Pensionskassen
12. September 2016

Alter ist einfach

Aba-Tagung in Mannheim bringt Pensionskassen zusammen. Neues Rentenkonzept im Blickfeld.

Es ist einer jener Termine, bei dem man als leitender Mitarbeiter einer Pensionskasse nicht fehlen darf: Am vergangenen Donnerstag veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) ihr jährliches Stelldichein der Fachvereinigung Pensionskassen. Der Veranstaltungssaal im Dorint-Kongresshotel im Herzen Mannheims war (sicher ungewollt) kontrovers gewählt. Denn gleich gegenüber residiert eine Sparkassen. Und Sparkassen führen derzeit eine Marketingkampagne durch mit dem Slogan: „Alter ist einfach“ (Wenn man sich mit der passenden Vorsorgestrategie auf die Zukunft freuen kann.) Nebenan im Dorint-Kongresshotel verfestigte sich indessen ein ganz anderer Eindruck: Alter ist schwierig, insbesondere, wenn man es mit der betrieblichen Altersvorsorge in Zeiten niedrigster Zinsen zu tun hat. Das wurde bereits bei der Begrüßungsrede von Joachim Schwind deutlich. 
Schwind ist Leiter der Aba-Fachvereinigung Pensionskassen. Zudem ist er Vorsitzender des Vorstands der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe. In seinem Vortrag führte Joachim Schwind zunächst aus, dass immer mehr Pensionskassen dazu übergehen, in alternative Anlageklassen zu investieren. Das Problem, oder besser: Die Schwierigkeit besteht nun einerseits darin, die mit den neuen Investments einhergehenden Risiken im Risikomanagement abzubilden. Hier müssten sich die Pensionskassen für die neuen Anlagen gut rüsten. Eine weitere Schwierigkeit besteht andererseits auch darin, dass sich Pensionskassen zinsbedingt und auch aufgrund der demografischen Entwicklung immer häufiger die Frage stellen müssen, ob die Vorgaben auf der Passivseite noch angemessen sind: Schwind wies in seiner Rede darauf hin, dass die laufende Prüfung der Angemessenheit der Rechnungsgrundlagen an Bedeutung gewinnt. Falls nicht, müsse die Passivseite möglicherweise „saniert“ werden. 
Daneben schnitt Schwind weitere Baustellen an, in dem er folgende Fragen in den Raum stellte: Sollen Versorgungszusagen umgestellt werden, weil es die Zinssituation nun einmal so erfordert? Müssen gegebenenfalls die Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersversorgung angehoben werden? Sind Zusatzdotierungen der Arbeitgeber zu entrichten? Und wie ist das mit der Überschussbeteiligung? Alles wie gehabt? Oder muss hier gekürzt werden? Und nicht zu vergessen: Sind die Pensionskassen zum Abgleich der Kapitalanlage- und der Verpflichtungsseite noch im Stande oder tendieren beide Seiten auseinander, so dass es brenzlig wird? Und da sage noch einer „Alter ist einfach“.Presseberichte der vergangenen neun Monate (drastische Rentenkürzungen in der Schweiz, Kürzungen beim sogenannten Future Service beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes) signalisieren etwas anderes.  Rentendebatte nimmt Fahrt auf
Nach der Begrüßung durch Joachim Schwind trat Peter Görgen, Leiter des Referates „Zusätzliche Altersversorgung“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, im Vorfeld der Aba-Konferenz redaktionsintern als wichtigster Referent taxiert, ans Mikrofon. Görgen sollte in seinem Vortrag über „aktuelle Vorhaben in der Alterssicherung“ sprechen, darunter die Fortschritte beim geplanten Betriebsrentenstärkungsgesetz. Mit dem hochkomplexen Vorhaben will die Bundesregierung eine bezahlbare Förderung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) für Gering- und Niedrigverdiener geben; Hintergrund ist die „unterdurchschnittliche“ bAV-Verbreitung bei Geringverdienern und in kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Das müsse besser werden, so Görgen zu Beginn seiner Rede. 
