16. Oktober 2014

Breaking bad habits

Zahlreiche institutionelle Investoren haben laut einer Studie schlechte Angewohnheiten, wenn es darum geht, die Kapitalanlagen durch Höhen und Tiefen zu steuern. Was die Studienmacher kritisieren und welcher namhafte Investor vor dem jüngsten Kursverfall am Aktienmarkt gewarnt hat, erfahren Sie in diesem Text.

Eine der erfolgreichsten US-Fernsehserien der vergangenen Jahrzehnte trägt den Titel „Breaking Bad“, was sich mit „vom rechten Weg ­abkommen“ übersetzen lässt. Hauptfigur ist der an Krebs erkrankte Chemielehrer Walter White, der aus der Not heraus zum Drogen­fabrikanten umschult. Mit den üppigen Erlösen aus seinen Methamphetamin-Verkäufen will der Protagonist die von seiner Kranken­kasse nicht ­finanzierte, kostspielige Krebsbehandlung bezahlen. Mehr und mehr gerät der Hauptdarsteller auf die schiefe Bahn. Die Story strotzt vor schwarzem Humor und verleitet Kritiker zu Lobeshymnen. Inzwischen­ hat die Dramaserie 16 Emmys und viele andere Preise eingeheimst.

Doch nicht nur Serienhelden, wie Walter White oder die legen­däre Rockband „Bad Habits“, haben bemerkenswert miese Angewohn­heiten, sondern auch US-Pensionsfonds, die zu den wichtigsten Teilnehmern an den globalen Finanzmärkten zählen. In einer brand­aktuellen Untersuchung mit dem Titel „Asset Allocation and Bad ­Habits“ zeigen die Professoren Andrew Ang (Columbia Business School) und Amit Goyal (Université de Lausanne) in Zusammen­arbeit mit Antti Ilmanen (AQR Capital Management) anhand empirischer Belege, dass die Profis in der Kapitalanlage „schlechte Angewohn­heiten“ ­haben, die sie ausmerzen sollten.

Mit Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll hat die Studie freilich nichts am Hut; die Kritik richtet sich vielmehr an die Art und Weise, wie die ­Pensionseinrichtungen in der Kapitalanlage mit Trends und Peer-Gruppen-Vergleichen umgehen. So beklagen die  Studienmacher das prozyklische Anlageverhalten vieler Investoren. Sie seien Momentum-getrieben und hechelten Trends zu lange hinterher. Dabei ließen sie außer Acht, dass sich Trends in gewisser Regelmäßigkeit ­umkehren. Der Untersuchung liegen Daten von 573 US-Pensionsfonds zugrunde, deren durchschnittliches Anlagevolumen mit etwa zehn Milliarden US-Dollar beziffert wird. Die Studienteilnehmer verwalten satte 40 Prozent des Gesamtvermögens aller US-Pensionsfonds und halten immerhin vier Prozent der gesamten US-Aktienmarkt­kapitalisierung.

Prozyklisch ist problematisch
In ihrer Analyse haben sich die Autoren in erster Linie mit der strategischen Asset-Allokation der Pensionsvermögen beschäftigt und deren selbst gesetzte Anlageobergrenzen im Zeitablauf mit den ­tatsächlichen Gewichtungen verglichen. Demnach lag die durchschnittliche und gleichgewichtete Zielallokation im Untersuchungszeitraum zwischen 1990 und 2011 hauptsächlich auf Aktien (57 Prozent). 32 Prozent der Anlagegelder sollten im Rentenuniversum ­untergebracht werden, maximal neun Prozent waren für Alternatives gedacht. Und zwei Prozent sollten wiederum am Geldmarkt geparkt werden.

