Immobilien
2. Juli 2015

Der erste Spatenstich

Investoren brauchen schweres Gerät und tiefe Taschen, wenn sie stillgelegte Industriegebiete in Wohnquartiere umbauen wollen. In Ballungsgebieten gehören solche Projekte aber längst zum Ortsbild: Immer mehr Pensionseinrichtungen treiben Bauvorhaben zwecks späterer Vermietung voran. Daneben zeigen sie Interesse an reinen Projektentwicklungsfonds.

Denken Sie auch manchmal darüber nach, in alternative Anlageklassen zu investieren – und tun es dann doch nicht? Der Grund, ­weshalb „Alternatives“ in vielen Portfolien ein Nischendasein fristen oder erst gar nicht in Betracht gezogen werden, liegt nach Einschätzung von Dr. Uwe Siegmund, Chief Investment Strategist der R+V-Versicherung, nicht nur an der Regulato­rik oder den Eigenschaften der Anlagen, sondern auch am fehlenden Detailwissen der Anleger. Know-how ist demnach der limitier­ende Faktor. Somit bleibt manche ­attraktive Diversifikationsmöglichkeit ungenutzt. Wenn Know-how der Engpassfaktor ist, macht es laut Siegmund durchaus Sinn, in Anlage­klassen zu investieren, die direkt an die bereits vorhandenen Kapitalanlagen angrenzen. Investoren mit ­Expertise im Renten­bereich könnten sich beispielsweise auch mit Hochzins­anleihen auseinandersetzen. Der Argumentation folgend könnten Aktionäre mit Erfahrung bei Blue Chips ihr Anlagespektrum auf die Aktien aus der zweiten oder dritten Reihe erweitern. Und wer bereits mit Immobilien Erfahrungen ­gesammelt hat, für den ist der Schritt in Richtung Immobilien­projektentwicklung denkbar. Auch hier sei die Know-how-Differenz nicht allzu groß, weiß Siegmund.

Jeder Eigentümer kennt das Problem: Im Lebenszyklus einer ­Immobilie steht irgendwann eine ­Optimierung oder Neuausrichtung an. Nur so lässt sich der langfristige Ertragswert sichern und im ­Idealfall auch steigern. Leerstehende Bürotürme und Fabriken in den prosperierenden ­deutschen Ballungsgebieten und nicht länger ­genutzte Areale der Deutschen Bahn sind geradezu ­prädestiniert ­dafür, von Grund auf neu gestaltet zu werden. Glaubt man neuesten Statistiken, dann verzeichnet der Markt für Projektentwicklungen gerade einen kräftigen Aufschwung. Erst kürzlich hat das Beratungs- und Analyseunternehmen Bulwiengesa die rund 3.440 Immobilienprojektentwicklungen in den deutschen Topmetropolen von 2012 bis 2019 in einer Studie untersucht. Den ­Ergebnissen nach zu urteilen, sind in besagtem Zeitraum mit 112 ­Milliarden Euro über zwölf Milliarden mehr im Projektentwicklermarkt „aktiviert“ als im Ergebnis der Vorjahresstudie (Untersuchungszeitraum 2011 bis 2018).

Die skizzierte Entwicklung wird von Branchenvertretern wie ­Rüdiger Schulz bestätigt. Nach ­Einschätzung des Geschäftsleiters der Hochtief-Projektentwicklung sollten aber nur Investoren mit nennens­werter Fachkenntnis in dieses Segment investieren. „Denn die ­Projektentwicklung ist und bleibt besonders risikobehaftet“, wie er betont. Als ­klassischer Hochbau-Entwickler verfolgt die Tochter der Essener Hochtief AG die Schwerpunkte Büro- und Wohnimmobilien. Hin und wieder ­entwickelt man aber auch mal ein Hotel. Mehr als 186 Projekte mit einem ­Investitionsvolumen von etwa 6,7 Milliarden ­Euro haben das Unternehmen in über 20 Jahren zu ­einem inter­national führenden Projektentwickler gemacht.

