Strategien
1. August 2012

Die Kapitalanlagen werden grün

Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Modethema. Immer mehr Investoren suchen nach Wegen, um ESG-Faktoren in ihre Kapitalanlage zu integrieren. Dabei ist viel Pragmatismus gefragt, schließlich bleibt das Anlagedreieck­ das Maß aller Dinge. Gerade bei Staatsanleihen hätten Nachhaltigkeits-Ratings Investoren jedoch vor Schlimmem bewahren können.

Kolossal gescheitert – so lautet das Urteil der Umweltverbände zur UN-Klimakonferenz in Rio de Janeiro. Das bereits im Vorfeld ausgehandelte Abschlussdokument enthält vor allem eins: leere Worte. Klare­ Ziele und Fristen zum Thema Nachhaltigkeit fehlen. Stattdessen finden sich nur ein Aufruf zum Handeln und das Bekenntnis, wie wichtig Fortschritte im nachhaltigen Handeln und Wirtschaften sind. Ob die institutionellen Investoren diesem Aufruf folgen und sich freiwillig der Nachhaltigkeit verpflichten, lässt sich schwer vorhersagen. Bislang spielt in Deutschlands Kapitalanlagen Nachhaltigkeit jedenfalls nur eine Nebenrolle. Wie der aktuelle Stimmungsindex zur nachhaltigen Kapital­anlage von Union Investment zeigt, berücksichtigen nur etwa die Hälfte der 202 befragten institutionellen Anleger, die zusammen auf ein Gesamtvermögen von 2,4 Billionen Euro kommen, Nachhaltig­keitskriterien bei ihren Anlageentscheidungen. Im Jahr zuvor waren es noch 64 Prozent. Den Grund für die gestiegene Zurückhaltung der Investoren sieht Alexander Schindler, Vorstandsmitglied bei Union Investment, vor allem in der Eurokrise: „In jüngster Zeit hat die Schuldenkrise die Prioritäten verschoben, Nachhaltigkeit ist etwas­ mehr in den Hintergrund gerückt.“

Die Brisanz dieses Themas steht außer Frage, allerdings stehen die Deutschen damit nicht allein. Auch die Anleger aus anderen europäischen Ländern müssen sich mit der Staatsschuldenkrise ­ausein­andersetzen. Nichtsdestotrotz haben nachhaltige Investments dort bereits einen hohen Stellenwert. „Grundsätzlich hat Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen. Es gibt jedoch regionale Unterschiede“, weiß Dr. Stefan Hörter, Director bei Allianz GI Global Solutions – Risk­lab. „Für unsere niederländischen Kunden ist Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit. Mit ihnen muss man nicht über den Nutzen diskutieren“, führt er aus. Zu den Vorreitern gehören auch die skandinavischen­ Länder. Ausdruck findet dies unter anderem in der Vielzahl an Investoren, die sich zu den Grundsätzen für verantwortungsvolles Investieren der Vereinten Nationen, den UN PRI, bekannt haben. Neben dem norwegischen Ölfonds gehören beispielsweise die fünf schwedischen Pensionsfonds AP 1 bis 4 und AP 7 dazu. In Dänemark sind es sogar insgesamt 17 Asset Owner, die bereits die UN-Prinzipien unter­schrieben haben. Im Vergleich dazu fällt die Bilanz in Deutschland eher ernüchternd aus. Lediglich sieben Investoren haben sich zur Unterzeichnung der PRI durchgerungen. Dabei handelt es sich um Allianz SE, die Bayerische Versorgungskammer, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die KfW-Bankengruppe, die Landesbank Baden-­Württemberg, die Munich Re und die Sparda-Bank München.

