Banken
1. August 2016

Diagnose für Europas Bankenwelt

Die deutschen Institute schlagen sich teilweise recht gut. Aber unter den anfälligsten Banken in Europa sind auch zwei deutsche Häuser. Wichtige Risikofaktoren wurden in dem Stresstest nicht berücksichtigt.

Europas größten Finanzinstituten hat die Bankenaufsicht EBA Ende vergangene Woche ein insgesamt recht ordentliches Zeugnis für ihre Krisenfestigkeit ausgestellt. In dem jüngsten Stresstest wurden 51 Banken aus 15 Ländern der Europäischen Union und Norwegen unter die Lupe genommen, darunter auch neun deutsche Adressen. Geprüft wurde, ob die Geldhäuser genügend Kapitalpuffer haben, um einen Absturz der Wirtschaft und einbrechende Immobilienpreise zu verkraften. Neu ist, dass auch Rechtsrisiken einbezogen werden – etwa Strafen, die Banken zahlen müssen.
Die Aufseher verzichteten auf Vorgaben von Kapitalquoten, die Banken erfüllen müssen. Wirklich durchfallen konnte also niemand. Die deutschen Institute haben sich als grundsätzlich robust und widerstandsfähig erwiesen, betonten die Bankenverbände in Deutschland in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Positiv sei, dass der EBA-Stresstest 2016 erstmals keine Vorgabe einer Hürde, um den Stresstest zu bestehen, mehr enthält und sich damit vom „Schwarz-Weiß-Denken“ verabschiedet. Dadurch führen die Ergebnisse nicht unmittelbar zu bankaufsichtlich gebotenen Kapitalmaßnahmen, wie die Bankenverbände anmerkten. Dennoch bleibt festzustellen: Unter den zehn anfälligsten Banken in Europa finden sich auch die zwei großen deutschen Häuser, Deutsche Bank und Commerzbank.
Cryan: Deutsche Bank ist gewappnet
Im Krisenszenario, in dem eine schwere Rezession simuliert wurde, fiel die harte Kernkapitalquote der Deutschen Bank von 13,2 Ende 2015 auf 7,8 Prozent. Dennoch zeigte sich John Cryan, Vorstandsvorsitzender von Deutschlands größtem Geldhaus über das Ergebnis erleichtert: „Wir gingen stärker in den diesjährigen Test hinein als 2014 – und wir schnitten trotz wesentlich strengerer Annahmen mit einem besseren Ergebnis ab.“ Vor zwei Jahren lag die Deutsche Bank bei 7,0 Prozent. „Die besseren Resultate sind das Ergebnis harter Arbeit und vieler, oft kleiner Schritte“, so Cryan. „Unser Umfeld bleibt herausfordernd. Der Stresstest zeigt aber, dass die Deutsche Bank auch für noch härtere Zeiten gewappnet ist.“
Noch einen Tick schlechter sieht es bei der Commerzbank aus. Die Kernkapitalquote fällt in dem EBA-Stresstest von 13,4 auf 7,4 Prozent. Den anderen deutschen Stresstestteilnehmern, wie den Landesbanken aus Baden-Württemberg und Hessen-Thüringen sowie Volkswagen Financial Services, der NRW-Bank und der Deka Bank, erging es deutlich besser. Sie liegen mit ihren Kernkapitalquoten in dem Krisenszenario über dem europäischen Durchschnitt von 9,4 Prozent. Die Bayern-LB und Nord-LB landen hingegen etwas darunter mit 8,3 beziehungsweise 8,7 Prozent.   
Das italienische Institut Monte die Paschi und zwei irische Geldhäuser haben ihren Ruf als Sorgenkinder untermauert. Monte dei Paschi schnitt von den 51 geprüften Geldhäusern am schlechtesten ab, sie kam im Krisenszenario auf eine Kapitalquote von minus 2,4 Prozent und wäre damit nicht überlebensfähig.
Zweifel am Stresstest
Doch ein Problem solcher Stresstests liegt darin, dass sie die Vergangenheit fortschreiben. „Jeder Bankenstresstest kann nur eine Diagnose liefern, Therapie und Heilungsprozess müssen andere übernehmen“, räumte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, bereits vor der Bekanntgabe der Stresstestergebnisse ein. Es sei sinnvoll und wichtig, dass die EBA auch in Zukunft Stresstests durchführe, denn nach Gefahren für die Finanzmarktstabilität müsse regelmäßig gesucht werden. Zugleich bekräftigt der Chef des Bankenverbandes: „Wenn Politik und Aufsicht nicht die notwendige Therapie angehen, ist das nicht den Diagnostikern vorzuwerfen.“ So habe die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik den europäischen Regierungen Zeit gekauft, diese müsse nun aber endlich auch genutzt werden. Kemmer merkte an: „Null- beziehungsweise Negativzinsen dürfen kein Dauerzustand bleiben.“ Dringend notwendige Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen dürften nicht verschleppt werden.
Neue Umfrage zu Belastung durch Niedrigzinsen geplant
Doch das anhaltende Niedrigzinsniveau wurde in dem EBA-Stresstest nicht berücksichtigt. Und so kritisierte unter anderem die Ökonomin Isabell Schnabel: „Wesentliche Risikofaktoren wie die Niedrigzinsphase wurden ausgeblendet.“ Auch Bundesbankvorstand Andreas Dombret äußerte im Interview mit der Wirtschaftswoche kurz vor Bekanntgabe der Stresstestergebnisse seine Sorge bezüglich der Niedrig- beziehungsweise Nullzinsen, die Banken deutlich belasten. Er verwies auf eine gemeinsame Untersuchung der Bundesbank und Bafin im Herbst 2015, die dies deutlich vor Augen geführt hatte. Dabei zeigte sich, dass die 1.500 untersuchten Kreditinstitute bei unveränderten Zinsen bis 2019 rund 25 Prozent ihrer Ertragskraft verlieren. „Nun sind die Zinsen weiter gefallen. Wir werden die Umfrage deshalb wiederholen“, so Dombret gegenüber der Wirtschaftswoche. Viele deutsche Institute seien zu abhängig von Zinserträgen. Dombret ist der Meinung: „So schwierig das ist – sie sollten ihr Geschäftsmodell mittelfristig besser ausbalancieren. Dazu sollten sie auch höhere Gebühren und Beiträge für ihre Dienstleistungen prüfen. Schnelle Effekte lassen sich über Einsparungen erzielen.“ In diesem Punkt sei allerdings bei deutschen Banken und Sparkassen schon viel geschehen. Angesichts des veränderten Kundenverhaltens sollte aber das Filialnetz ständig auf dem Prüfstand stehen.
Ein riskanteres Anlageverhalten konnte Dombret bislang bei deutschen Banken „nur sehr eingeschränkt“ beobachten, wie er der Wirtschaftswoche sagte: „Ein solches Verhalten wird allerdings umso wahrscheinlicher, je länger die aktuelle Niedrigzinsphase dauert.“ Im Hinblick auf die Immobilienmärkte zeigte sich der Bundesbanker gelassen. So sei zwar in einigen Regionen und bei einigen Instituten sehr starkes Kreditwachstum zu sehen. Das bedrohe die Stabilität bislang aber nicht. „Ich sehe keine Blase, aber erste Wolken am Horizont“, sagte Dombret der Wirtschaftswoche.
portfolio institutionell newsflash 01.08.2016/Kerstin Bendix

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