Gegenüber portfolio institutionell gibt Rüdiger Schulz einen Einblick, wie er das unternehmerische Risiko einschätzt und wie ihn das von einem institutionellen Investor unterscheidet: „Es gibt ­Investoren, die ­kaufen bei uns eine laufende Projektentwicklung. Der Investor konzipiert die Verträge dann meistens so, dass er keine Risiken trägt, sondern die Risiken bei uns verbleiben“, erläutert Schulz und ergänzt: „Wenn der ­Investor allerdings wünscht, Risiken in der Vermarktung zu über­nehmen und uns anbietet, die Vermietung selbst zu über­nehmen, oder gemeinsam mit uns durchzuführen, dann hat er auch Chancen auf eine höhere Rendite. Daneben gibt es aber auch Projektentwicklungsfonds, die unser Eigenkapital ersetzen. Für uns hat das den Charme, dass es unser Eigenkapital ersetzt, da wir intern eine ­hohe Zinserwartung haben.“

Ausschließlich Eigenkapital
Grundsätzlich muss man zunächst unterscheiden zwischen ­lupenreinen Projekt­entwicklungsfonds, die diversifiziert in Wohnbauprojekte investieren, diese sukzessive und wertschöpfend abarbeiten und die entwickelten Objekte anschließend verkaufen, und institutionellen Investoren, deren Ziel es ist, Wohnbauprojekte mithilfe Dritter zu entwickeln, um die Wohnungen im Anschluss langfristig selbst zu vermieten. So handhabt es manches­ berufsständische Versorgungswerk. Versorgungswerke, die Projektentwicklungen selbst von der Pike auf durchführen, gibt es bis dato nach Einschätzung ­eines Branchenkenners nicht.

Nach Angaben von Jürgen Uwira, Geschäftsführer der auf institutionelle Immobilieninvestments spezialisierten Project Real Estate Trust, sind zunehmend auch Joint Ventures zwischen Bauträgern und institutionellen Investoren zu beobachten, die über die Zusammen­arbeit bei einem reinen „Forward Deal“ für eine zu erstellende Immobilie hinausgehen. Das heißt, der Investor sucht gezielt nach Chancen in der Projektentwicklungsphase. Beispielhaft verweist man bei der ­Project-Gruppe, die als Bauträger nun erstmals institutionellen Investoren die Möglichkeit bietet, sich an Immobilienentwicklungen zu ­beteiligen, auf einen hauseigenen Fonds. Für diesen konnten sechs deutsche Investoren als Kapitalgeber gewonnen ­werden. Sie steuern jeweils zwischen zehn und 20 Millionen Euro bei und investieren in ein Bündel von mindestens sieben bis acht ­Projekten. Bislang ­wurden fünf Objekte angekauft. Namen will man nicht preisgeben, sondern nur so viel, dass es sich bei den Geldgebern des geschlossenen ­Spezial-AIF „Vier-Metropolen“ um drei ­Versicherungen, zwei Versorgungswerke und eine Pensionskasse handelt. Alle sechs gelten nach ­Angaben von Jürgen Uwira als sehr ­erfahren – gerade im Bereich der Immobilienanlage. Sie sind ­Kommanditisten einer Investment-KG und beteiligen sich an dem ­geschlossenen Fonds der Project-Gruppe. Dieser errichtet ausschließlich mit Eigenkapital Wohnungen, die ­zügig an ­Kapital­anleger und Selbstnutzer verkauft ­werden.

Acht Prozent sollen drin sein
Der Verzicht auf Fremd­kapital hat einen wertvollen Neben­effekt: Beim Wettlauf um Topobjekte, wie er heute an der Tages­ordnung ist, muss nicht auf die Freigabe geldgebender Banken gewartet werden. Die einzelnen Projektentwicklungen werden, und hier geht es wieder sehr ins Detail, neben dem vorhandenen Eigen­kapital auch durch die Kaufpreisraten der Immobilien­käufer finanziert; Uwira bezeichnet das als internen Finanzierungshebel. Mit dem Abverkauf der Eigentumswohnungen fließt das Geld peu à peu an die Investoren zurück. Die Renditeerwartungen liegen auf Investorenebene­ bei acht Prozent per annum. Die Project-Gruppe behält sich derweil erfolgsabhängige Gebühren vor, allerdings greifen diese erst jenseits der Acht-Prozent-Marke. Interessanterweise fällt die Projektentwicklung prinzipiell nicht unter die Immobilienquote. Der Project-Fonds ist sicherungsver­mögensfähig, was für viele Anleger von großer Bedeutung ist. Die Caceis Bank Deutschland fungiert als Verwahrstelle. Diese ist mit dem neuen Kapitalanlage­gesetzbuch nun auch für die sogenannten Sachwertefonds erforderlich.