Interessanterweise haben die Studienmacher in einzelnen Phasen nennenswerte Differenzen von diesen Zielquoten verzeichnet. So wurde von den strategischen Anlagegewichten um die Jahrtausendwende deutlich abgewichen. Zur Erinnerung: Damals verzeichnete unter anderem der US-Aktienmarkt eine dynamische Hausse. Wie die Untersuchung zeigt, haben die Pensionseinrichtungen ihre Aktienquote im Jahr 1999 zunächst auf 61 Prozent hoch­gefahren, ­bevor sie diese im Jahr 2001 auf 46 Prozent drastisch stutzten. Ähnliches Spiel im Rentensegment zwischen 2004 und 2006, nur dass diesmal die Quote von zunächst knapp 33 auf 29 Prozent reduziert wurde, bevor sie schließlich im Jahr 2011 auf 35 Prozent wieder stieg.

Auf eine ebenso U-förmige Entwicklung der Allokation stießen die Wissenschaftler bei den Cashbeständen. Last but not least trafen die Forscher auch bei alternativen Investments im Zeitablauf eine ­zunächst sinkende ­Anlageobergrenze: Ende der 1990er Jahre haben die Pensionsfonds ihre Alternatives-Quote von zehn auf sechs ­Prozent ­reduziert, nur um sie 2011 auf 16 Prozent signifikant anzuheben.

Natürlich darf man auch in diesem Kontext nicht alle Pensions­einrichtungen über einen Kamm scheren. Zumal einige der Kapitalsammelstellen ihre Assets von Zeit zu Zeit rebalanciert haben, um ­beispielsweise die Aktienpositionen nach einem kräftigen Kurs­zuwachs auf das angestrebte Niveau zu reduzieren. Gleichwohl gibt es aber auch eine ganze Reihe von Pensionsfonds, die ihre Anlagequoten nicht den Marktgegebenheiten entsprechend neu ausrichten. Für die Forscher ergeben sich daraus die folgenden Schlussfolgerungen: ­Einerseits könnte man daraus ein unproblematisches Buy-and-hold-Verhalten ableiten. Andererseits repräsentiert eine solche Haltung nach Einschätzung der Studienmacher eine kritikwürdige „proaktive Renditejagd“.

Engstirnige Anleger
Amit Goyal, einer der Co-Autoren der Studie, fasst seine Beobachtungen unter den institutionellen Investoren so zusammen: „Ihr ­Verhalten ist kurzsichtig. Sie lassen die langfristigen Renditen einzelner Asset-Klassen außer Acht und handeln vielmehr von Jahr zu Jahr.“ Aus der empirischen Forschung wisse man aber, dass sich die ­Renditen nach drei bis fünf Jahren umkehren. Investoren sollten diese­ Erkenntnis in ihren Kapitalanlageprozessen berücksichtigen, so Goyal. Der an der Universität von Lausanne forschende Professor ist davon überzeugt, dass mancher Investor geradezu „engstirnig“ ist, wenn es darum geht, Entscheidungen rund um die Asset-Allokation zu treffen.

Seinem Rat zufolge sollten die Anleger Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung verstärkt berücksichtigen und weniger ­Gewicht auf historische Renditen legen. Wer eine Entscheidung in der Kapitalanlage treffen muss, der ist auf Vorhersagen im Hinblick auf Risiken und Renditen angewiesen, das weiß auch Goyal. Aber ­dieses Vorgehen komme dem Blick in eine Glaskugel gleich, und die habe man nun einmal nicht. Der Wissenschaftler empfiehlt Investoren ­daher, sich sowohl mit ökonomischen Prognosen auszurüsten als auch die jeweiligen Umstände in der eigenen Organisation zu ­berücksichtigen, beispielsweise wenn es darum geht, sich mit Wett­bewerbern zu vergleichen. Im Gegenzug sollte man sich nicht blind auf vergangene Renditen fokussieren. „Historische Renditen werden überbetont“, so seine Einschätzung.