Die Hemmung der Investoren, sich der UN-Initiative anzuschließen, führt Union-Vorstand Schindler auf die „Gründlichkeit der Deutschen“ zurück, die bereits vor der Unterzeichnung alles erfüllen wollen,­ was von den PRI gefordert wird. So räumt Schindler ein: „Im internationalen Vergleich hinken wir gerade im institutionellen Bereich noch hinterher.“ Dass eine solche Gründlichkeit nicht notwendig ist, machte Dr. Wolfgang Engshuber, Chairman der UN PRI, im Mai auf der 2. Fachkonferenz der UN PRI und Union Investment deutlich: „Man muss nicht 100-prozentig PRI-tauglich sein, um zu unterschreiben. Das erste Jahr hat man ein Freilos. Wir unterstützen die Kapitalanleger­ bei der Umsetzung in jeder Asset-Klasse.“ Allerdings muss jeder Unterzeichner einmal im Jahr einen Report abgeben.
Genau in diesem Aufwand könnte ein Grund liegen, der Investoren vor einer Unterzeichnung zurückschrecken lässt. Christian Mosel, Leiter des institutionellen Geschäft der Bank Sarasin in Deutschland, warnt: „Es braucht große Häuser, die vorangehen und eine Leuchtturmwirkung entfalten. Man muss sich aber der Konsequenzen bewusst sein, wenn man die UN PRI unterzeichnet. Das kostet Ressourcen.“ Gerade­ bei kleinen Investoren, die vorwiegend lokal tätig sind, hält er diesen Schritt deshalb auch nicht für angebracht. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht über das Ziel hinausschieße“, so Mosel.

_PRI – kein Spiegelbild der Realität

Dieses kläglich anmutende Bild der Liste deutscher PRI-Unterzeichner spiegelt die Realität jedoch nur unzureichend wider. Auf der Liste  tauchen beispielsweise die Kirchen nicht auf, die jeweils eigene Leit­fäden für ethisch nachhaltige Geldanlagen veröffentlicht haben. Dass gerade die Kirchen bei diesem Thema­ vorangehen, darf allerdings auch erwartet werden. Schließlich besteht der kirchliche Auftrag unter anderem in der „Bewahrung der Schöpfung“. Ungeachtet dessen sollte­ die ethisch nachhaltige Geldanlage der Kirchen nicht als reines Gutmenschentum missverstanden werden. Altruismus in der Kapitalanlage kann sich keiner leisten. „Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht auf Rendite“, erklärte Klaus Bernshausen, stellvertretender Geschäftsführer der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt, auf dem portfolio Expertenseminar „Nachhaltigkeit in der Kapital­anlage“. Nachhaltigkeit müsse immer im Zusammenhang mit dem Anlagedreieck gesehen werden und dürfe dieses nie überlagern oder dominieren. Dieser Gedanke findet sich auch im evangelischen Leitfaden zur ethisch nachhaltigen Geldanlage wieder. Diese soll nach ökonomischen Grundsätzen vorgenommen werden, aber auch sozialverträglich, ökologisch und generationsgerecht erfolgen. Das Anlagedreieck ist zum Viereck umgestaltet geworden, das neben Rendite, Sicherheit und Liquidität auch den Aspekt der Nachhaltigkeit abdeckt.

Die evangelische Kirche hat in ihrem Leitfaden klar definiert, was sie unter Nachhaltigkeit versteht. Im Lager der institutionellen Kapital­anleger findet sich aber nicht nur diese eine Deutung, die Nachhaltigkeit als Selektion von Wertpapieren anhand ökologischer, sozial-ethischer und Corporate-Governance-Kriterien versteht. Ein anderes, verbreitetes Verständnis von Nachhaltigkeit ist, dass in Anlagen investiert wird, die per se nachhaltige Renditen erzielen. Eine allgemeingültige Standarddefinition, was Nachhaltigkeit nun wirklich heißt, gibt es nicht. Zwar wagt die Politik hin und wieder Vorstöße, wird dabei jedoch meist von den Nachhaltigkeitsvordenkern selbst ausgebremst. Vehement gegen einen einheitlichen Standard spricht sich beispielsweise die evangelische Kirche aus. „Nachhaltigkeit kann man nicht standardisieren“, so Bernshausen. „Es gibt nicht die eine perfekte nachhaltige Geldanlage. Es bleibt immer Raum für Bewertung und Diskussion“, führte er auf dem Expertenseminar aus.

