Immobilien
10. Januar 2014

Core mit Kratzern

Value-Add-Strategien waren nach der Finanzkrise für die meisten Immobilieninvestoren ein Schreckgespenst. Ihre Risiko­aversion und Suche nach stetigen Cashflows trieb sie in Core. Doch Core-Objekte zu angemessenen Konditionen­ sind inzwischen Mangelware. Das beschert den risikofreudigeren Immobilienstrategien ein Comeback.

Himmelpfort steht zur Weihnachtszeit Kopf. Bis zum 24. Dezember­ landen säckeweise Wunschzettel in der Postfiliale des kleinen­ Örtchens in Brandenburg, der als Zentrale des Weihnachtsmannes gilt. Etwa 292.000 Briefe waren es im vergangenen Jahr. Tablets,­ Smartphones, Bücher, Spielzeug oder Kleidung – die Wünsche sind vielfältig. Falls institutionelle Immobilieninvestoren Wunschzettel schreiben würden, dann würde sich dort wohl unter anderem­ Folgendes finden: Core-Immobilie zu angemessenen Konditionen. Genau diese sind inzwischen Mangelware. „Core ist allein deshalb­ teuer, weil es jeder jagt“, bringt es Immobilien-­Consultant Stephan Kloess auf den Punkt. Doch teuer ist relativ. Es hängt stark davon­ ab, welche Renditeerwartung der Investor an ein Core-Objekt stellt und in welchem Verhältnis die Mieten und Mietentwicklung auf dem Nutzermarkt zum Preis stehen. „Wenn man mit Renditen zwischen­ vier und fünf Prozent zufrieden ist, dann lassen­ sich auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich Objekte­ an guten Standorten finden“, erklärt Robert Stolfo, Geschäftsführer bei Invesco Real Estate. Allerdings warnt er: „Auch hier besteht durchaus ein Risiko. Denn man lebt stark vom Spread. Wenn es zu Bewegungen beim Zins kommt, wirkt sich das auf die Immobilie aus und es kommt möglicherweise zu einem Wertrückgang. Immobilien, die nur einen Mieter mit sehr langer Vertragslaufzeit haben, reagieren besonders sensitiv auf den Zinsanstieg.“ 

Die Risikoskala nach oben

Renditen um die vier Prozent sind allerdings nicht das, was die Mehrheit der Anleger sucht. Laut dem diesjährigen Trend­barometer von Ernst & Young Real Estate erwartet beispielsweise die deutsche Assekuranz von ihren direkten Immobilieninvestments eine Rendite von 4,9 Prozent, für indirekte Investments sind es noch 0,6 Prozentpunkte mehr. „Es gibt Investoren, die fünf Prozent aufwärts suchen“, bestätigt Stolfo. „Die Risikobereitschaft hat zugenommen. Wir sind weg von der Phase 2009 bis 2011, als nur ganz sicherheitsorientierte Strategien platziert werden konnten“, fügt er hinzu. Die erhöhte Risikobereitschaft bezieht sich laut Robert Stolfo auf immo­bilienspezifische Risiken: „Investoren sind bereit, fundamental an einer Immobilie zu arbeiten. Sie wollen kein Financial Engineering.­“ Für Kloess ist es höchste Zeit für ein Umdenken der Investoren hin zu mehr risiko­adjustierten Investitionen. Seines Erachtens ist die klassische Core-Strategie überdenkenswert: „Wenn ich in Core investiere, zahle ich die Arbeit, den Wert und die geschaffene Sicherheit des Verkäufers. Die Gefahr besteht jedoch, dass man sich einer Illusion hingibt. Denn jeden Tag wird der Zustand des Objektes einen Tag schlechter,­ der Mietvertrag kürzer, und man entfernt sich vom Core-Status. Warum agiert man ­also nicht genau umgekehrt? Bei Nicht-Core-Objekten kennt man die Herausforderungen, zahlt einen risikoadjustierten Preis und kann das Objekt zu Core entwickeln und sich dann entscheiden, ob eine Materialisierung zum richtigen Zeitpunkt erfolgen soll.“  

