20. Oktober 2016

Deutschland: das Land der Pessimisten

Viele deutsche Großanleger fürchten, ihre Anlageziele in den nächsten drei Jahren zu verfehlen. Sie hadern im Vergleich mit anderen europäischen Investoren auch am meisten mit dem Niedrigzinsumfeld, wie die neue Risikomanagementstudie von Union Investment zeigt.

Europaweit blicken institutionelle Großanleger sorgenvoll in die Zukunft. Doch in Deutschland ist der Anteil der Pessimisten besonders hoch. Zu dieser Erkenntnis kommt die neue Risikomanagementstudie von Union Investment, für die im Sommer dieses Jahres 212 institutionelle Investoren aus acht europäischen Ländern mit einem Gesamtvermögen von mehr als sechs Billionen Euro befragt wurden. Demnach fürchten 64 Prozent der 112 befragten deutschen Großanleger, in den kommenden drei Jahren ihre selbst gesteckten Anlageziele nicht zu erreichen. Europaweit sind es durchschnittlich 60 Prozent.
Interessanterweise wird das Niedrigzinsumfeld nicht als alleinige Ursache für das Verfehlen der Anlageziele genannt. Nur 16 Prozent aller in Europa befragten Anleger gaben das niedrige Zinsniveau als zentrales Hindernis an. Während sich in Großbritannien immerhin noch 13 Prozent entsprechend äußerten, waren es in den Niederlanden nur zehn Prozent und in Skandinavien sechs Prozent. Ganz anders fiel der das Urteil der Deutschen aus. Hierzulande bezeichneten 49 Prozent das Niedrigzinsumfeld als Haupthindernis. „Dieser Befund ist nicht verwunderlich, da Zinsanlagen in den Portfolios deutscher Investoren nach wie vor dominieren“, erklärte Alexander Schindler, im Vorstand von Union Investment zuständig für das institutionelle Kundengeschäft. Und weiter: „Bei vielen europäischen Investoren haben dagegen chancenreichere Anlagen wie Aktieninvestments seit jeher ein höheres Gewicht.“  
Passend dazu erweist sich ein weiteres Ergebnis der Union-Studie: So ist die Verlustaversion in Deutschland am höchsten. Während europaweit 75 Prozent der Großanleger der Verlustvermeidung oberste Priorität einräumen, äußerten sich 82 Prozent der deutschen Befragten entsprechend, gefolgt von 75 Prozent in der Schweiz und 69 Prozent in Skandinavien (Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen). Am wenigsten wichtig ist die Vermeidung von Verlusten für Investoren aus den Niederlanden (62 Prozent) und Großbritannien (61 Prozent). 
Der Risikoaversion zum Trotz 
Obwohl die deutschen Großanleger der Sicherheit der Kapitalanlage im europäischen Vergleich klar den höchsten Stellenwert beimessen, ist ihre Risikoaversion gegenüber dem Vorjahr gesunken – und zwar um sieben Prozentpunkte. „Viele institutionelle Anleger in Deutschland überdenken offenbar ihre Kapitalanlage und passen sie stärker an die Investmentrealität an. Aufgrund des Ertragsdilemmas steigen zahlreiche Investoren die Risikoleiter weiter hoch. Um Enttäuschungen zu vermeiden, sollte diese Entwicklung von einer Professionalisierung des Risikomanagements begleitet werden“, merkte Schindler an.
Bestätigung findet dies bei einem Blick auf ein anderes Ziel, das immer mehr deutsche Großanleger verfolgen: So ist es inzwischen für 41 Prozent wichtig, bestimmte Mindestrenditen keinesfalls zu unterschreiten. In der Vorjahresbefragung sagten dies nur 37 Prozent. Damit nähern sich die deutschen Großanleger dem Durchschnittswert aller befragten europäischen Anleger von 47 Prozent. Als Gegenpol erwiesen sich in dieser Frage einmal mehr die Investoren in den Niederlanden und Großbritannien. Hier gaben 62 beziehungsweise 65 Prozent der Befragten an, dass die Erzielung von Mindestrenditen für sie eine hohe Priorität hat. In den skandinavischen Staaten sagten dies 50 Prozent und in der Schweiz 40 Prozent der Großanleger. 
Wie die Studie von Union Investment weiter zeigt, sehen Europas Großanleger eine erhöhte Gefahr für Blasenbildungen und Börsencrash. Denn knapp zwei Drittel erkennen eine Tendenz zu Herdenverhalten. In Deutschland vertreten 74 Prozent der 112 befragten Investoren diese Ansicht. Trotz des beobachteten Herdenverhaltens gehen 54 Prozent der Deutschen davon aus, dass es deutlich schwerer werde, das Verhalten anderer Marktteilnehmer zu prognostizieren.  Europaweit sind es 47 Prozent. „Auch dieses Meinungsbild untermauert die steigende Bedeutung des Risikomanagements bei der Kapitalanlage“, so Schindler.
In der seit 2005 durchgeführten Studie werden regelmäßig auch Spezialthemen beleuchtet. In der 2016er Studie befasste sich Professor Martin Hellmich von der Frankfurt School of Finance & Management mit Trends und Krisen in finanziellen Netzwerken. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden bei der Risikomanagement-Konferenz von Union Investment am 3. November 2016 in Mainz vorgestellt.
portfolio institutionell newsflash 20.10.2016/Kerstin Bendix
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