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22. Juli 2016

Auf den Schock folgt großer Optimismus

Die deutsche Finanzgemeinde sieht Frankfurt als größten Brexit-Profiteur. Egal ob Wertpapierhandel, Asset Management oder Corporate Banking, die Erwartungen an den hiesigen Finanzplatz sind hoch.

Frankfurt könnte zum großen Gewinner eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union werden. Dieser Überzeugung ist zumindest die deutsche Finanzbranche, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) an der Universität Frankfurt zeigt, an der 400 Finanzinstitute und Dienstleistungsunternehmen teilnahmen. Für nahezu alle befragten Unternehmen (95 Prozent) ist der Finanzplatz Frankfurt der große Gewinner. Daneben sehen gut zwei Drittel Paris als weiteren Profiteur eines Brexits. Immerhin 15 Prozent erwarten, dass Amsterdam dazugewinnen wird. Lediglich sechs Prozent gehen davon aus, dass auch London profitieren wird. „Frankfurt ist auf einen Brexit sehr gut vorbereitet gewesen. Wir werden alles daran setzen, diese Jahrhundertchance für Frankfurt zu nutzen“, kommentiert Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance die Umfrageergebnisse. Für ihn ist klar, dass London der zentrale Finanzplatz bleibt: „Daher wollen wir, dass Frankfurt zu der Brücke für London in die Eurozone wird.“
Die größten Chancen für Frankfurt sehen die Umfrageteilnehmer im Handel mit Wertpapieren und in deren Abwicklung. Nach Ansicht von 78 Prozent wird dieser Bereich dazugewinnen. Weitere Chancen sieht die Hälfte für das Asset Management und die Vermögensverwaltung sowie für den Bereich Corporate Banking, knapp gefolgt vom Bereich Professional Services (43 Prozent). „Die Ergebnisse zeugen von hohen Erwartungen der Marktteilnehmer an die künftige Rolle des Finanzplatzes Frankfurt. Dies erhoffen sich aber auch andere Finanzplätze. Ich rechne daher mit einem intensiven Standortwettbewerb, in dem es darauf ankommen wird, die Stärken Frankfurts gezielt bei Top-Entscheidern hervorzuheben“, so Professor Dr. Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies.
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) wird voraussichtlich ihren Sitz nicht mehr in einem Land haben können, das außerhalb der EU liegt. Wohin die EBA jedoch verlagert wird, ist offen. Die deutsche Finanzbranche rechnet der Umfrage zufolge mehrheitlich damit (57 Prozent), dass die EBA nach Frankfurt umzieht. Hingegen erwartet ein Drittel, dass sich die europäische Bankenbehörde an einem anderen Standort ansiedelt.

Die deutsche Finanzbranche stellt sich auch auf gewisse Engpässe ein, wenn es zu einer Verlagerung von Geschäftsaktivitäten von London nach Frankfurt kommt. Knapp drei Viertel der Befragten nannte hier den knappen Wohnraum, die Hälfte sorgt sich um ausreichend qualifiziertes Personal, 27 Prozent beurteilen die Verkehrsinfrastruktur kritisch und 22 Prozent das Angebot an Büroflächen.

Wie aus der Umfrage weiter hervorgeht, sollte die EU nach Meinung der Mehrheit der befragten Finanzinstitute und Dienstleistungsunternehmen (68 Prozent) Großbritannien künftig keinen uneingeschränkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt mehr gewähren. Hingegen sprechen sich 22 Prozent dafür aus, trotz eines Brexits keine Beschränkungen einzuführen. Die möglichen Auswirkungen eines Brexits auf die deutsche Wirtschaft werden von der Hälfte der Befragten  neutral und von etwa einem Drittel positiv beurteilt. Lediglich 15 Prozent erwarten negative Auswirkungen.
portfolio institutionell newsflash 22.07.2016/Kerstin Bendix

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