Dass Investoren bereit sind, die Risikoskala nach oben zu klettern, hat auch Dr. Christoph Schumacher, Geschäftsführer bei Union Investment­ Institutional Property, beobachtet: „Wir sind vermehrt von Investoren angesprochen worden, ob wir nicht einen Refurbishment-Fonds auflegen wollen. Derzeit sind wir noch in der Abwägung.“ Neuland würde der Immobilienarm des Asset-Management-Hauses damit jedenfalls nicht betreten. In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Projekte durchgeführt. Ein Beispiel ist das ehemalige Unileverhaus in Hamburg, das inzwischen Emporio heißt und 2009 komplett renoviert und revitalisiert wurde. „Wir haben das Potenzial des gut 50 Jahre alten Gebäudes mit seiner Top-Lage gesehen, allerdings musste viel gemacht werden. Es wurden zum Beispiel das Areal mit einer zusätzlichen­ Hotel- und Wohnbebauung verdichtet, zwei zusätzliche Stockwerke und ein zusätzliches Tiefgaragendeck ergänzt. Heute ist das Objekt gut und vielfältig vermietet“, so Schumacher. „Repositionierungen sind nicht unser Kerngeschäft, das machen wir mit Partnern“, fügt er hinzu. Im Fall Unileverhaus war dies Hochtief.

Gothaer: Value-Add in Asien

Bestätigung findet Schumacher in verschiedenen Studien. So hat beispielsweise das diesjährige Trendbarometer „Immobilienanlagen der Assekuranz“ von Ernst & Young Real Estate herausgefunden, dass drei Viertel der befragten Versicherungen mit einem durchschnitt­lichen Immobilienvermögen von 2,6 Milliarden Euro in Core-Plus-Anlagen investieren wollen, 45 Prozent in Value-Add-Anlagen. „Aller­dings nicht unbedingt, um bessere Renditen zu erzielen, sondern um überhaupt in Immobilien investieren zu können“, merkte Dietmar ­Fischer, Partner bei Ernst & Young Real Estate, an. Ob auch die ­Gothaer an dieser Umfrage teilgenommen hat, ist nicht bekannt. Die in Köln ansässige Versicherung, deren Immobilienquote bei im Vergleich mit den Wettbewerbern ansehnlichen acht bis zehn Prozent liegt, setzt ­bereits auf Value-Add-Strategien. „Pro Jahr haben wir einen Anlage­bedarf zwischen 150 und 200 Millionen Euro. Wir sind also immer auf der Suche nach attraktiven Investments“, erklärt Ingo Bofinger, Abteilungsleiter Real Estate bei der Gothaer Asset Manage­ment.

Die Strategie, die er im Immobilienportfolio verfolgt, ist zwei­geteilt. „In reifen Märkten, wie Europa, wo die Wachstumsaussichten gering sind, wollen wir laufende Erträge. In Asien, einem Markt mit guten Wachstumsaussichten, wollen wir hingegen den Wertzuwachs mitnehmen und setzen auf Value-Add-Strategien. Hier suchen wir die Möglichkeit, Immobilien, die nicht gut gemanagt sind, zu Core zu machen“, erläutert er. Oftmals seien es High-Net-Worth-Investoren, die Objekte verkaufen, an denen kaum Managementleistungen ­erbracht wurden. „Diese Investorengruppe hat sich nicht um Miet­ersatz und Instandhaltung in ihren Objekten gekümmert. Wir nehmen bewusst in Kauf, dass die Mietverträge nur zwei bis drei Jahre sind, dann bekommt man diese Objekte zu sehr attraktiven Preisen und hat die Möglichkeit, sich ein Konzept zu überlegen“, erläutert ­Bofinger. Die Maßnahmen, die an einer solchen Immobilie vorzunehmen sind, sind vielfältig. Es reicht von der einfachen Lobby-Renovierung bis hin zu einer kompletten Umnutzung. Die Gothaer hat hierbei keine Vorlieben und deckt das komplette Spektrum ab. Einschränkungen macht Bofinger nur in einer Hinsicht: „Das Objekt darf keinen Makel bei der Lage haben. Ein Bürogebäude muss zum Beispiel im Geschäftsviertel liegen mit guter Anbindung an die öffentlichen Verkehrssysteme.“ Zudem geht der Versicherungskonzern nur in entwickelte Märkte, wie Japan, Singapur, Hongkong sowie die chinesischen Städte­ Shanghai und Beijing. Hier spielt auch das Währungsrisiko nur eine untergeordnete Rolle, da diese Märkte eine starke Korrelation zum Dollar haben, den die Gothaer hedgt. „Die Risiken bei diesen Value-Add-­Strategien sind nicht unbedingt die Währung, die haben wir im Griff. Viel entscheidender ist es, den Standort richtig zu beurteilen und Experten­ vor Ort zu haben, die das Budget korrekt planen. Unser Schwerpunkt ist es deshalb, die Manager und ihre Expertise zu prüfen, um festzustellen, ob sie ein Konzept auch tatsächlich in die Tat umsetzen können“, erläutert Bofinger. Diese Einschätzung teilt auch Robert Stolfo: „Das größte Risiko ist, kein Verständnis oder direkten Zugang zum Markt zu haben. Wenn man zum Beispiel von Frankfurt aus eine Manage-to-Core-Strategie für Paris, London oder Madrid ­umsetzen will, geht das meist schief. Ist man jedoch in dem Markt fest verankert und hat einen permanenten Zugang, hat man auch die Immo­bilienrisiken im Griff.“

