategy, Sustainability & Public Affairs bei Axa und stellvertretender Vorsitzender der Task Force on climate-related Financial Disclosure (TCFD) vom Financial Stability Board (FSB), trat als Referent auf. Er berichtete über die Arbeit der Taskforce, die im Dezember 2015 eingerichtet wurde und sich aus 31 Vertretern aus dem Privatsektor, darunter Versicherungen, Banken und Industrieunternehmen, zusammensetzt. Ziel sei, ein freiwilliges, globales Berichtswesen für Unternehmen zu entwickeln, das Investoren über die Klimastrategie der Unternehmen informiert. „Es sollen nicht nur ESG-Faktoren abgefragt werden, sondern es soll auch nach der künftigen Strategie gefragt werden.“  Haben die Unternehmen einen Plan für die Zukunft, der im Einklang mit dem Klimaabkommen steht? Mit diesen Informationen sollen Investoren letztlich „besser informierte Entscheidungen“ treffen können, erläuterte Thimann. Bis Ende 2016 will die Arbeitsgruppe ihren Bericht vorlegen.

Für den Moderator der Veranstaltung, Reinhard Bütikofer von den Grünen, stellte sich im Zusammenhang mit dem geplanten Reporting-Standard des FSB die Frage, ob die freiwillige Basis wirklich zielführend sein könne. Diese Bedenken teilte Thimann, er zeigte sich dennoch überzeugt von diesem Weg der Freiwilligkeit. „Es muss schnell gehen“, so der Axa-Mann. Außerdem gab er zu bedenken: „Solvency II hat zwölf Jahre gebraucht, Basel III immerhin sieben Jahre. Wir wollen bis Jahresende fertig sein, das sind dann zwölf Monate.“ Es gehe um einen Core-Finanzreport, der informierte Entscheidungen für institutionelle Investoren ermöglichen soll. Und es gehe „nicht um weniger Regulierung, es geht um bessere Regulierung“, so Thimann.
Mehr zu diesem Thema können Sie in dem ausführlichen Artikel„Die grüne Industrierevolution“ lesen.  
portfolio institutionell newsflash 16.09.2016/Kerstin Bendix

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