Pension Management
13. Februar 2015

Am Bedarf vorbei

Je höher die Anforderungen, desto mehr Ressourcen: Dieses Kalkül ging für die niederländischen Fiduciary Manager nicht auf. Die Dienstleister produzierten am Bedarf vorbei und die Finanzkrise und Demografie taten ein Übriges. Statt auf Expansionskurs müssen sich APG & Co. auf Konsolidierungskurs begeben.

Vergangenen Herbst hatten die Leser von „IPE“ ein Déjà-vu-Erlebnis. Im Oktober textete man die Überschrift „Dutch asset manager PGGM to cut 200 jobs in major reorganisation“ und im November „Dutch asset manager MN to reorganise, shed 200 jobs“. Für alle Freunde von Zahlenmystik: Der Dutch Asset Manager APG will laut IPE über vier Jahre 800 Arbeitsplätze abbauen, also jedes Jahr – ebenfalls – 200 Jobs streichen. Wenn man bedenkt, dass es sich bei allen drei holländischen Dienstleistern nicht um normale Asset Manager, sondern vielmehr um für Pensionsfonds tätige fiduziarische Manager beziehungsweise Pension Provider handelt, die sich nicht nur um Asset Management, sondern auch um Administration, ALM und die Kommunikation mit den Anspruchsberechtigten kümmern, muss diese negative Geschäftsentwicklung verwundern. Schließlich sollte man meinen, dass ressourcenstarke, spezialisierte Dienstleister in ­einer immer komplexer werdenden Investmentwelt ihr Auskommen finden sollten. Laut ihren Annual Reports 2013 managen bei PGGM 1.516 Mitarbeiter etwa 180 Milliarden Euro, bei MN Services 1.179 ­Mitarbeiter 92 Milliarden Euro und bei APG managen 3.848 Mitarbeiter 343 Milliarden Euro.

Die heutigen Herausforderungen für Pensionsfonds und damit auch für deren Dienstleister sind bekanntlich zahlreich. Allein dem aktuellen Asset Allocation Survey von Mercer lassen sich ­beispielsweise folgende Stichworte entnehmen: „Diversifikation des Credit-­Exposures“, „Immobilien jenseits von Core“, „mehr Alternatives und Emerging Markets“ und „dynamischeres Investieren“. Auch bezüglich Governance und damit Due-Diligence-Aktivitäten sowie Risikomanagement und natürlich Regulierung sind die Anforderungen ­gestiegen. Eigentlich also ideale Rahmenbedingungen für Fiduciary Manager in Holland, aber selbstverständlich auch in Deutschland. Im westlichen Nachbarland haben sich jedoch – eigentlich berechtigte – Hoffnungen zerschlagen. Statt um Wachstum dreht sich viel um ­Konsolidierung, Kostendruck und Effizienzsteigerungen. Im APG-Jahresbericht liest man das Vorhaben, „more efficient“ zu sein beziehungsweise die Varianten „efficiently“, „efficiency“ und ­„effectiveness“, insgesamt über 25-mal. Im Jahresbericht von PGGM findet sich zehnmal „consolidation“. Bei MN Services steht der ganze Jahres­bericht unter dem Motto „Reform“, und es wird schon im ersten Satz auf „difficulties“ hingewiesen.

Die Gründe für die Misslichkeiten sind unterschiedlich. Was den Pension Providern nicht gerade in die Karten spielte, war die demografische Entwicklung, insbesondere die Langlebigkeit und der Geburten­rückgang, und die flexibler gewordenen Arbeitsverhältnisse bei den Anspruchsberechtigten. Herausfordernd sind zudem die ökonomische Entwicklung sowie Gesetzgebung und Regulierung. So gilt die AIFM-Direktive auch für die drei Fiduciary Manager. Weiter ­besteht in Holland ein hoher Wettbewerbsdruck, da der Markt auch für ausländische Asset Manager, wie Blackrock oder Goldman Sachs, sehr attraktiv ist, die auch ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen. Die Pensionsgelder in den Niederlanden kommen laut Mercer – Stand 2012 – auf einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 169 ­Prozent. Diese Quote liegt in Europa nur in der Schweiz etwas höher (und in Deutschland dagegen bei 6,4 Prozent). Nicht zuletzt drückt natürlich  die Erkenntnis der Pensionsfonds, dass das einzig ­sichere Alpha Kosten­einsparungen sind, auf die Bilanzen und die ­Gemüter von Pensionsfonds-Dienstleistern. „Unsere Kunden fordern von uns geringere Preise, allerdings auch mindestens die gleiche Qualität“, schreibt APG in seinem Jahresbericht 2013. Insgesamt habe die ­nötige Reorganisation des Pensionsfonds-Dienstleisters zu einem signifikanten Job­abbau ­geführt.

