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3. November 2015

Altersvorsorge: Komödie oder Tragödie?

Für eine nachhaltige und stabile Alterssicherung ist die betriebliche Altersvorsorge unverzichtbar. 14 Jahre nach der Rentenreform in der Bundesrepublik Deutschland kommt nun auch der jüngste der ­angebotenen Durchführungswege, der Pensionsfonds, so langsam auf Touren. Im globalen Maßstab haben Pension Funds bereits ­gigantische Ausmaße erreicht.

„Komödie oder Tragödie? bAV mit Happy End!“ So lautete das Motto der diesjährigen und inzwischen neunten bAV-Jahreskonferenz des Beratungsunternehmens Towers Watson am 15. Oktober in Frankfurt am Main. Zu schade, dass die Veranstaltung kurz nach dem ­Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe von portfolio institutionell stattfand und daher nicht berücksichtigt werden konnte. So lässt sich nur mutmaßen, wie sich die Akteure mit der betrieblichen ­Altersvorsorge (bAV) und der Verwaltung der damit einhergehenden Kapitalanlagen auseinandergesetzt haben. Fest steht: Die Wahl des Mottos ist mutig und richtig, wenn man sich die nicht enden ­wollende Debatte um die Ausgestaltung der Altersvorsorge vor Augen führt.

Erst kürzlich wurde in der Rentendebatte ein neues Kapitel aufgeschlagen: So will die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit der Euro­päischen Versicherungsaufsicht (Eiopa) die private Altersvorsorge­ verbessern. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) tüftelt die EU-Kommission an einer sogenannten Pan-European Personal Pension, kurz Pepp. Hinter diesem Akronym könnte in Zukunft ein privates Altersvorsorgeprodukt für ganz Europa stecken. Es soll bestehende nationale Rentenlösungen ausdrücklich nicht ersetzen. Dafür könnte es einen Mangel beseitigen: Laut GDV gibt es heute im Baltikum, in Rumänien oder Kroatien praktisch keine private Vorsorge. Eine „Europa-Rente“ soll es idealerweise auch einfacher machen, bei einem Umzug innerhalb der EU eine geförderte­ Vorsorge fortzuführen, so die Vorstellung der Eiopa und der EU-­Kommission.

Dessen ungeachtet zeigen Untersuchungen, dass es in der Bundesrepublik gerade um die betriebliche Altersvorsorge nicht ganz so schlecht bestellt ist, wie manche Branchenvertreter meinen. Denn laut der von TNS Infratest Sozialforschung im Jahr 2014 durchgeführten Trägerbefragung hat die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung seit der Rentenreform 2001 deutlich zugenommen. Beispielsweise ist die Zahl der aktiven Anwartschaften von zunächst 14,6 Millionen (2001) auf 20,09 Millionen im Jahr 2013 angesprungen. Das Plus von strammen 37,6 Prozent sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass manche Begünstigte Anwartschaften in mehreren Durchführungswegen aufbauen, während andere dagegen keine Anwartschaften besitzen. Hier gilt es anzusetzen.

Happy End für Pensionsfonds?
Den kräftigsten Anstieg der bAV-Anwartschaften verzeichneten seit der Rentenreform 2001 die Pensionskassen. Während zu Beginn des neuen Jahrtausends rund 1,4 Millionen Begünstigte bei den ­Pensionskassen der Privatwirtschaft eine aktive Anwartschaft hatten, stieg diese Zahl bis Dezember 2013 um 245 Prozent auf knapp 4,8 Millionen. Aber auch in den anderen vier Durchführungswegen ist ein Anstieg zu beobachten. Der erst 2002 geschaffene Weg des Pensions­fonds entwickelt sich ebenfalls positiv. Mit derzeit rund 0,45 Millionen Anwärtern liegt er allerdings immer noch deutlich hinter der Zahl der Anwartschaften in den traditionellen bAV-Durch­führungswegen.

Anders als in der Bundesrepublik spielen die als „Pension Funds“ zusammengefassten Pensionseinrichtungen im ­globalen Maßstab ­eine herausragende Rolle. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC, die in Zusammenarbeit mit der Luxemburg Fund Industry (Alfi) entstanden ist. Der im September­ publizierte Bericht analysiert die Entwicklung der globalen ­Pensionsfonds-Landschaft. Darüber hinaus hinterfragt er, wie die ­Einrichtungen mit dem ihnen anvertrauten Geld umgehen.

Eine erste wichtige Erkenntnis: Pensionsfonds mit Sitz in ­Nordamerika rangieren auf globaler Ebene gemessen an den Kapitalanlagen weiterhin auf dem ersten Platz. Sie verwalten heute ein ­sagenhaftes Vermögen von 27,21 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: 2008 waren es immerhin 15,8 Billionen US-Dollar. Nicht minder interessant ist, dass südamerikanische Pensionsfonds seit 2008 im globalen Ranking am kräftigsten ­gewachsen sind: Innerhalb von nur sechs Jahren steigerten sie ihre ­Assets von 184 auf 528 Milliarden US-Dollar – aufs Jahr hochgerechnet ist das eine durchschnittliche Wachstumsrate von 19,2 Prozent.

