Versicherungen
22. Oktober 2014

Auslaufmodell Solvency II?

Das Versicherungsaufsichtsregime Solvency II steht unmittelbar vor der Tür. Im Rahmen der jüngsten GDV-Konferenz wurde aber bereits darüber debattiert, ob das Regelwerk zum Auslaufmodell verkommt.

Anlässlich der 11. Internationalen Konferenz des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am 13. Oktober in Berlin sprach sich Hauptgeschäftsführer Jörg von Fürstenwerth dafür aus, dass künftige Versicherungsregelwerk Solvency II flexibel zu gestalten. „Das neue System wird Zeit brauchen, um sich zu entwickeln“, so seine Einschätzung. Solvency II müsse deshalb offen sein für Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, für Entwicklungen an den Finanzmärkten oder Fragestellungen, „die wir heute noch gar nicht kennen“. 
In einer Mitteilung weist der GDV einmal mehr darauf hin, dass die Einführung von Solvency II im Jahr 2016 einen Systemwechsel in der Versicherungsaufsicht in Europa bedeutet. Das neue Regelwerk gewähre den Unternehmen einerseits mehr Freiheiten, etwa bei ihrer Kapitalanlagepolitik. Umgekehrt verlangt es mit zunehmenden Risiken höhere Eigenkapitalanforderungen, wie der GDV in Erinnerung ruft. Nachdem sich die EU-Parteien Ende vergangenen Jahres auf das Grundgerüst von Solvency II geeinigt hatten, läuft derzeit die nationale Umsetzung. Diese soll bis März 2015 abgeschlossen sein. 
Alle ringen mit den neuen Anforderungen
Im Rahmen der GDV-Konferenz sprach Jörg Schneider, Finanzvorstand des Rückversicherers Munich Re, mit Blick auf die nationale Umsetzung von einem „Quantensprung in der Regulierung“. Mit dem neuen Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) würden viele verstreute Regeln zusammengeführt und im europäischen Sinne harmonisiert. (Details zum neuen VAG finden Sie hier.) Positiv sei, dass alle EU-Vorgaben zur Abbildung langfristiger Garantien im VAG enthalten seien, so Schneider. Ihre Wirkung werde jedoch durch die technische Umsetzung eingeschränkt. Die nationale Umsetzung von Solvency II dürfe nicht zu Wettbewerbsnachteilen für hiesige Unternehmen führen. „Es muss alles getan werden, damit deutsche Unternehmen durch die Regulierung nicht in Hochzinsanleihen getrieben werden“, so Schneider. Zugleich appellierte der Vorstand von Munich Re an die Politik und die Aufsichtsbehörden, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu begrenzen. „Alle ringen mit der Flut an neuen Anforderungen.“ Dort, wo noch Vereinfachungen möglich seien, sollten die Spielräume genutzt werden“, forderte Schneider. 
Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, teilte diese Position. „Wir müssen darauf achten, dass die neuen Anforderungen kleine Unternehmen nicht überlasten.“ Insbesondere bei den Berichtspflichten müsse das Proportionalitätsprinzip beachtet werden. Meister sprach sich nach Angaben des GDV für unterschiedliche Auflagen aus, abhängig von den Risiken und der Größe der Versicherer. 
Ähnlich argumentierte Burkhard Balz (CDU), Mitglied im Europäischen Parlament und im Ausschuss für Währungs- und Wirtschaftsfragen. Das Proportionalitätsprinzip dürfe nicht so ausgelegt werden, dass es zu einer reinen Ausnahmeregelung werde. „Die europäischen Aufsichtsbehörden tun sich keinen Gefallen, wenn sie kleinen Unternehmen unüberwindbare Steine in den Weg legen.“ 
Regulierung überdenken
Angesichts der vielen Regulierungsvorhaben in den vergangenen Jahren sprach sich EU-Politiker Balz für eine Neubewertung der Maßnahmen aus. Auf politischer Ebene setze sich langsam die Erkenntnis durch, dass bei der Regulierung nicht alles von Anbeginn richtig gemacht werden konnte. Basis für die Neubewertung sollte zunächst eine Auswirkungsstudie sein, für die sich das Europäische Parlament ausgesprochen habe, um die kumulativen Effekte der Regulierung zu untersuchen. Pläne für neue Regulierungsschritte, etwa für eine Versicherungsunion analog zur Bankenunion, gebe es derzeit nicht, betonte Balz. Es sei erst einmal vernünftig, Solvency II in der praktischen Umsetzung zu sehen. Gleichzeitig ermahnte er die Europäische Kommission und die Versicherungsaufsicht Eiopa, bei der internationalen Entwicklung wachsam zu sein. „Die positiven Effekte von Solvency II dürfen nicht durch internationale Vorgaben wieder kassiert werden“, warnte der Politiker. 
Diese Hoffnung äußerte laut GDV-Mitteilung auch Munich-Re-Finanzvorstand Jörg Schneider. „Solvency II darf nicht schon vor seiner Einführung ein Auslaufmodell werden.“ Er verwies auf diegeplante Regulierung international tätiger Versicherungsgruppen, für die global einheitliche Regeln geschaffen werden sollen. Dazu zählen nach dem Willen der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS) auch einheitliche Kapitalanforderungen. 
Felix Hufeld, Exekutivdirektor der Finanzaufsicht Bafin, sprach sich an dieser Stelle für eine Lösung im Einklang mit den europäischen Vorgaben aus. „Neben Solvency II ein zweites Regelwerk zu etablieren, das darf nicht sein.“ Die internationalen Kapitalanforderungen sollten den Charakter von Mindestanforderungen bekommen, die in Europa durch Solvency II kompatibel umgesetzt werden können. Das bedeute jedoch nicht, dass Solvency II in keinem Punkt oder Komma geändert werde, so Hufeld. 
portfolio institutionell newsflash 22.10.2014/Tobias Bürger
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