Schwarzer Schwan
1. April 2016

Bildung tut not!

In der Schule wird sie vernachlässigt, aber die Welt der Literatur hält so manch finanzbildendes bereit: der schnöde Mammon und das Bildungsideal!

In den Lehrplänen deutscher Schulen wird die Finanzbildung vernachlässigt. Das kritisieren Interessenvertreter aus der Finanzwelt wie GDV, Bankenverband oder BVI immer mal wieder. Schnöder Mammon passt offenbar nicht zum deutschen Bildungsideal. Wer im literarischen Bildungskanon nach der Vermittlung von Finanzwissen sucht, wird aber immerhin fündig bei Thomas Manns Buddenbrooks, bei Berthold Brechts „Herrn Keuner und dem hilflosen Knaben“ und bei Goethes Faust II („Wo fehlt´s nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld“).
Von Bertold Brechts Parabel lässt sich lernen, dass bei vielen Playern im Finanzwesen – in diesem Fall Herr Keuner – Betrug, Täuschung und Rechtsverletzungen zum Geschäftsprinzip gehören. 
Herr Keuner und der hilflose Knabe 
Einen vor sich hin weinenden Jungen fragte Herr Keuner nach dem Grund seines Kummers. Ich hatte zwei Groschen für das Kino beisammen, sagte der Knabe, da kam ein Junge und riss mir einen aus der Hand, und er zeigte auf einen Jungen, der in einiger Entfernung zu sehen war. Hast du denn nicht um Hilfe geschrien? fragte Herr Keuner. Doch, sagte der Junge und schluchzte ein wenig stärker. Hat dich niemand gehört, fragte ihn Herr Keuner weiter, ihn liebevoll streichelnd. Nein, schluchzte der Junge. Kannst du denn nicht lauter schreien? fragte Herr Keuner. Nein, sagte der Junge und blickte ihn mit neuer Hoffnung an. Denn Herr Keuner lächelte. Dann gib auch den her, sagte er, nahm ihm den letzten Groschen aus der Hand und ging unbekümmert weiter.
Eine sehr lebensnahe Geschichte. Schnell fallen einem Begebenheiten ein, bei denen mit betrügerischer Absicht und arglistiger Täuschung Gelder erbeutet wurden. Man denke nur an die EU-Fördergelder für die Anpflanzung von Olivenbäumen in Griechenland. Diese Bäume wurden in einer Menge gefördert, bei der man auch die Akropolis und die Ägäis hätte bepflanzen müssen. Von anderen Staaten mit vergleichbarer Nehmerqualität wird das Recht auf eine noch pfiffigere Weise gedehnt. Die der Korruption völlig unverdächtige Ex-Präsidentin Argentiniens, Cristina Kirchner, verbot, damit die grassierende Inflation in Argentinien anhand des Big-Mac-Index nicht mehr zu erkennen ist, einfach den Verkauf von Big Macs. Die Volkspartei Chinas besann sich zum Eindämmen der Aktienbaisse auf ein in Regimen bewährtes Vorgehen: Wer Aktien verkauft oder Aktienverkäufe auch nur empfiehlt, dem droht als Volksverräter das Gefängnis.  
Aber lässt sich deutschen Schülern mit dieser Parabel auch das komplexere Finanzgeschehen beziehungsweise die Finanzalchemie wie Verbriefungen vermitteln? Eher nicht. Schließlich war „Dusseldorf“ der Geheimtipp unter den ABS-Vertrieblern aus den USA. Dort fanden sie ihre Sweet Spots West-LB, Apobank und IKB. Aber eigentlich hat Goethes Faust II das Debakel um Geld und Inflation schon recht fachkundig beschrieben: Schließlich war der plötzliche Reichtum an Papiergeld, den Mephisto als neuer Narr seinem Kaiser verschafft, mit noch zu findenden und zu hebenden Bodenschätzen besichert. Zur Lehre über die von Finanzalchemie und Investmentbanken erzeugte Leere gibt es aber auch noch eine leichter verdauliche Geschichte als das epochale Faust-Werk. Heribert Prantl, Edelfeder der Süddeutschen Zeitung, zitiert diese aus der Kulturzeitschrift „Die Gazette“:       
Chuck kauft für 100 Dollar einen Esel. Das Tier stirbt vor der Lieferung. Chuck will sein Geld zurück, der Farmer hat es aber angeblich schon ausgegeben.
Nun will Chuck den toten Esel, um ihn zu verlosen. Verlosen? Ich sag‘ den Leuten einfach nicht, sagt Chuck, dass er tot ist. Einen Monat später trifft der Farmer Chuck wieder. Was aus dem Esel geworden ist? Ich hab‘ ihn verlost, 500 Lose zu zwei Dollar verkauft und 998 Dollar Gewinn gemacht.
Hat sich keiner beschwert? Nur der Kerl, der den Esel gewonnen hat. Dem habe ich seine zwei Dollar zurückgegeben … Die Erzählung endet mit der Anmerkung: „Heute arbeitet Chuck für Goldman Sachs." 
Und womöglich heißt Chuck eigentlich Lloyd Blankfein, der es dann bis zum CEO von Goldman Sachs und damit zum Profiteur von ganz vielen Dukateneseln – vulgo: Goldman-Sachs-Kunden – gebracht hat.
Die Moral von der Geschicht‘: Kauf einen toten Esel nicht! – und man sollte zur Finanzbildung wenigstens Zeitung lesen.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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