Traditionelle Anlagen
22. Juni 2015

Die Flaute am IPO-Markt schadet institutionellen Investoren

Die Zahl der börsennotierten Unternehmen in Europa und in den USA sinkt. Und immer weniger Unternehmen wagen sich an eine der Börsen. Eine neue Initiative will den Trend umkehren.

Das Börsenparkett wird kaum noch von Neuemissionen bereichert. Während die Deutsche Börse in ihren Statistiken zwischen 2005 und 2007 insgesamt 72 IPOs zählte, kamen in den darauf folgenden siebeneinhalb Jahren gerade mal 53 Neuemissionen zustande. In manchen Perioden war die Zahl der IPOs so niedrig, dass man sie an einer Hand abzählen konnte. Und die einzige Neuemission im Jahr 2009, die Vtion Wireless Technology AG, war ausgerechnet ein Unternehmen mit chinesischen Wurzeln. In anderen europäischen Staaten ist die Situation ähnlich. Die Zahl der in der Europäischen Union durchgeführten Börsengänge (Initial Public Offerings, IPO) sinkt seit dem Jahr 2007. Die Zahl der gelisteten Unternehmen ging im gleichen Zeitraum von 12.000 auf unter 11.000 zurück (siehe Grafik). 
Aus Investorensicht ist die Entwicklung unbefriedigend. Erst recht für Experten wie Rainer Riess vom europäischen Börsenverband. Der Generalsekretär der Federation of European Securities Exchanges (Fese) sieht im Rückgang der IPO-Aktivitäten in Europa einen Grund zur Sorge, wie er im Rahmen der diesjährigen Konferenz des europäischen Börsenverbands, der Fese Convention, vergangene Woche in Oslo deutlich machte. 
Der europäische Börsenverband hat die Wiederbelebung des europäischen IPO-Marktes und die Förderung der Finanzierung vor allem kleiner und mittelgroßer Unternehmen über die Kapitalmärkte zu einem der wichtigsten Punkte auf seiner Agenda gemacht. Laut der Börsen-Zeitung hat der Verband im vergangenen Jahr eigens dafür mit der European Private Equity and Venture Capital Association und der Europeanissuers, einer Interessenvertretung europäischer börsennotierter Unternehmen, die IPO Task Force gegründet. Gemeinsam feilen die Parteien an einer Wiederbelebung der IPO-Tätigkeit im Bereich der kleinen und mittelgroßen Unternehmen. 
Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie die Deutsche Börse neuerdings junge Unternehmen an den Kapitalmarkt lotsen will.
Haftungsrisiken vermeiden
Anlässlich der Fese Convention wurde der von der Task Force erstellte EU-IPO-Report präsentiert und diskutiert. Kernforderungen sind die Schaffung eines „ausgewogeneren“ regulatorischen Umfelds für junge Wachstumsunternehmen, geringere Beschränkungen für Investoren bei der Anlage in IPOs, ein verbessertes Ökosystem zur Unterstützung von Unternehmen und Anlegern sowie die Schaffung einer Aktienkultur in Europa. Laut Börsen-Zeitung sprachen sich die Teilnehmer für einen leichteren, weniger aufwendigen und kostspieligen Zugang zum Kapitalmarkt für Unternehmen aus. Auch wurde der Nutzen der bisweilen sehr umfangreichen Dokumentationsanforderungen für Börsenanwärter infrage gestellt. 
Nach Einschätzung von Abel Sequeira Ferreira, Executive Director des portugiesischen Verbandes der Wertpapieremittenten, müsse der Emissionsprospekt schlanker, nützlicher und einfacher zu lesen sein. „Microsoft musste ein Dokument von rund 30 Seiten vorlegen, Facebook eines von mehr als 150 Seiten“, sagte David Weild IV, Chef des US-Wertpapierdienstleisters Weild & Co. Er wisse nicht, worin der Zusatznutzen dieses Mehraufwands bestehe. Anleger würden das Dokument in der Regel nicht durchlesen. Volker Potthoff von der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle wird mit den Worten zitiert: „Prospekte sind nicht das, was die Leute denken.“ Sie seien Dokumente, die den Zweck hätten, Haftungsrisiken zu vermeiden. 
