Schwarzer Schwan
24. August 2012

Das Kreuz des Südens

Erfahren Sie in dieser Ausgabe des Schwarzen Schwan der Woche, was man von einem spanischen Fußballpräsidenten in Sachen Finanzierungstaktik so alles lernen kann.

Korruption, Verschwendung, politische Seilschaften, Vetternwirtschaft und zur Krönung ein aufgeblähter öffentlicher Sektor in dem Ahnungslose eine fürstliche Apanage einstreichen, auf den Feierabend und den Ruhestand warten und ihrem Wohltäter die Wiederwahl sichern: Diese Melange bezeichnete der Spiegel neulich treffend als das “wahre Kreuz des Südens” und zitierte die dazu passende Frage eines griechischen Politikers an einen Bürger, der sich an ihn mit einem Baugesuch wandte: „Wie viele Stimmen bringt deine Familie?“
Dass in einem solchen Umfeld natürlich auch die freie Wirtschaft leidet, kann nicht überraschen. Laut Spiegel sei für die Mafia, die zusammen mit ihren Schwesterorganisationen ´Ndrangheta und Camorra vor dem staatlichen (!) Ölkonzern Eni das größte italienische Unternehmen ist, in Sizilien heute nichts mehr zu holen. Längst habe man die Aktivitäten nach Norditalien verlegt.
Von der wirtschaftlichen Krise bleibt in den Südländern auch das Unternehmen mit der laut FAZ besten Bonität Spaniens nicht verschont. Die staatliche Lotterie Loterias y Apuestas del Estado musste im vergangenen Jahr ihren Börsengang abblasen. Damit gingen dem klammen Staat dummerweise Milliardenerlöse zur Schuldenbegleichung flöten. Von dem abgesagten IPO profitieren nun aber wenigstens die von der Insolvenz bedrohten spanischen Regionen Katalonien, Valencia und Murcia. Diese können einen Liquiditätsfonds anzapfen, der zu einem Drittel mit einem Vorschuss (!) auf die künftigen Lotterieeinnahmen besichert ist. Wenigstens dieses Drittel dürfte sicher sein. 
Ein Sinnbild der iberischen Misere sind aber auch die dort ansässigen Fußballklubs. Kreditfinanziert von den Caixas wurden aberwitzige Millionensummen in Fußballprofis investiert. Indirekt finanziert werden die Clubs aber auch über den Staat: Die 20 Clubs der Primera División stehen gemäß der Universität Barcelona mit 1,3 Milliarden Euro an Steuer- und Sozialversicherungsschulden in der Kreide. Alle Ligen eingeschlossen haben die Vereine Verbindlichkeiten in Höhe von fünf Milliarden Euro.
Überlegungen, den Clubs die Schulden zu erlassen, machen Sinn. Denn insgesamt sollen allein die Rückstände 3,5 Milliarden Euro betragen – und Pleiten von Fußballvereinen würden die schon durch den implodierten Immobiliensektor überaus strapazierten spanischen Sparkassen noch weiter belasten. Sinnvoll wäre es also, wenn auch Fußballvereine direkt auf den Euro-Rettungsschirm zugreifen könnten. Aber das sind nur Gedankenspiele.
Das personifizierte Sinnbild der iberischen Misere ist der leider viel zu früh verstorbene Baulöwe, Fußballpräsident, Bürgermeister und Chef der GIL-Partei Jesús Gil y Gil. Dieser sorgte für manchen schwarzen Schwan. In seiner 16-jährigen Amtszeit als Präsident von Atlético Madrid verschliss er nicht weniger als 26 Trainer, davon sechs in einem Jahr. Einmal führte er beim Stadionbesuch am Spieltag ein Krokodil an der Leine. Den Kauf eines im Falklandkrieg eingesetzten Flugzeugträgers begründete er damit, dass er noch keinen hatte. 1991 wurde der Atlético-Präsident dann Bürgermeister von Marbella. Auch wenn er im Rathaus selten zu sehen gewesen sein soll, war er recht umtriebig. So soll er als kreditgebender Bauunternehmer sich selbst als Fußballpräsident mit Hilfe seiner Unterschrift als Bürgermeister Werbung für die Stadt Marbella auf den Trikots von Atlético vermittelt haben.
Tikitaka – der gebräuchliche Begriff für die Ballstafetten der spanischen Nationalmannschaft, das sich auch mit dem lateinischen „do ut des“ übersetzen lässt – stellte für Gil y Gil damit keine Fußballtaktik sondern ein Finanzierungsspiel dar. Solche Deals sind typisch für das wahre Kreuz des Südens. Gil y Gil soll aber auch bereits 2001 visionär einen Ausweg aus der Misere gewiesen haben: In seiner Funktion als Bürgermeister von Marbella forderte er nicht nur die Unabhängigkeit des Schickimicki-Orts an der Costa del Sol. Er plädierte auch für eine eigene Währung: den „Gil“.
Die Redaktion von portfolio institutionell wünscht Ihnen ein sonnenreiches Wochenende. Egal, ob auf der iberischen Halbinsel oder auf dem Weg zur örtlichen Lottoannahmestelle.
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert