Strategien
4. September 2015

Anlagestrategien für Jahrhunderte

Adel verpflichtet – aber weniger dazu, fester Bestandteil der ­Regenbogenpresse zu sein, sondern vielmehr dazu, unter den gegebenen­ speziellen Parametern ein intelligentes Asset Liability Management zu entwickeln. Dieses bietet auch Anregungen für die ­institutionelle Kapitalanlage.

Wer nach einer im Wortsinne nachhaltigen Anlagestrategie sucht, wird bei den fürstlichen Familien Castell-Castell und Castell-Rüdenhausen fündig. Neben der hauseigenen Bank sind die Durchlauchten und Exzellenzen seit Generationen in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Weinbau engagiert. Oberstes Anlageziel, beziehungsweise der Kern der von den Vätern übertragenen Aufgabe: mit Respekt und Verantwortungsbewusstsein das über viele Jahrhunderte Geschaffene zu erhalten und an kommende Generationen weiterzugeben. Diese adelige Anlagestrategie hat sich auch bei anderen fürstlichen ­Geschlechtern über Jahrhunderte bewährt und lässt sich zudem mit der Investitionstheorie begründen. Noch langfristiger als genera­tionsübergreifend zu investieren, dürfte nur der katholischen Kirche ­möglich sein.

„Wer strategisch immer Forst und Agrar long ist, umgeht die ­Timing-Problematik und vermeidet teure taktische Fehler. Die Illiquidität dieser Assets hilft, nicht in eine Händlermentalität zu verfallen. Das ist auf Dauer ein großer Vorteil“, erklärt Dr. Georg Graf von ­Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH. Zudem bieten Land- und Forstwirtschaft Inflationsschutz. Ein großer Vorteil ist auch, dass das Vermögen, anders als im Bürgertum, mangels Erbteilung als ­Ganzes erhalten bleibt.

Doch in der Neuzeit hat die Erfolgsformel „Long-Agrar-Forst“, die sich jahrhundertelang als robust gegenüber Kriegen und Pandemien erwiesen hat, ausgedient. Davon kann in erster Linie der infolge des Zweiten Weltkriegs vertriebene Ost-Adel ein trauriges Lied singen. ­Allenfalls Gold oder Schmuck wären für die Vertriebenen passende Real Assets gewesen. Mit dem Lastenausgleichsgesetz der Bundes­republik von 1952 erhielten die geflüchteten Blaublüter nur eine sehr geringe Entschädigung, die übrigens überdies zulasten der ­Real ­Asset Owner, sprich der Immobilienbesitzer, im Westen ging. Dem West-Adel ging es nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch etwa zwei ­Jahrzehnte prächtig. Mit der Holz- und der ­Nahrungsmittelproduktion konnte er die wichtigen Basisgüter für das Wirtschaftswunder und die ­Fresswelle liefern. Dies waren allerdings auch die Jahre, in denen sich einige der Herzöge, Grafen und Freiherren an einen ­feudaleren ­Lebensstil ­gewöhnten, der nicht immer nur auf das Ideal des ­Vermögenserhalts geeicht war.

Agrar und Forst immer long hat ausgedient
Doch das Wirtschaftswunder gereichte dem Adel im Laufe der Jahrzehnte zum Nachteil und führte zu einer weiteren Erosion der Long-Agrar-Forst-Erfolgsformel. Während nämlich das Bürgertum in Form von Beteiligungen oder Gehaltserhöhungen am zunehmenden Produktivvermögen beteiligt war, rentierte der fürstliche Besitz nach wie vor zwar stetig, aber vergleichsweise bescheiden. „Wald, Landwirtschaft und Immobilien waren für die vergangenen Jahrhunderte sehr passende Assets. Diese Werte sind aber im Vergleich zu Aktien­vermögen und Unternehmensbeteiligungen geschrumpft. Das Bürgertum wurde immer reicher und trieb die Preise hoch“, erklärt ein leitender Angestellter der DeAWM, der in den Hochadel eingeheiratet hat. „Der Adel verspürt den Bedarf, etwas zu verändern.“

Dass man sich mit einem 300 Hektar großen landwirtschaftlichen Betrieb reich fühlt, wies der CSU-Bundestagsabgeordnete Philipp Graf von und zu Lerchenfeld kürzlich entschieden zurück – obwohl ihm dieser Betrieb seit Beginn der Legislaturperiode Erlöse von mindestens 1,15 Millionen Euro beschert hatte. Der Graf betont lieber seine Ausgaben für Saatgut, Personal, Reparaturen und Investitionen. Bewirtschaftet wird der Betrieb seit 1469 in der nun 21. Generation. Seit damals sind die Margen durch die steigenden Kosten geschrumpft. Insbesondere dürften die Personalkosten gestiegen sein. Lerchenfeld beschäftigt zwei Festangestellte, zwei Azubis und einen Praktikanten. Adelige, die keinen anderen Verpflichtungen fern der Heimat nach­gehen, sitzen zuweilen auch selbst auf dem Traktor, um Personal­kosten zu sparen.

Verschärfend kam für den Adel in den Nachkriegsjahren hinzu, dass sich der ein oder ­andere fürstliche Großgrundbesitzer an ein ­Leben auf großem Fuß gewöhnt hatte, und vor allem, dass die ­Unterhaltskosten für die Residenzen inflationär anstiegen. Relativ ­betrachtet verarmte der Adel – außer man beteiligte sich auch an ­Produktivvermögen. Dies kann direkt mit einer Gründung erfolgen oder indirekt über Aktien, Fonds oder über eine vielleicht nicht ­standesgemäße, aber dafür finanziell einträgliche Eheschließung mit einer guten bürgerlichen Partie.

Etagenadel statt Landadel
Kürzlich konnte sich das Haus Hessen von seinem großen ­Schweizer Schloss Tarasp trennen. Laut der FAZ hatte das Haus ­Hessen „schon lange die Lust an dem kostenaufwendigen Eigentum im Unterengadin verloren“. Noch hängt der Verkauf aber auch davon ab, ob Einwohner der Ortschaft Tarasp dafür ­stimmen, 15 Jahre lang jährlich 200.000 Franken zum laufenden Betrieb des Schlosses ­beizusteuern. Etwas südlicher, nämlich in Italien, stehen derweil ­besonders viele ­Burgen zum Verkauf. Gründe sind laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die ­Betriebskosten für die Castelli sowie der Generationswechsel in der italienischen ­Aristokratie. Der Lebensentwurf des Nachwuchses sieht eher ein Leben als sogenannter Etagen­adel in einer schicken ­Wohnung in Mailand vor, statt als Landadel, der sich ständig um die Instand­haltung und damit verbundene pekuniäre Fragen kümmern muss. Der Landadel pflegt zwar auf den ­Etagenadel herabzublicken, Letzterer hat aber deutlich geringere ­Nebenkosten zu stemmen.

Wald: Länge und Breite wichtiger als die Höhe
Komplett passé ist das Fugger-Konzept allerdings nicht. Die ­Augsburger Kaufmannsfamilie verdankt ihren Reichtum und ihren Adelstitel ihrem 1525 gestorbenen Vorfahr Jakob dem Reichen. Dass dieser Reichtum immer noch besteht, verdanken die Fugger ihrer ­eigenen Einsicht, dass das kaufmännische Talent Jakobs einmalig war und das Geld besser in Bäume, Böden und Immobilien investiert wird. Dass bei den Fuggern diese Strategie nachhaltig ist, liegt schlicht an der Größe des ­Besitzes, der höhere Einnahmen und eine effiziente Bewirtschaftung möglich macht.