Ein holländischer Pensionsfondsexperte nennt noch weitere ­Probleme, deren Wurzeln bis zur Jahrtausendwende zurückreichen. Damals lagerten große Pensionsfonds ihre Dienstleistungseinheiten für Administration und Asset Management – die heutigen Pension Provider – aus, um Betriebsgrößenvorteile zu erzielen und Know-how aufzubauen. Seit damals wurde somit Personal nicht nur für Management, Controlling und Mid- und Backoffice, sondern auch für ­Marketing und Account Management aufgebaut. Die Dienstleister waren ­also zum Wachstum und zum Ressourcenaufbau verdammt – im Normalfall jedoch ohne auf eine ausreichend große Kundenzahl zu kommen, um den eigenen Kostenblock zu refinanzieren. Verschärfend kam dann noch die Kreditkrise hinzu, infolge derer die Verantwortlichen der Defined-Benefit-Pläne weniger an der Suche nach dem besten Dienstleister interessiert waren als an der existentiellen Frage der optimalen Planstruktur. Defined Benefit wurde infrage gestellt und stattdessen Defined Contribution oder Versicherungslösungen diskutiert. Auch die De Nederlandsche Bank (DNB), ­Aufsichtsbehörde der Pensionsfonds, dränge darauf, dass die Zahl der Defined-Benefit-Pläne sinkt und die Kosten unter Kontrolle bleiben. Laut einer DNB-Statistik sank die Zahl der Defined-Benefit-Pensionsfonds von über 600 vor der Jahrtausendwende auf heute unter 100. „Schmerzhaft wurde klar, dass die Komplexität zwar tatsächlich gestiegen ist, die Struktur des Pensionssystems aber nicht mithalten konnte“, so der Experte, der das Dilemma folgendermaßen zusammenfasst: „Der Ausbau des Dienstleistungsangebots vergrößerte die Kosten. Anderer­seits schrumpfte die Nachfrageseite schnell, was den Kostendruck noch weiter erhöhte.“

Ins Bild passt, dass der Pensionsfonds Zorg en Welzijn (PFZW), dessen 156 Milliarden Euro von PGGM gemanagt werden, seit diesem Jahr nicht mehr in Hedgefonds investiert. 2003 war PFZW ein holländischer Hedgefonds-Pionier­ und investierte zur Diversifikation. Im Hinblick auf die neue Anlagepolitik, die Investments hinsichtlich Nachhaltigkeit, Komplexität, Kosten und ihren Index-linking-Beitrag zu überprüfen, fielen Hedgefonds nun durchs Raster. Auch dem ursprünglichen Anlageargument, der Diversifikation, seien Hedgefonds in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr gerecht geworden. „Hohe Kosten sind bei Hedgefonds sicher, der Return ist jedoch unsicher“, geht Jan Willem van Oostveen von PFZW auf den Kostenaspekt ein.

Nun setzen die Dienstleister auf die Karte Konsolidierung und machen sich Hoffnung, ihre Größenvorteile in diesem Prozess auszuspielen beziehungsweise dass die Eigner, also die Pensionsfonds, ihre Qualitäten im Konsolidierungsprozess in die Waagschale werfen. In den Niederlanden hat praktisch jede Berufsgruppe bis hin zu ­Friseuren, Metzgern und Fußballprofis ihren eigenen Pensionsfonds. Größenvorteile können jedoch erst recht Anbieter, wie ­Blackrock und Goldman Sachs, in die Waagschale werfen. Die Manager müssen sich zudem rechtfertigen, dass trotz ihrer Ressourcen die ­Anlageergebnisse nicht immer überzeugten. Während der Krise ­performten die großen Pensionsfonds, die eigentlich von der ­größeren Expertise ihrer Fidu­ciary Manager hätten profitieren sollen, nicht viel besser als weniger sophistizierte Pension Plans. Die Konsolidierung dürfte auch noch länger anhalten und nicht nur das ­Asset Management betreffen. APG erwartet, dass ausländische Anbieter Holland auch als ­Administratoren stärker angehen und der Konsolidierungstrend nach den Sektor-­Pensionsfonds, die fast drei Viertel des niederländischen Pensionsfondsvermögens halten, auch Unternehmenpensionsfonds erfasst.

Betont werden muss aber, dass die Niederlande trotz der Probleme­ ihrer Pension Providers, die auch anderen Asset Managern bekannt sind, eines der fortschrittlichsten Pensionssysteme der Welt haben. Laut Mercer bieten etwa 90 Prozent der Arbeitgeber eine ­betriebliche Altersversorgung an und nutzen hierfür eine Vielzahl von Pensionsfonds oder schließen eine Versicherung ab. Der ­Deckungsgrad der Pensionsfonds wird staatlich überwacht. Für einen durchschnittlich großen Pensionsfonds beträgt der geforderte ­Deckungsgrad inklusive Reserven etwa 125 Prozent. Der tatsächliche Deckungsgrad liegt aber im Schnitt laut ­Deutsche Bank Research vom April 2014 bei etwas über 100 Prozent. Langlebigkeit und Niedrigzins lassen sich eben nicht wegzaubern. Darum mussten in den Niederlanden auch Kürzungen der Leistungsansprüche erfolgen. Im April 2013 kürzten rund 70 Fonds Leistungen für eine Million Rentner um bis zu sieben Prozent. Dies kann jedoch als Teil einer insgesamt positiven Entwicklung gesehen werden: Anders als in Deutschland, wo es kaum Impulse durch die ­Politik gibt, half die niederländische Politik den Pensionsfonds durch ein umfangreiches Maßnahmen­paket wieder auf die Beine. Unter ­anderem erfolgte eine Anpassung der Diskontierungssätze. Vor allem hilft den Fonds aber die seit 2013 laufende Anhebung des Rentenalters bis 2025 auf 67 Jahre.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2015

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