Schwarzer Schwan
31. Januar 2014

Denn eins ist unsicher – die Tierarzt-Rente

Geldmangel oder Prinzipien befreien nicht von der Pflicht, in sein Versorgungswerk einzuzahlen. Ansonsten muss man mit den Konsequenzen leben.

Die große Koalition und ihre Rentenpläne geistern bereits seit Wochen durch den Pressewald. Vor allem Mütter, Geringverdiener und 63-Jährige sollen besser gestellt werden. Die Altersvorsorge der freien Berufe ist nicht davon betroffen. Warum auch? „Verlässlich und generationsfest“, „wirtschaftlich und subventionsfrei“ – mit diesen Attributen wirbt die Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungseinrichtungen (ABV) auf ihrer Homepage für ihre Zunft. Doch gänzlich sorgenfrei sind auch die Altersvorsorgeeinrichtungen nicht. Nicht genug, dass ihnen das anhaltende Niedrigzinsumfeld die Laune und Rendite verhagelt. Auch so manch Mitglied bereitet Ungemach. So gibt es in Westfalen doch tatsächlich einen Tierarzt, der seit Jahren seine Beiträge nicht zahlt. Wo soll das hinführen, wenn das jeder machte? Verdienen Tierärzte kein Geld? Was muss man tun, um die Einnahmen der Tierärzte zu verbessern? Regelmäßige Wurmkuren, Einläufe, Massagen, Wellness und Yoga-Kurse für das liebe Vieh? Tierschützer und Veterinärmediziner hätte ihre helle Freude.
In besagtem Fall wählte die zuständige Tierärztekammer jedoch einen anderen Lösungsansatz. Man untersagte seinem Mitglied einfach die Eröffnung einer Zweitpraxis. Genau das hatte der Tierarzt aus Westfalen nämlich im August 2007 getan. Die Begründung: Als Angehöriger eines freien Berufs war der Tierarzt so frei, seinem Versorgungswerk Beiträge in Höhe von mehr als 90.000 Euro vorzuenthalten. Umgerechnet wären dies – bei 2.500 Euro Rente pro Monate – immerhin drei Jahre.
Was der Tierarzt mit den nicht gezahlten Beiträgen macht? Das ist nicht überliefert. Hat er keine Kohle oder zahlt er aus Prinzip nicht in die Kasse ein? Für ersteres spricht, dass Tierärzte tatsächliche arme Schweine sind. Das Durchschnittsgehalt für angestellte Tierärzte soll in den alten Bundesländern bei lediglich 2.500 Euro liegen, in den neuen sogar nur bei 2.000 Euro brutto – unabhängig von der Anzahl der Berufsjahre. Da besagter Tierarzt jedoch eigenständig ist, dürfte der Grund anderer Natur sein. Vielleicht glaubt er einfach nicht an Norbert Blüms einst getätigte Beteuerung „Die Rente ist sicher!“ – auch wenn er damit nicht die Versorgungswerke gemeint hat – und auch nicht an die neueren Bekundungen des ABV, wonach „Kein Versorgungswerk wackelt“, und hortet sein Geld lieber wie ein Eichhörnchen in seinem Kobel – unterm Bett – für kalte, magere Tage. Vielleicht hat er auch einfach zu viel in Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ gelesen.
Aller guten Dinge sind drei – oder auch nicht  
Es kam, wie es kommen musste – zu einem jahrelangen Rechtsstreit. In seinen Grundrechten verletzt sah sich der Tierarzt zum Gang vor den Kadi genötigt. Zunächst versuchte er sein Glück beim Verwaltungsgericht Münster – ohne Erfolg. Er ist seinen Berufspflichten nicht nachgekommen, urteilte der zuständige Richter im März 2009. Dazu gehöre eben nicht nur das Heilen kranker Tiere, sondern auch die „ordnungsgemäße Entrichtung der Sozialabgaben einschließlich der Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung“. Auch eine Instanz höher, beim Oberveraltungsgericht Münster, hatte der Kläger kein Glück. Im Juni 2012 wurde die Klage mit selbiger Begründung zurückgewiesen.
Aufgeben scheint für den westfälischen Tierarzt jedoch ein Fremdwort zu sein. Einsichtig wie ein gereiztes Nashorn sah er sich nach wie vor seiner grundrechtlich garantierten Berufsausübungsfreiheit beraubt und zog vors Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sein langer Atem wurde jedoch nicht belohnt. Ende 2013 hat das Gericht als dritte Instanz nun die Revision des Klägers abgeschmettert. Das Urteil: „Die (…) Auslegung und Anwendung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht stehen im Einklang mit Verfassungsrecht. Der Zustimmungsvorbehalt in der Berufsordnung und die darauf gestützte Versagungsentscheidung der Beklagten verletzen den Kläger nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit.“
Und was ist die Moral von der Geschicht‘? Prell dein Versorgungswerk nicht!  
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein sorgenfreies Wochenende.

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