Immobilien
3. April 2017

Big Sieben steuern auf gefährliche Verknappung bei Büroflächen zu

Der Leerstand hat sich um 80 Basispunkte auf fünf Prozent reduziert. Der ZIA sieht gefährliche Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft. Deutschland hat Großbritannien als Europas führender Immobilienmarkt abgelöst.

Die Büroflächen in den sieben größten Städten Deutschlands werden gefährlich knapp. Diese Warnung spricht der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) mit dem Hinweis auf eine Analyse von Bulwiengesa im aktuellen Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2017 aus. Laut der Analyse habe sich der Leerstand bei Büroflächen in den Big Seven – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – um etwa 80 Basispunkte auf fünf Prozent reduziert. Der mit Abstand deutlichste Rückgang von Angebotsflächen wurde mit 130 Basispunkten in München auf 2,5 Prozent erfasst. Es folgen Stuttgart mit minus 80 Basispunkten (2,9 Prozent) und Berlin mit minus 70 Basispunkte (3,1 Prozent). Das entspreche einer faktischen Vollvermietung in den drei Top-Standorten.
„Die Zahlen sind besorgniserregend. Während in der Baupolitik über die Schaffung von neuem und bezahlbarem Wohnraum diskutiert wird, steuern wir auf eine vergleichbare Verknappung bei Büroflächen hin“, so Ulrich Höller, Vizepräsident des ZIA. Und weiter: „Das beweist, dass wir in der Stadtentwicklung ganzheitlich denken müssen und keinesfalls einseitig auf eine Nutzungsart schauen dürfen.“
Flächenangebot durch Büroflächenabgänge belastet
Während die Neubaufertigstellungszahlen nur leicht über den Zehn-Jahres-Mittelwerten lagen, verkleinerte sich das Angebot 2016 der Bulwiengesa-Analyse zufolge relativ stark um sogenannte Büroflächenabgänge, also die Reduktion von Flächen durch Abriss oder Umnutzung. Innerhalb der A-Standorte sei die Zahl der Flächen im vergangenen Jahr um 667.000 Quadratmeter reduziert worden, was etwa drei Viertel aller neugebauten Flächen in diesen Städten entspreche. Insgesamt kamen somit effektiv lediglich 225.000 Quadratmeter Bürofläche bestandserhöhend hinzu. In Frankfurt und in Köln sank das Büroflächenangebot sogar im Jahresverlauf um 16.000 beziehungsweise 1.000 Quadratmeter, weil die Flächenabgänge nicht durch den Neubau kompensiert werden konnten. Hohe Flächenabgänge wurden 2016 zudem in Berlin (189.000 Quadratmeter), München (134.000 Quadratmeter) und Hamburg (131.000 Quadratmeter) festgestellt.
„Der Mangel an Büro- und modernen Produktionsflächen in einigen deutschen Stadtquartieren war absehbar, galt aber zu lange nicht ernsthaft als kritische Entwicklung. Doch Flächenengpässe können die Wirtschaftsentwicklung der Städte hemmen“, mahnte Andreas Schulten, Vorstand bei Bulwiengesa und Mitglied im Rat der Immobilienweisen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir die Konjunktur Deutschlands durch einseitige Ausweisungen von neuen Flächen zu Lasten von Büros gefährden“, erklärte auch Andreas Wende, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses. Aus diesem Grund fordert der ZIA eine schnelle Einführung des neuen Gebietstypen „Urbanes Gebiet“, der demnächst im Bundesrat behandelt werden soll. „Die Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Versorgen ist zeitgemäß. Moderne Quartiere schaffen kurze Wege zwischen Arbeitsplatz, Wohnung und Einkauf. Unsere Innenstädte sind dafür prädestiniert, hier weiter zu wachsen. Nur braucht die Immobilienwirtschaft bessere Rahmenbedingungen, um bestehende Flächen effektiver zu nutzen. Das Urbane Gebiet kann eine solche Verbesserung darstellen“, sagt Wende.
