Versicherungen
9. November 2015

Fernweh

Für Versicherungen ist Deutschland passé. Für Neuinvestitionen zieht es sie nach Übersee. Ein weiteres Thema ist Solvency II. Mit einem internen Modell lässt sich die Kapitaleffizienz um bis zu 30 Prozent verbessern.

Das Zinsniveau wird in den nächsten drei Jahren leicht steigen. Diese Erwartungshaltung hat ein Großteil der etwa 20 Versicherungen, die an einer soeben erschienenen Umfrage der Commerzbank im Frühsommer dieses Jahres teilgenommen haben. Mit Blick auf dieses Szenario würde ein Viertel tendenziell seine Investition in Fremdkapital leicht senken. Die große Mehrheit (63 Prozent) würde nichts verändern. Lediglich elf Prozent sprachen von einer leichten Erhöhung des Fremdkapitalanteils. Ganz ähnlich würden auch die zehn befragten Pensionseinrichtungen, die ebenfalls an der Umfrage teilnahmen, unter der Annahme eines langsam und kontinuierlich steigenden Zinsniveaus vorgehen. Allerdings erwartet ein solches Szenario nur etwa ein Viertel. Die Mehrheit rechnet mit einem kontant bleibenden Niveau. In puncto Zinseinschätzung ticken diese beiden Investorengruppen offenbar unterschiedlich.   
Einig sind sich die Versicherungen und Pensionseinrichtungen in Bezug auf die regionale Diversifizierung in ihren Kapitalanlagen. Alle Studienteilnehmer sind laut Commerzbank mit Abstand am stärksten in Deutschland investiert. Sie wollen in den nächsten drei Jahren jedoch mehr im Ausland, insbesondere den USA anlegen: Dort sind von 75 Prozent der befragten Versicherungen und Pensionseinrichtungen Neuinvestitionen geplant. Auch die Schwellenländer stehen in der Gunst weit oben. Etwa zwei Drittel wollen hier neue Investments tätigen. Deutschland wird hingegen als weniger lohnenswert erachtet.    
30 Prozent mehr Kapitaleffizienz
Bei Versicherungen wird Solvency II mit Start des nächsten Jahres wesentlichen Einfluss auf die regulatorische Kapitalunterlegung nehmen. Fast zwei Drittel der befragten Versicherungen gaben an, dass sich Anlageentscheidungen künftig primär an regulatorischen Vorgaben orientieren werden. Unter Solvency II können Versicherungen ein Standard- oder eigenes internes Modell zur Berechnung ihres regulatorischen Kapitals anwenden. Carolin Schnabel, Abteilungsleiterin Kundenbetreuung für Versicherungen und Pensionseinrichtungen bei der Commerzbank, wies in diesem Zusammenhang auf den Wettbewerbsvorteil hin, den interne Modelle mit sich bringen: „Üblicherweise verbessert sich die Kapitaleffizienz um 20 bis 30 Prozent im Vergleich zu einem Standardmodell.“ Dies habe sich im Ausland, genauer gesagt in Großbritannien, wo viele Versicherer ein internes Modell nutzen, gezeigt. In Deutschland sei dies anders. „Wir wollen kleinen und mittleren Versicherungen Zugang zu internen Modellen verschaffen“, so Schnabel. Deshalb wurde Ende August die Commerz Regulatory Models GmbH gegründet, die Versicherungen bei der Implementierung interner Solvency-II-Modelle helfen soll. Das Angebot verknüpfe eine etablierte IT-Lösung mit dem Know-how der Bank in der Entwicklung und im Einsatz solcher Modelle. Skaleneffekte sollen die Kosten einer Implementierung mindern und damit auch mittelgroßen Versicherungen den Einsatz interner Solvency-II-Modelle ermöglichen. Die angebotene Lösung arbeitet mit einer sogenannten 80-20-Regel. Das heißt: Es ist ein Referenzmodell, dass zu 80 Prozent den typischen Composite-Versicherer abbildet. 20 Prozent werden individualisiert. Erfahrungen mit der Genehmigung seitens der Bafin bestehen derzeit noch nicht.
Für Pensionseinrichtungen gilt ein an Solvency II angelehntes Regelwerk derzeit noch nicht, die ökonomischen Herausforderungen in einem Marktumfeld mit niedrigen Zinsen sind jedoch vergleichbar. Dieses spiegelt sich in einem veränderten Anlageverhalten von Pensionseinrichtungen wider: Mehr als 82 Prozent der Teilnehmer der Umfrage wollen stärker über Anleihen und Kredite in Unternehmen investieren. Starkes Wachstumspotenzial liegt zudem bei Investitionen in Infrastruktur. Nahezu drei Viertel der befragten Pensionseinrichtungen (72 Prozent) wollen diese ausbauen. „Das Management von Pensionsverpflichtungen gewinnt mehr und mehr an Bedeutung: Erstens steigt die Nachfrage nach Fremdkapitalinvestitionen mit entsprechenden Renditeerwartungen. Zweitens werden Kostenaspekte stärker bei Kapitalanlagen berücksichtigt, beispielsweise über ETF. Und drittens werden sich Anlageentscheidungen zunehmend an der Verpflichtungsseite ausrichten“, sagte Sven Reuss, Pensionsexperte der Commerzbank.
portfolio institutionell newsflash 09.11.2015/Kerstin Bendix
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