Die Laufzeit des hauseigenen Projektentwicklungsfonds beziffert Jürgen Uwira auf fünf bis sechs Jahre. Investiert wird, sobald die ­Investoren die notwendigen Kapitalzusagen gemacht haben; vorab hat das Unternehmen schon ein, zwei Projekte vorselektiert, die der Fonds zu Beginn der Laufzeit kaufen kann. Die Gelder werden nach und nach abgerufen, sobald die Grundstücke allokiert wurden. Ein ­latentes Problem im Neubaubereich ist freilich die fünfjährige ­Gewährleistungsfrist des Bau­trägers, der beispielsweise Eigentumswohnungen an Endnutzer ­verkauft. Erst wenn diese Phase „überstanden“ ist, kann sich das ­Unternehmen zurücklehnen. Seine Investoren hält die Project-­Gruppe aber aus der Problematik heraus, das geht, indem man die Gewähr­leistungspflicht auf die eigene Kappe nimmt.

Danach befragt, wie er die aktuelle Nachfrage im Immobilien­sektor empfindet, entgegnet Uwira: „Grundsätzlich hat die Nachfrage enorm zugenommen, auch auf der Grundstücksseite und auf der ­Seite der Projektentwicklungen. Dadurch sind die Grundstückspreise auch vergleichsweise ähnlich wie die der Immobilien gestiegen.“ Und weiter: „Für uns sind steigende Ankaufspreise für Grundstücke im Grunde genommen kein Problem, weil wir das Objekt auch teurer verkaufen können, solange sich an der Marktlage nichts Entscheidendes ändert.“

Bestand samt Renditeplus
Eine differenzierte Sicht nimmt Alexander Tannenbaum ein. Er ist seit Mai 2011 einer der fünf Geschäftsführer der Universal-­Investment und in dieser Position für die Immobilienaktivitäten verantwortlich. Dazu zählt beispielsweise das Portfoliomanagement von ­Immobilienspezialfonds. Im Gespräch mit portfolio institutionell räumt Tannenbaum ein, dass die Nachfrage nach Projektent­wicklungen vorhanden ist und sich in den vergangenen Jahren ­zunehmend positiv entwickelt hat. „Unser Schwerpunkt liegt zwar nicht bei ­Projektentwicklungen, sondern eher bei Bestandsimmo­bilien. Allerdings wird die Hinzunahme von Projektentwicklungen durchaus bei institutionellen Kunden nachgefragt“, sagt er. Greenfield-Verfechter, sprich: Investoren mit Interesse am Neubau, ver­treten seiner Beurteilung nach den Standpunkt: „Ich habe es mit ­neuen Gebäuden zu tun, da weiß ich, was ich kaufe und kann zum Teil ­aktiven Einfluss auf die Projektierungsphase ­nehmen, ohne zwangsläufig höhere Risiken in Kauf nehmen zu ­müssen.“ Diese Sichtweise will Tannenbaum nicht unkommentiert lassen und hält dagegen: „Wenn ich einen laufenden Mietvertrag habe, ein Gebäude mit Story, wenn ich bestimmte Mieter auch schon langfristig in dem Gebäude habe, das sich in der Lage etabliert hat, hat das durchaus ebenfalls Vorteile. Am Ende entscheidet wie so oft die Rendite-­Risiko-Betrachtung.“ Gleichwohl habe auch ein neues Objekt auf der grünen Wiese seinen Charme. „Und zwar wenn ich erwarte, dass die grüne Wiese und die Flächen um mein Objekt herum in naher ­Zukunft so erschlossen ­werden, dass ich der Erste dort gewesen bin, der von den zunächst günstigen Preisen profitiert hat“, sagt Tannenbaum. Das seien ­valide Gründe, warum man zum einen in die Projektentwicklung geht, zum anderen aber einen Fonds nicht ausschließlich mit Projektentwicklungen bestückt, sondern eine ­gesunde Mischung von Projektentwicklungen und Bestandsimmo­bilien haben sollte. „Bestands­gebäude sollen den stabilen und nachhaltigen Cashflow sicherstellen, wohingegen Projektentwicklungen in Abhängigkeit des übernommenen Projektentwicklungsrisikos durchaus noch ein Renditeplus mit sich ziehen können“, so Tannenbaum. Projektentwicklungsfonds hält der Universal-Investment-Vorstand für durchaus interessant. Als ­Investor sollte man sich zusätzlich zur eigenen Erfahrung auf jeden Fall aber ­einen Asset Manager ­suchen, der auf der operativen Ebene im ­Bereich Projektentwicklung über sehr große ­Erfahrung verfügt und mit ­einem Track Record nachweisen kann, dass er Projektentwicklungen auch entsprechend stemmen kann, rät Tannenbaum.