In seiner Sorge um eine gefährliche Verknappung von Büroflächen in den Big Seven kam der ZIA zwar nicht auf die Auswirkungen auf die Investorenseite zu sprechen. Angesichts der starken Nachfrage, die seit geraumer Zeit auf dem deutschen Immobilienmarkt zu beobachten ist, lässt sich jedoch der Schluss ziehen, dass Investments im entsprechenden Bürosegment noch teurer werden, als sie ohnehin schon sind. Erst kürzlich hat die Research-Abteilung von Catella insgesamt 76 deutsche Büromärkte der Standortkategorien A bis D unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die sieben A-Standorte mit einer durchschnittlichen Spitzenrendite von 3,67 Prozent erstmals die Vier-Prozent-Schwelle unterschritten. Gegenüber 2015 haben sie aus Sicht von Neuinvestoren 53 Basispunkte eingebüßt. Der durchschnittliche Renditeabstand zwischen A- und B-Standorten ist 2016 nochmals angewachsen, und zwar auf aktuell 179 Basispunkte. In diesem Anstieg drückt sich nach Ansicht von Dr. Thomas Beyerle, Head of Group Research bei Catella, die sehr hohe Investorenneigung zugunsten der A-Standortkategorie aus. Mit einer Spitzenrendite von 3,3 Prozent weist München den niedrigsten Wert aller Standorte aus, der höchste gemessene Wert wird in Solingen (8,5 Prozent) erzielt, gefolgt von Wilhelmshaven (8,1 Prozent).
Deutschland läuft Großbritannien den Rang ab
Deutschland läuft Großbritannien als Europas führender Immobilienmarkt den Rang ab. Zu diesem Urteil kommt die internationale Immobilienberatungsgesellschaft Knight Frank bei einem entsprechenden Vergleich der europäischen Immobilienmärkte. Demnach wurde in Deutschland 2016 ein Transaktionsvolumen in Höhe von 59 Milliarden Euro registriert, während Großbritannien auf nur 57 Milliarden Euro kam. Obwohl das Investitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent (Großbritannien: minus 43 Prozent) zurückging, wurde Deutschland aufgrund der robusten Wirtschaft, der vergleichsweise politischen Stabilität und der Vielfalt seiner Immobilienmärkte im Jahr 2016 als sicherer Hafen Europas angesehen, so Knight Frank. Rund 55 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens entfiel auf die Top-Sieben-Märkte. Dabei gehörten Berlin, Frankfurt und München mit 8,5 und je 6,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zu den sechs aktivsten europäischen Investitionsstandorten. Den absoluten Spitzenplatz hält allerdings nach wie vor London mit einem Transaktionsvolumen von rund 25 Milliarden Euro, dicht gefolgt von Paris mit 21 Milliarden Euro.
Wie Knight Frank weiter feststellt, wurden mehr als 60 Prozent der Transaktionen 2016 durch deutsche Investoren getätigt – trotz steigender Preise und sinkender Renditen im internationalen Vergleich. Die Nachfrage der Nutzer nach verfügbaren Gewerbeflächen bleibt weiterhin hoch. In der Folge stiegen die Mietpreise in Berlin und München, in Frankfurt blieben sie auf hohem Niveau. So habe Frankfurt 2016 mit 530.000 Quadratmetern Bürofläche den höchsten Umsatz seit der weltweiten Finanzkrise 2007 erzielt. Nach Angaben von Knight Frank wurden 2016 allein auf dem Frankfurter Gewerbeimmobilienmarkt (Büro, Einzelhandel, Industrie und Hotel) Transaktionen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro gehandelt, obwohl die Verfügbarkeit von Büroimmobilien (Anteil 2016: 3,3 Milliarden Euro) eingeschränkt war.
„Deutschland ist eine der entwickeltesten Volkswirtschaften, in die investiert werden kann, und hat sich 2016 zum beliebtesten Investitionsziel für Immobilienkapital in Europa entwickelt“, erklärte James Roberts, Chefvolkswirt bei Knight Frank. Sein Kollege Joachim von Radecke, Head of German Desk, European Capital Markets bei Knight Frank, fügte hinzu: „Vor dem Hintergrund der überzeugenden ökonomischen Fundamentaldaten fühlen sich viele Investoren von der Vielfalt auf dem deutschen Markt angezogen. Dazu tragen sieben Top-Städte bei, die alle über herausragende Standortfaktoren verfügen und sich durch eine hohe Mieternachfrage auszeichnen. Das unterscheidet Deutschland deutlich von anderen europäischen Märkten."
portfolio institutionell newsflash 03.04.2017/Kerstin Bendix

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