Wer nicht über einen besonders großen Besitz verfügt, neigt oft dazu, über die Jahrzehnte immer wieder Land abzugeben, um nicht den Familiensitz veräußern zu müssen. Dann sind am Ende nur noch das Schloss, und damit die größte Verbindlichkeit übrig. „Wer heute noch ein schönes Schloss besitzt, verdankt dieses Produktivkapital oder dem emotionalen Druck, dass man nicht als derjenige in die ­lange Ahnengalerie eingehen möchte, der den Familiensitz veräußert hat“, erklärt Adalbert Freiherr von Uckermann, Senior Partner bei HQ Trust. Seinen eigenen Vorfahren ist von Uckermann dankbar, dass sie den Familiensitz bereits verkauft und damit das Familienvermögen entlastet haben.

Einige Gedanken, wie sich ein Schloss vermarkten lässt und somit auch auf der Einnahmeseite etwas beiträgt, hat sich offenbar Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg gemacht. Konzerte, Schlossführungen und eine Schlossschenke kommen der Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer zugute. Aber auch ein weitläufiger Forstbestand – mit 13.000 Hektar der größte im Bundesland ­Nordrhein-Westfalen – lässt sich, anders als kleine Waldstücke, nicht nur über den Holzeinschlag vermarkten. Seine Durchlaucht bietet dem Volk die Nutzung als Friedwald, den Kauf von Wildfleisch und den ­Abschuss der Trophäenträger Hirsch, Muffelwidder und Rehbock an. Die Abschussgebühr für einen Rothirsch der Klasse 1 beträgt je nach Geweih bis zu 15.000 Euro und macht sich damit auch in der Wittgenstein-Berleburgischen Rentkammer positiv bemerkbar.

Unternehmerischer Adel oder adliger Unternehmer
Ebenfalls zu den großen Waldbesitzern zählen die Hohenzollern mit 15.000 Hektar, womit die Familie von Karl Friedrich Fürst von ­Hohenzollern laut der Zeitschrift „Bilanz“ nach den Fürstenbergs und den Thurn und Taxis der drittgrößte private Waldbesitzer in Deutschland ist. Der Zeitschrift gegenüber beziffert der Fürst die Unterhaltskosten des Sigmaringer Schlosses mit einer halben Million Euro im Jahr. Zum Unterhalt trägt aber nicht nur der Wald, sondern auch, wie bereits erwähnt, ein beträchtliches Produktivvermögen bei. In der elften Generation zählt die metallproduzierende Zollern-­Gruppe, die im Jahr über eine Milliarde Euro umsetzt, zum Hab und Gut derer von Hohenzollern. Weiteres Beispiel für adeliges Unternehmertum: die Bleistiftproduzenten derer von Faber-Castell. Den Vorsitz ­repräsentiert mit Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell die mittlerweile achte ­Generation.

Eine sich aufdrängende Frage: Wie unterscheidet sich das ­unternehmerische Tun der Von-und-Zus vom unternehmerischen Tun von Hinz und Kunz? Eine Differenz besteht darin, dass die ­adeligen ­Betriebe oft schon einige hundert Jahre länger ­bestehen. Trotzdem, und auch trotz der großen Traditionspflege, ­neigen seine Durchlaucht nicht unbedingt öfters zu ­Beratungsresistenz als der ­typische schwäbische oder westfälische Patriarch eines Familien­unternehmens. Da er selbst nichts aufgebaut hat, kann es ­sogar sein, dass sich ein Fürst eher etwas sagen lässt als der bürgerliche Unternehmenspatriarch.

Unterhalb des Hochadels sorgt ein weiterer dynastischer Aspekt für frischen Wind in der blaublütigen Sippschaft: „Sobald das ­kommende Familienoberhaupt eine Familie gegründet hat, kommt es auch ans Ruder. Dass der ‚Laden‘ recht bald übergeben wird, ist gut. Allerdings achtet dann die ganze Familie darauf, dass das neue Oberhaupt nicht zu viel verändert“, sagt Georg Graf von Wallwitz. Der oben erwähnte Mitarbeiter der DeAWM nennt noch einen weiteren Grund, der die Innovationskräfte lähmt: „Niemand will derjenige sein, der nach 19 Generationen das Vermögen kaputt macht.“