Unter institutionellen Investoren mit einem Faible für Miet­einnahmen mausert sich unter anderem die Babcock Pensionskasse zu einem Mitspieler im Ruhrgebiet. Laut Presseberichten lässt sie für fünf Millionen Euro ein neues Bürogebäude am Max-Planck-Ring in Oberhausen errichten. Der neue Gebäudekomplex bietet rund 3.000 Quadratmeter vermietbare Fläche. 2016 soll dort die Nanofocus AG als langfristiger Mieter einziehen. Im vergangenen Jahr ließ die ­Pensionskasse ­bereits ein Wohn- und Bürogebäude fertigstellen.

Die Babcock Pensionskasse engagiert sich in der Vermietungsbranche, weil „wir mit festverzinslichen Wertpapieren nicht die ­Rendite erzielen, die wir benötigen“, verkündeten die beiden ­Vorstände Gerhard Caldewey und Hans-Hermann Vowinkel jüngst bei einem ­Pressetermin. Ohnehin muss die Pensionskasse laut einem Zeitungsbericht ­monatlich rund zwei Millionen Euro an ihre Rentenempfänger auskehren. ­Inklusive der eigenen Verwaltungskosten benötige man dafür eine ­Rendite von rund 4,5 Prozent.

Investoren, die Immobilien in Eigenregie planen statt auf ­Bestandsobjekte zurückzugreifen, haben einen Trumpf im Ärmel: Sie können die Gebäude nach den Ansprüchen der ­Gegenwart konzipieren: ein barrierefreier ­Zugang, eine hochwertige Innenausstattung ­sowie ein­ladende Grünanlagen wirken sich positiv auf die ­Miete aus. So ­lassen sich auch aktuelle Trends ausnutzen: „Urbanes Leben im ­Grünen“ oder „Naturnah Wohnen in der Stadt“ sind nur einige der Themen, denen Projektentwickler und Investoren heute folgen.

Trends, Trends, Trends
Abschließend noch einmal zurück zum Projektentwicklungsfonds der Project-Gruppe. Im Zuge der Einführung des Kapitalanlage­gesetzbuches musste sich der Anbieter für eine Verwahrstelle ­entscheiden. Nunmehr prüft die Verwahrstelle Caceis gemäß der ­Satzung des Fonds und den gesetzlichen Vorgaben, ob formell dem entsprochen wird, was vorher einmal zwischen dem Investor und dem Asset Manager vereinbart wurde. Sie hinterfragt auch die ­Anlagebedingungen von Fonds. Außerdem werden Erwerbsvorgänge und Zahlungsströme geprüft. Das Aufgabenspektrum ist also groß.

Christian Hogrebe, Business Development Director der Caceis Bank Deutschland, lässt im Gespräch mit portfolio institutionell ­großes Interesse an Sachwertemanagern durchblicken: „Bezogen auf Services für Immobilien-Asset-Manager, die Teil unseres Kern­geschäfts sind, begleiten wir derzeit eine Reihe von Kunden bei der Auflage neuer Fonds. Das ist eines unserer großen Themen, nachdem wir uns in den vergangenen 24 Monaten sehr stark auf die Akqui­sition neuer Kunden konzentriert haben. Es geht also darum, mit den Kunden, die wir überzeugen konnten, gemeinsam Fondsstrukturen aufzusetzen: Wie bei den offenen Investmentfonds nehmen wir die Rolle der Verwahrstelle mit allen Kontrollfunktionen wahr, während unsere Kunden insbesondere für die Strukturierung sowie für das Portfolio- und Risikomanagement verantwortlich sind.“

Ein relevanter Faktor ist natürlich, ob die Investorennachfrage nach ­Projektentwicklungen weiter zunimmt. Und wenn ja, welche Gründe die Nachfrage treiben. Christian Hogrebe: „Von unseren 34 KVGen sind fünf im Bereich Projektentwicklung aktiv. Wenn das Zinsniveau ­weiter auf niedrigem Niveau stagniert, die Garantiever­zinsung aber nicht in dem Maße zurückgehen kann, ist mit einer stabilen Nach­frage nach höher rentierenden Anlagen zu rechnen. Damit könnten Investitionen in Projektentwicklungsfonds weiter in den ­Fokus ­rücken. Am Ende entscheidet die Risikoabwägung des Investors“, so Hogrebe.

Die Anlagealternative vor und mit der Haustür
In ihrem Drang, neue Anlageklassen zu ergründen, sollten sich institutionelle Investoren nicht von fehlendem Know-how ausbremsen lassen. Manchmal liegen Anlagealternativen näher als man meint. Weil Projektentwicklungen aber je nach Ausgestaltung äußerst risikoreich sein ­können, sollten Spezialisten beim „ersten Spatenstich“ und auch ­danach nicht fehlen.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 06/2015

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