Doch wie legen die Pensionseinrichtungen das Geld an? Im Durchschnitt über alle Einrichtungen hinweg lässt sich die Frage so beantworten: 44 Prozent der Kapitalanlagen bestehen aus Aktien, während festverzinsliche Wertpapiere 28 Prozent der Allokation ­repräsentieren. Stolze 26 Prozent der Gelder werden unter dem Oberbegriff „Alternatives“ subsumiert. Rund zwei Prozent der Mittel ­waren 2014 in Geldmarktprodukten angelegt. Wie die Untersuchung belegt, unterscheidet sich die Struktur der Kapitalanlagen von Region zu ­Region teils erheblich. Das zeigt sich beispielsweise anhand der ­Aktienquote. Diese Kennziffer liegt in Nordamerika im Durchschnitt über die Pensionseinrichtungen hinweg bei 48 Prozent. Im asiatisch-pazifischen Raum bestehen im Schnitt 40 Prozent der Kapitalanlagen aus Aktien, in ­Europa sind es zum Zeitpunkt der Erhebung 37 Prozent. In Südamerika liegt die ­Aktienquote der Pensionsfonds bei 34 Prozent. Wenig überraschend bei dem Medienrummel der vergangenen Jahre: Die Pensionseinrichtungen haben ihre Investitionen in ­alternative Asset-Klassen signifikant ausgeweitet. Waren 2008 rund 4,4 Billionen ­US-Dollar in diesem weit gefächerten Bereich investiert, kletterte der Wert bis 2014 auf 9,7 Billionen US-Dollar.

Die Studienergebnisse kommentiert Denise Vose, Chef des ­Branchenverbands Alfi, so: „Während die Babyboomer-Generation ihr ­Renteneintrittsalter erreicht und die Lebenserwartung immer weiter ansteigt, werden auch die Schulden des öffentlichen Sektors ­wachsen.“ Gleichzeitig besteht der Bedarf für höhere private Ersparnisse, um daraus­ im Rentenalter Einkünfte zu generieren, sagt Vose und wirft ein Schlaglicht auf weitere wichtige Erkenntnisse der Studie: Investitionen im Ausland. Nordamerikanische Kapitalsammelstellen finden offenbar immer mehr Gefallen, jenseits der eigenen Grenzen zu ­investieren. Möglicherweise ist diese Entwicklung auch dem Druck geschuldet, die Assets weiter zu diversifizieren. Zuletzt waren 21 ­Prozent der nordamerikanischen Pensionsersparnisse jenseits der Heimat angelegt. 2008 lag die Quote noch bei 16 Prozent. In Europa, wo man bereits einen deutlich größeren Anteil der Kapitalanlagen jenseits der Landesgrenzen vorfindet, werden inzwischen 34 Prozent der Mittel außer Landes angelegt. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als 2008. Die Niederländer, bekannt für ihren gigantischen Sparstrumpf – das Pensionsvermögen in Relation zur Wirtschaftsleistung beträgt rekordhohe 170 Prozent – bei überschaubarer Landfläche, ­machen aus der Not eine Tugend: Sie investieren heute satte 76 Prozent des Altersvorsorgevermögens im Ausland. Beim Gang in die Fremde verfolgen die Pensionseinrichtungen die verschiedensten Strategien. ­Ein profaner Ansatz besteht zunächst einmal darin, in Fonds zu ­investieren. Vorreiter bauen dagegen eigene Asset-Management-Teams im Ausland in ­Eigenregie auf. Diesen Weg hat beispielsweise 2011 Norges Bank ­Investment Management eingeschlagen. Der ­Manager des mit derzeit rund 884 Milliarden US-Dollar hantierenden Pension Fund Global for Norway installierte in Luxemburg einen Ableger, um von dort aus die direkten und in­direkten Investitionen in Immobilien auf dem euro­päischen Kontinent zu überwachen.

Nur auf den ersten Blick: Tragödie für Deutschland
Zum Abschluss noch eine Statistik, die man kennen sollte: Die Kapital­anlagen der weltweit 300 größten Pensionseinrichtungen sind im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent auf den Rekordwert von rund 15,4 Billionen US-Dollar gestiegen. Dies ergab eine neue Studie der Berater von Towers Watson und des Finanz- und Wirtschaftsmagazins „Pensions & Investments“ (P&I). Während der vergangenen zehn ­Jahre hat sich das von den 300 Top-Adressen verwaltete Vermögen von zunächst 8,4 Billionen­ US-Dollar fast verdoppelt.

Das P&I/Towers-Watson-Global-300-Ranking wird angeführt von Government Pension Investment (Japan) mit Assets im Wert von 1,14 Billionen US-Dollar. Auf den Plätzen folgen der Government Pension Fund (Norwegen), National Pension (Südkorea), Federal Retirement Thrift (USA) und ABP (Niederlande). Die führenden deutschen ­Pensionseinrichtungen büßten in der Neuauflage des Wettstreits in diesem Jahr wechselkursbedingt etliche Positionen ein.

Angeführt wird die Gruppe der schlagkräftigsten deutschen ­Pensionseinrichtungen einmal mehr von der Bayerischen Ver­sorgungskammer auf Platz 36 mit Assets von umgerechnet rund 75 Milliarden US-Dollar. Dahinter folgen der BVV ­Ver­sicherungsverein des Bankgewerbes, mit 30,4 Milliarden US-­Dollar unter seinen ­Fittichen sowie die Versorgungsanstalt des ­Bundes und der Länder mit einem Anlagevermögen von umgerechnet 25,0 Milliarden US-Dollar. Auf den weiteren Plätzen anzutreffen sind die Pensions­töpfe der Dax-Konzerne BASF, Daimler und Siemens, ­gefolgt von der ­Allianz, der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, der Nordrheinischen Ärzteversorgung und schließlich dem Versorger RWE. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, 2013 noch auf Rang 297, fiel zuletzt aus dem Top-300-Ranking ebenso ­heraus wie die Deutsche Bank. Auch das ist keine Tragödie, solange die ­Einrichtungen nicht müde werden, für die Kapitalanlage ihr ­Bestes zu tun.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2015

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