Der Status quo sieht nach früheren Angaben so aus: Es ist angedacht, über ein einfaches, arbeitnehmerverständliches Verfahren, einen bestimmten Teil des Arbeitgeberbeitrages in die bAV zu übernehmen. Dann der Paukenschlag: Es gebe eigentlich noch nichts Neues zu berichten, so Görgen; noch nicht einmal einen ersten Entwurf des Gesetzes. Stille im Saal! Konsterniert war daraufhin der Blick vieler Konferenzteilnehmer, deren Hunger nach „neuen Informationen“ nicht gestillt zu werden drohte. Doch Referatsleiter Görgen kriegte die Kurve und hielt einen informativen Vortrag: Er ging kurzerhand auf die laufenden Verhandlungen ein, skizzierte die Eckpunkte des „Dialogs Alterssicherung“ mit dem Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) auf die nächste Rentenreform hinarbeitet. Außerdem wies Peter Görgen darauf hin, dass es weiterhin intensive Gespräche gibt zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften, dem Finanzmister und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 
Görgen kam mit Blick auf die vielen Beteiligten auch auf deren Interessen zu sprechen, die bei Änderungen der betrieblichen Altersversorgung angehört werden: Es gehe um das Zusammenspiel von Arbeitsrecht, Steuerrecht, Kapitalanlage und einer möglichen Zielrente, wie sie mit dem Stichwort „Defined Ambition“ im Raum steht. Hier heißt es umdenken: Ein möglicher „Defined-Ambition-Plan“, wie er auf Regierungsseite und auch bei Beratungsgesellschaften wie Aon Hewitt debattiert wird, könnte gänzlich ohne Rentengarantien auskommen, ohne Arbeitgeberhaftung und ohne versprochene Mindestleistung; das hieße aber auch, dass die Arbeitnehmer im Kollektiv das Kapitalanlagerisiko allein tragen müssten. Das wiederum könne dazu führen, so Görgen, dass es „volatilere Renten“ geben könne in der Zukunft. Hier müsse die Kommunikation mit der Arbeitnehmerseite und insbesondere den Gewerkschaften sehr behutsam erfolgen. Denkbar sei, um die Ängste der Arbeitnehmer abzumildern, dass eine Art staatlich organisierte Sicherungslinie installiert wird, eine Art Sicherungspuffer, der im Falle großer Verluste in der Kapitalanlage eingreift. Denkbar sei auch eine Art „Bundeshaftung“, mit der neue Rentenverträge einhergehen. „Die Debatte hat zuletzt an Dynamik zugelegt“, so der Ministeriumsvertreter. Ziel sei es letztlich, die bAV weiter zu verbreiten und bei den Menschen Anreize im Rahmen der Freiwilligkeit zu setzen. Eine allgemeine Pflicht zur bAV wird es demnach wohl nicht geben. 
Dem Thema „Defined Ambition“ als Rentenkonzept ohne Garantien widmete sich auch der Vortrag von Dr. Rafael Krönung (Aon Hewitt, München). Er stellte die Frage in den Raum, ob „weniger Garantien in der betrieblichen Altersversorgung für mehr Leistungen“ denkbar sind. Dazu skizzierte er zunächst, welche Auswirkungen der gesunkene Garantie- oder Höchstrechnungszins in der bAV schon heute hat: Ein 30-Jähriger, der ab 2017 bis zum 65. Lebensjahr einen Rentenvertrag bespart, müsse mit massiven Abstrichen bei der Altersleistung (ohne Berücksichtigung möglicher Überschüsse) rechnen – im Vergleich zu einem ebenfalls 30-Jährigen, der seit 2003 für die Rente spart. Der Grund liegt auf der Hand: Galt 2003 ein „Garantiezins“ von damals noch 3,25 Prozent, liegt der Rechnungszins ab 1. Januar 2017 bei 0,90 Prozent. Wen wundert es, dass „für garantierte Leistungen heute erheblich höhere Deckungsrückstellungen“ erforderlich sind, wie Krönung ausführte. Anders ausgedrückt: Für dieselbe garantierte Rentenleistung sind heute erheblich höhere Beiträge anzusetzen. Daraus schließt der Aon-Hewitt-Experte: „Um dem Arbeitnehmer attraktive Beiträge anzubieten, muss man als Arbeitgeber umdenken.“ Damit ist die Idee der „Zielrente“ geboren; sie stammt aus einem Gutachten des Bundessozialministeriums für das Sozialpartnermodell Betriebsrente.
Doch das Konzept ist brisant: Aufgrund von Kapitalmarktrisiken kann es bei der Zielrente „im Extremfall“ zu Rentenkürzungen kommen. Vorteile der Zielrente sind Dr. Krönung zufolge „realistische“ langfristige Annahmen zum Rechnungszins und zur Biometrie, statt sehr vorsichtige Annahmen zum Rechnungszins und zur Sterblichkeit, wie es bei Garantieprodukten der Fall ist. 
Sie sehen schon, die Marketingspezialisten der Sparkasse haben Recht, wenn Sie behaupten „Alter ist einfach“. Wenn man sich mit der passenden Vorsorgestrategie auf die Zukunft freuen kann. 
portfolio institutionell newsflash 09.09.2016/Tobias Bürger 
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