Bei der Verwaltung des liquiden Vermögens unterscheiden sich der Adel und institutionelle Anleger in einem Punkt gewaltig: ­Während beim klassischen Adel Wertpapiere die Beimischung zu den illiquiden Assets darstellen, sind bei den institutionellen, aber auch bei den bürgerlichen privaten ­Anlegern die illiquiden Assets die Beimischung zu den Wertpapieren. „Wenn ­eine funktionierende große Forstwirtschaft besteht, hat man ­idealerweise bereits einen Vermögensbaustein, der laufende Erträge erwirtschaftet, und man ist aus Gesamtvermögenssicht auf das stetige ­Einkommen von Anleihen ­weniger angewiesen“, fügt von Uckermann diesem Aspekt hinzu. ­Ansonsten unterscheiden sich die beiden Gruppen bei Anleihen in ­etwa so stark, wie manchmal die Manieren von Ernst August Prinz von Hannover im Vergleich zu denen des ­Pöbels. Ob nun in der fürstlichen Hofkammer oder im Depot bei der gemeinen Sparkasse, ­Genossenschafts-, Direktanlagebank oder beim Global Custodian: ­Anleihen ­machen angesichts des Bewertungsniveaus in der Regel nur noch als Liquiditätsreserve oder als Collateral Sinn. Darum werden ­eine hohe Bonität und eine niedrige Duration gewählt.

Adel goutiert Aktien
Bei Aktien macht der Anlagehorizont in Kombination mit dem Handlungsspielraum den Unterschied. „Um Vermögen durch die Jahrhunderte zu bringen, benötigte man schon immer einen längeren Anlagehorizont, was auch bei Aktieninvestments von Vorteil ist. Auch bei einem 70-Jährigen – egal ob adelig oder nicht – können ­Aktienanlagen sinnvoll sein, sofern er in Generationen denkt“, ­erläutert von Uckermann. ­Institutionelle Anleger haben meist ­ebenfalls einen langfristigen ­Anlagehorizont und sehen Aktien als strategische Anlageklasse. Oft sind sie aber in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkter, da sie zum Beispiel Bilanzstichtage oder aufsichtsrechtliche Vorschriften beachten müssen. „Dies kann auch zur Folge haben, dass sie öfters kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Steuerung ihrer Aktien­anlagen ergreifen müssen“, erklärt von Uckermann. „Das Anlageziel, das Vermögen ungeschmälert an die nächste Generation zu über­geben, spricht für Aktien“, so von Wallwitz. Von Wallwitz macht bezüglich des liquiden Vermögens lieber einen ­Unterschied zwischen „altem“ und „neuem“ Geld, wobei bei Ersterem der Werterhalt eine größere Rolle spielt. Grundsätzlich sind der lange Anlagehorizont und die ­stetigen Ausschüttungen von Forst- und Landwirtschaft auch besonders gute Argumente für Private ­Equity. Gegen diese Asset-Klasse spricht auf der anderen Seite, dass mit Forst und Landwirtschaft illiquide ­Asset-Klassen im fürstlichen Portfolio bereits dominieren.

Bei der Kombination dieser Anlageklassen zu einer Asset-Allokation sind die illiquiden Asset-Klassen Forst, Agrar und „Schloss“ ­sowie deren Eigenschaften bezüglich Korrelation, Ausschüttungen, Inflation oder Volatilität der Ausgangspunkt. „Zudem müssen ­Erbschaftsfälle berücksichtigt werden“, so von Uckermann. Nach ­Abzug von Inflation, Steuern und Ausgaben, verbunden mit dem Ziel, das Vermögen ungeschmälert an die nächste Generation zu ­übertragen, ist eine Rendite von sechs bis sieben Prozent nötig. Von Uckermann: „Damit ist es erforderlich, das liquide Vermögen in Produktivkapital zu investieren.“ Eine sehr ähnliche Ausgangs­position wie die adelige ist die eines mittelständischen Unternehmers. Beide haben oft viel Vermögen, aber kein Geld. Der große, bereits erwähnte, Unterschied: Der mittelständische Unternehmer hat bereits sein ­Vermögen in Produktivkapital!

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2015

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