„Sowohl Privat- als auch institutionelle Investoren jagen Renditen hinterher. Sie kaufen Assets oder mandatieren Asset Manager, die in der jüngeren Geschichte, aber auch langfristig erfolgreich waren. ­Vielen fehlt dann aber die Geduld, wenn sie mit einer mehrjährigen Phase­ der Underperformance konfrontiert werden“, argumentieren die Experten. Bereits in einer früheren Studie monierte Professor ­Andrew Ang, dass eines der größten Laster langfristiger Investoren im prozyklischen Investieren liege. Zwar spreche grundsätzlich nichts dagegen, Renditen hinterherzujagen, nur dürfe man die Investments dann nicht zu lange halten. Denn langfristig betrachtet tendierten die Märkte zur Mean Reversion. Als Ergebnis der Studie bleibt festzuhalten, dass viele Pensionsfonds mit ihrem prozyklischen Ansatz zum Nachteil der Organisation agieren. Die Studienmacher raten den ­Investoren, sich mit dieser und womöglich weiteren schlechten ­Angewohnheiten zu beschäftigen und ihre Vorgehensweise in der ­Asset-Allokation zu hinterfragen.

Rechtzeitig die Bremse treten
Eine weitere brandaktuelle Analyse widmet sich dem Aus­finanzierungsgrad der 100 größten Pensionspläne von US-Unter­nehmen, dessen Entwicklung mit Hilfe des Milliman 100 Pension Funding Index gemessen wird. Wie das US-Informationsportal „Pensions & Investments“ meldet, sank der Ausfinanzierungsgrad im ­August um 0,8 Punkte auf 84 Prozent. Bei den Autoren des Milliman-Reports führt man die jüngste Entwicklung einmal mehr auf das Umfeld niedriger Zinsen zurück. Denn nach Angaben von Co-Autor Zorast Wadia sank der Diskontierungssatz im August auf das historische Rekordtief von 3,89 Prozent. Durch den abermaligen Rückgang der Diskontierungsrate, die im Juli noch bei 4,1 Prozent lag, wuchs der Barwert der Pensionsverpflichtungen der 100 größten Pensionspläne um ­schlappe 46 Milliarden auf insgesamt 1,754 Billionen US-Dollar.

Während die Verpflichtungsseite den Unternehmen immer größere Bauchschmerzen bereitet, profitierten die Kapitalsammelstellen im August aber auch von sehr ordentlichen Erträgen am Kapitalmarkt. Wie Pensions & Investments vorrechnet, lag die Rendite binnen ­Monatsfrist bei 1,92 Prozent – der zweitbeste Anlagemonat im laufenden Jahr –, dadurch konnten die Kapitalanlagen auf ein Niveau von 1,46 Billionen US-Dollar gehievt werden. In den ersten acht Monaten haben die Kapitalanlagen bereits eine Rendite von im Schnitt 7,5 ­Prozent abgeworfen.

Unbestritten ist aber, dass der Ausfinanzierungsgrad erheblich unter Druck gerät, wenn insbesondere die Aktienmärkte eines Tages ihre jüngste Hausse beenden und zu Schwäche neigen. Beim California State Teachers‘ Retirement System, besser bekannt als Calstrs, beschäftigt­ man sich nach Jahren atemberaubender Kurszuwächse in jüngster Zeit wieder vermehrt mit dem Risiko fallender Notierungen. Chief ­Investment Officer (CIO) Christopher Ailman sieht bereits dunkle Wolken am Anlagehimmel aufziehen. In einer Rede vor dem Calstrs-Anlageausschuss ging er vor wenigen Tagen auf historische Performance-Daten ein, die bis in die 1930er Jahre zurückreichen. Anhand der Eckdaten des US-Aktienmarktes zeigte der CIO, dass ein durchschnittlicher Bull-Markt fünf Jahre dauert. Die aktuelle Hausse halte inzwischen 66 Monate an. Pensions & Investments zitiert Ailman vor diesem Hintergrund mit den Worten: „Eines Tages dreht sich der Spieß um.“ Er könne aber nicht sagen, wann das sein wird.

Das muss er auch nicht. Wichtig ist nur, dass er sich der drohenden Kurskorrektur bewusst ist und damit die „schlechten Angewohnheiten“ vieler Kollegen nicht teilt. Und darauf kommt es letztlich an.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 9/14

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