Geduld ist eine Tugend

Geduld ist eine Tugend, das gilt insbesondere für Value-Add-­Strategien. Welchen Zeitraum Investoren einplanen müssen, um eine Immobilie in Core zu verwandeln, ist jedoch unterschiedlich. Es hängt stark vom jeweiligen Objekt und den Maßnahmen ab, die ergriffen werden müssen. Consultant Stephan Kloess versucht dennoch eine­ Abgrenzung: „Bei einer Projektentwicklung müsste ein Investor rund drei Jahre mitbringen, in denen kein Cashflow fließt. Bei Value-Add müsste die Phase entsprechend kürzer sein.“ Doch gerade für Ver­sicherungen, die stetige Erträge benötigen, sind Entwicklungen, also mehrere Jahre ohne Cashflow, nur eine begrenzte Alternative in der Allokation. „Lebensver­sicherer brauchen den Cashflow. Das hält einige von diesen Strategien ab. Man könnte allerdings eine Mischkalkulation machen, um dieses Problem zu umgehen“, berichtet Schumacher. An einem Beispiel macht er die Vorgehensweise deutlich: „In unserem Hotelfonds haben wir mit Bestands­immobilien, wie den ­Motel-One-Hotels in München, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart mit 25 Jahren Mietvertragslaufzeit und guten Cashflows begonnen. Nun werden wir den Investoren des Fonds auch Projektentwicklungen im Wege des Forward Purchase vorstellen.“­

Auch die Gothaer achtet bei ihrem asiatischen Value-Add-Portfolio darauf, dass ein stetiger Ertrag fließt. Bofinger erklärt: „Oftmals ist der fehlende Cashflow ein Problem. Wir versuchen, durch eine intelligente­ Portfoliozusammensetzung mindestens vier Prozent zu erzielen. Das asiatische Portfolio ist also so gestrickt, dass ein laufender Ertrag­ von mindestens vier Prozent erfüllt ist. Der Total Return liegt bei elf bis 13 Prozent. Das heißt, 60 bis 70 Prozent der Rendite kommt aus der Wertsteigerung.“ Etwas bescheidener­ als in Asien sehen die Renditeerwartungen für Value-Add-Strategien in etablierten europäischen Märkten aus. „Je nach Markt und Objektrisiko kann man Renditen in einer Spanne zwischen sechs und zehn Prozent ­erzielen“, erklärt Invesco-Geschäftsführer Stolfo. Ähnlich schätzt Union-­Geschäftsführer Schumacher das Renditeniveau für „Core mit Kratzer“-Strategien ein: „Falls wir den von Investoren gewünschten Refurbishment-Fonds auflegen, müsste man die Rendite bei mindestens sieben Prozent ansiedeln. Das Risiko ist einfach höher. Noch sind wir aber in der Findungsphase mit den Investoren.“

