Strategien
19. August 2013

Der Weg in die sanfte Institutionalisierung

Family Offices müssen institutioneller werden. So lautet schon seit Jahren die ­Arbeitshypothese von Dr. Marc Herzog, der sich mit dieser Branche seit der Gründung seiner Family Office Consulting (2008) ­intensiv beschäftigt.

Auch das institutionelle Geschäft ist ihm wohl vertraut. Seit zehn ­Jahren ergründet er mit seiner Frontiers ­Management Consulting die Bedürfnisse dieser Spezies.    

Herr Dr. Herzog, unterscheiden sich Insti­tutionelle und Family Offices nicht zu sehr?
Ja, natürlich. Aber die Frage lautet doch: Warum sollte jemand mit einem liquiden Vermögen von 200 Millionen Euro, was in der Regel ein Gesamtvermögen von 500 bis 600 Millionen Euro impliziert, nicht die gleichen Ansprüche haben und auch erfüllt bekommen wie ein institutioneller Investor? Warum sollte die Dienstleistungsqualität, -breite und -tiefe für Family Offices geringer sein, gerade im Risikomanagement und im Reporting? Hier muss es also einen Paradigmenwechsel geben!

Aber ist das kompatibel – institutioneller Vertrieb und Family Office?
Der klassische Asset-Management-Vertrieb hat doch mehrheitlich noch überhaupt nicht definiert, wer Family Offices betreut. Man weiß dort sehr wenig über Strukturen, ­Vermögensgrößen, Asset Allocation und die Bedürfnisse bei Family Offices. Das typische Bild ist: Ein Asset Manager kennt 15 bis 30 ­Family Offices, und das sind in der Regel ­diejenigen, die man schnell googeln kann.  Family Offices wiederum haben nicht die Menschen, die Erfahrung und die Listen von rund 70 Depotbanken, 15 Master-KAGen und unzähligen Asset Managern. Sie haben auch in den seltensten Fällen bereits ein ­ausge­feiltes Master-KAG-Reporting gesehen. Selbst für Multi Family Offices ist es eher ­ungewöhnlich, wenn Risikokennziffern ­berechnet und genutzt werden.

Welche Paradigmenwechsel sind aus Ihrer Sicht noch notwendig, außer einer sanften ­Institutionalisierung?
Erstens: der Blick über den Tellerrand. Von Family Offices in der Schweiz, Groß­britannien oder den USA kann man wirklich etwas lernen. Dort gibt es selbst für die kleinste Facette spezialisierte Dienstleister. Der Markt ist viel reifer.
Zweitens: Single und Multi Family ­Offices müssen die Leistungspalette schärfen. Es ist nichts Ehrenrühriges, sich häufiger die ­klassische Make-or-Buy-Frage zu stellen. Was kann und will ich selbst machen? Die Frage wird selten gestellt, inzwischen am ehesten noch bei Immobilien.

Und wie steht es um die Kapitalanlage?
Hier sollte ebenfalls etwas geschehen. Wir haben gerade eine Untersuchung mit fast 180 Familien abgeschlossen, die im Schnitt eine Milliarde Euro verwalten. 85 Prozent der Ist-Allokation in der Asset-­Klasse Immobilien ist in Deutschland, sechs bis acht Prozent in Westeuropa und gerade einmal etwas über drei Prozent in Kanada und USA. Wachstumsregionen wie Asien, Lateinamerika oder der Mittlere Osten sind auch in den strategischen Allokationen quasi nicht zu finden. Überhaupt etwas internationaler denken vielleicht 200 bis 250 Familien. Auch hier bleibt wirklich Potenzial liegen, in der Risikodiversifizierung genauso wie in der Portfoliorendite. Also plädiere ich für einen Paradigmenwechsel zu mehr Internatio­nalisierung im Portfolio – und dies nicht nur bei Immobilienanlagen!

Legen Family Offices eigentlich aggressiv genug­ an? Oder ähnelt die Allokation letzt­endlich doch derjenigen von institutionellen Investoren?
Nein, was die zweite Frage betrifft. Im Schnitt investieren Single Family Offices ganz anders als deutsche Institutionelle. ­Eine Pensionskasse hält nur halb so viele Aktien wie ein Single Family Office, dafür zweieinhalb Mal so viele Rentenpapiere. Die Aus­nahme bestätigt die Regel bei Pensionskassen, die auf Immobilienquoten von 20 bis 25 Prozent kommen können. Das liegt nahe an den durchschnittlichen Immobilienquoten von Familien.
Außerdem: Family Offices nutzen eine größere Spannbreite von Asset Managern und sind neugieriger auf wenig bekannte ­Adressen. Das merkt man übrigens auch an der Performance. Als grobe Regel für Single Family Offices gilt: Eine Rendite von acht Prozent vor Steuern nach Kosten sind gang und gäbe. Die Performance von banknahen Family Offices ist strukturell schwächer. Warum?­ Deren Asset Allocation ist typischer­weise ähnlich renten- und geldmarktlastig wie bei institutionellen Investoren. Meine Antwort auf die erste Frage lautet also: Eine ­aggressivere Anlagepolitik ist nicht notwendig. Und sie zeichnet sich in den Allo­kationen auch nicht ab.

Man hört immer wieder, in Family Offices sei die typisch deutsche Angst vor Inflation besonders ausgeprägt. Stimmt das?
Nein, nicht im besonderen Maße. Es ist auch kein Phänomen, das erst seit dem Jahr 2008 existiert. Das Ziel „Inflationsschutz“ ist dominant. Aber das war es in Deutschland, und nicht nur bei den hochvermögenden ­Familien, schon immer! 
Das Interview führte Maik Rodewald.

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2013

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