Dass Marktbetreiber wie die Deutsche Börse großes Interesse daran haben, neue Unternehmen an den Kapitalmarkt zu bringen, ist unbestritten. Die Anstrengungen sind bisweilen bemerkenswert, aber sind sie auch erfolgreich? Beispielsweise hat die Deutsche Börse erst vor wenigen Wochen Details zu ihrem neuen Programm zur Finanzierung von Wachstumsunternehmen vorgestellt, das noch im Juni starten soll: Das Deutsche Börse Venture Network soll Unternehmen und Investoren zusammenzuführen, „um effektiv die Finanzierungssituation für junge, wachstumsstarke Unternehmen zu verbessern.“
Beim Deutsche Börse Venture Network handelt es sich nach Angaben der Macher nicht um ein neues Börsensegment, sondern um ein Programm, das sich aus einer nicht-öffentlichen Onlineplattform zur Anbahnung von Finanzierungsrunden sowie aus verschiedenen Trainings-und Networking-Veranstaltungen zusammensetzt. Wie die Börsen-Zeitung anmerkt, ist die Deutsche Börse Forderungen des Bundeswirtschaftsministeriums nach einem Neuen Markt 2.0 indessen nicht nachgekommen. In einem früheren Artikel haben wir dieses Thema beleuchtet,wie Sie hier nachlesen können.  
Small & Mid Caps von Vorteil
Dessen ungeachtet sollten sich aber auch Investoren stärker dafür einsetzen, neue und vor allem dynamisch wachsende Jungunternehmen auf das Börsenparkett zu lotsen. Warum? Der europäische Aktienmarkt zeichnet sich doch bereits durch eine Vielzahl börsennotierter Unternehmen aus. Dabei stehen für viele institutionelle Investoren aber fast ausschließlich die großen, namhaften Konzerne wie Siemens, Total oder Sanofi im Vordergrund. Die Aktienportfolis werden somit häufig von Large-Cap-Aktien dominiert. Nach Einschätzung von auf Nebenwerte spezialisierten Asset Managern haben aber gerade die Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe in ausgewogenen Aktienportfolios in der Vergangenheit eine überdurchschnittliche Performance gebracht. 
Das Universum der europäischen Small und Mid Caps besteht nach Angaben von Lupus Alpha aus über 1.000 investierbaren Unternehmen. Und im Vergleich zu Large Caps bietet es nach Einschätzung des Frankfurter Asset Managers deutlich mehr Chancen, „wirklich diversifiziert zu investieren“. Small und Mid Caps können nach Einschätzung von Lupus Alpha sowohl auf konjunkturelle Schwankungen als auch auf Markttrends schneller reagieren, „weil die Strukturen schlanker und damit Entscheidungswege kürzer sind.“ Zudem stünden sie nicht so sehr im Fokus von Politik und Öffentlichkeit. „Sie können so in Abschwungphasen harte, aber notwendige Entscheidungen leichter treffen.“ Gleiches gelte für Aufschwungphasen, in denen sie zügig das notwendige Personal aufbauen können.
Nach Einschätzung von Lupus Alpha unterschätzen professionelle Investoren oft den Wert einer Beimischung von Small und Mid Caps in einem europäischen Aktienportfolio. Die Folge: Die Anlageklasse sei häufig unterrepräsentiert. Dabei müssten Anleger, die sich strategisch gemäß der Marktkapitalisierung positionieren, die Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen zu 25 Prozent in ihrem europäischen Aktienportfolio berücksichtigen, lautet die Auffassung von Lupus Alpha.
portfolio institutionell newsflash 22.06.2015/Tobias Bürger
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