 
Mut wird belohnt

Dass diese Zahlen nicht bloß reines Wunschdenken, sondern tatsächlich realisierbar sind, hat die Gothaer bereits erlebt. Immerhin hat die Gothaer in Asien bereits einen Zyklus hinter sich gebracht. „Wir haben 2006/07 einen ersten Fonds mit dieser Ausrichtung gezeichnet. Dieser hatte auch in der Krise zweistellige Renditen. Im Nachhinein war das vielleicht ein Stück weit mutig, es hat sich aber ausgezahlt“, erinnert sich Bofinger. Mit 13 bis 15 Prozent macht Asien inzwischen einen nicht unerheblichen Teil des Immobilienportfolios der Gothaer aus. Seiner Erfahrung nach braucht es zwischen fünf und acht Jahren, bis eine Value-Add-Strategie vollständig umgesetzt ist. Sobald­ die Immobilie den Core-Status erreicht hat, wird sie verkauft. „Wir wollen die Immobilien nicht behalten“, führt Bofinger aus. So klar sich die Gothaer gegen ein Buy-and-Hold für ihre asiatische Value-­Add-Strategie entschieden hat, dürften sich jedoch nicht alle Investoren tun. Immobilien-Consultant Kloess weist darauf hin: „Sobald das Objekt Core ist, stehen Investoren vor einem Zielkonflikt. Natürlich kann man Core-Objekte derzeit gut verkaufen. Doch was macht man mit dem frei werdenden Geld?“ Insbesondere bei Core-Immobilien in europäischen Metropolen dürfte die Entscheidung schwerfallen. „Hier hilft der Blick auf Mietentwicklungen, Einschätzung des Zyklus und eine Haltung zur wirtschaftlichen Entwicklung“ ergänzt Kloess.           

Nicht nur Versicherer, wie die Gothaer, haben Value-Add-Strategien­ für sich und ihre Immobilienportfolios entdeckt, sondern auch Altersvorsorgeeinrichtungen. Ein Beispiel ist die 2,5 Milliarden Euro schwere­ Sächsische Ärzteversorgung, deren Immobilienquote Ende 2012 14,3 Prozent betrug und noch weiter ausgebaut werden soll. Im vergangenen Jahr beschlossen die Mitglieder des Verwaltungsausschusses, ­zusätzlich zu den zwei bestehenden Individualfonds noch einen dritten Spezialfonds aufzulegen. „Das erste Mandat dieses Immobilien-­Masterfonds soll vorrangig in deutsche Gewerbe- und Wohnimmobilien­ im Bereich ‚Value-Add‘ investieren“, heißt es in einer Mitglieder­information. Dabei sollte es allerdings nicht bleiben. Im Herbst dieses Jahres hat das Versorgungswerk ein Mandat an Internos Global Investors vergeben, das über eine Value-Add-Strategie in europäische Hotel­immobilien investieren soll. Dieses Mandat ist mit 100 Millionen Euro­ Eigenkapital und einer Fremdkapitalquote von 50 Prozent ausgestattet. Anders als die Gothaer bleibt die Sächsische Ärzteversorgung mit ihrer Value-Add-Strategie in Europa. Ähnlich sieht hingegen der Plan für das Ende der Core-Entwicklung aus: Verkauf. „Strategisches Ziel ist es, diese Immobilien zum Beispiel durch Renovierung oder Revitalisierung und Mieterwechsel neu im Markt zu positionieren und signifikante Wertsteigerungen zu erzielen, die über den Verkauf der Objekte­ nach erfolgreicher Umsetzung der Maßnahmen realisiert werden“, heißt es in der Mitgliederinformation.
 
Die Sächsische Ärzteversorgung hat für sich definiert, was sie unter­ Value-Add versteht: „Value-Add bezeichnet Investitionen in unterbewertete Märkte und Objekte.“ Eine feste Definition für Value-Add oder Core gibt es jedoch nicht. „Je nach Land, Sektor und Zyklus ist die Einordnung in die Investmentstile verschieden. Die Kriterien für die Einordnung sind dynamisch. Beispielsweise gibt die Höhe der ­Anfangsrenditen einen Hinweis auf die Risikoeinschätzung der ­Investoren. Logistikimmobilien in der Peripherie mit einer erstklassigen Infrastruktur sind Core, wogegen für Wohnimmobilien andere Lagekriterien gelten. Einstufungen im kommerziellen Bereich haben auch etwas mit Mieterdiversifikation und Länge der Mietverträge zu tun. Darüber hinaus gilt es, die Größen der Flächen zum relativen Markt im Blick zu haben“, erläutert Kloess. Letztendlich bricht der Consultant es auf einen entscheidenden Punkt runter: „Core ist keine Arbeit, Value-Add ist Arbeit.“

portfolio institutionell, Ausgabe 12/2013

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