Allein steht der stellvertretende Geschäftsführer der Evangelischen­ Ruhegehaltskasse mit seiner Ansicht nicht. Eine ähnliche Auffassung vertritt Christian Mosel von der Bank Sarasin: „Man muss keine normierte Formulierung für Nachhaltigkeit haben, auch wenn der Begriff schwer zu fassen ist. Jeder sollte ihn für sich definieren. Mit individuellen Definitionen­ wird man den unterschiedlichen Bedürfnissen der Investoren besser gerecht.“ Mosel spielt auf die verschiedenen Investorengruppen mit ihren unterschiedlichen Prioritäten an. Während kirchliche Einrichtungen ihren Fokus auf ethisch-sozialen Themen haben, legen Rückversicherer mehr Wert auf den Umwelt­aspekt.
Es sind aber nicht nur die Unterschiede zwischen den Investorengruppen,­ die gegen einen einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard sprechen, sondern auch die Tatsache, dass sich die Ansichten, was nachhaltig ist, im Zeitablauf ändern. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ unterliegt einer gewissen Evolution. Während einer Podiumsdiskussion auf der Uhlenbruch-­Tagung Anfang Juni brachte es Dr. Andreas Kretschmer, Hauptgeschäftsführer der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, auf den Punkt: „Früher war Atomkraft nachhaltig, heute ist es Teufelszeug. Solar könnte auch einmal wegen des darin enthaltenen Siliziums Teufels­zeug sein. Es ist schwierig, festzumachen, was Nachhaltigkeit ist.“    
        
_Artenvielfalt für die Umsetzung

Für die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Kapitalanalge stehen Investoren zahlreiche Wege offen. „Es gibt eine Artenvielfalt an Ansätzen“, bemerkt Christian Mosel. Das ist seines Erachtens nur zu begrüßen: „Durch diese Vielfalt können die verschiedenen Interessenslagen der Investoren gut abgedeckt werden.“ Im Leitfaden der evangelischen Kirche sind insgesamt fünf Instrumentenblöcke aufgeführt: Ausschlusskriterien, Positivkriterien, Themen- und Direkt­investments, Engagement und Initiativen. Nicht jedes Instrument ist dabei für jede Asset-Klasse geeignet. Die Stimmrechtsausübung kommt beispielsweise nur für Aktieninvestments infrage. „Die Ausrichtung der Wege ist verschieden. Jede Asset-Klasse muss für sich betrachtet werden. Wie im Baukastenprinzip überlegen wir für jede neue Anlage, was am besten passt“, erläuterte Bernshausen die Vorgehensweise der Evangelischen Ruhegehaltskasse.
Bei Aktien und Unternehmensanleihen hat man sich unter anderem für den Instrumentenblock „Ausschlusskriterien“ entscheiden. „Wir lehnen kein Unternehmen generell ab. Aber wir wollen keine Partizipation am erzielten Gewinn aus bestimmten Unternehmensbereichen, wenn diese signifikant für das Unternehmen sind“, erklärte Bernshausen. Signifikant heißt für ihn zehn Prozent. Unerwünschte Unternehmensbereiche sind die Herstellung von Tabak, Alkohol, Rüstungsgütern oder gentechnisch verändertem Saatgut. Auch bei Staatsanleihen arbeitet die Pensionskasse mit Ausschlüssen. So sind Anleihen von Ländern ausgeschlossen, die die Todesstrafe verhängen oder das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben. „Die USA und Japan sind raus“, so Bernshausen. Darüber hinaus nutzt die Evangelische Ruhegehaltskasse Positivkriterien.

Beim sogenannten Best-in-Class-Ansatz werden die nachhaltigsten­ Wertpapiere innerhalb einer Branche ausgewählt. Es gibt verschiedene­ Anbieter, die sich auf die Erstellung entsprechender Nachhaltigkeits-Ratings von Unternehmen spezialisiert haben. Ein Anbieter ist Oekom Research, die regelmäßig mehr als 3.100 Unternehmen aus über 50 Staaten bewertet. Derzeit erreichen lediglich 17 Prozent den Prime-Status und erfüllen somit die von Oekom Research definierten Mindestanforderungen an das Nachhaltigkeitsmanagement. Bei der Evangelischen Ruhegehaltskasse hat man sich dagegen entschieden, für die Bewertung von Unternehmen einen externen Spezialisten heranzuziehen und dessen Erkenntnisse an die Asset Manager weiterzugeben. Als Grund nannte Bernshausen: „Der Asset Manager­ sieht sich dann nicht mehr in der Performance-Verantwortung. Das wollen wir aber nicht.“ Um dieses Problem zu umgehen, hat sich die Ruhegehalts­kasse entschieden, die Asset Manager dazu anzuhalten,­ Positivkriterien­ ins Portfolio einzubauen.

Nachhaltigkeitsskeptiker werfen den eben beschriebenen Ansätzen­ vor, dass das Anlageuniversum zu sehr eingeschränkt wird. Und tatsächlich: Bei der Evangelischen Ruhegehaltskasse fallen drei Titel­ aus dem Euro Stoxx 50 und 150 Titel aus dem MSCI World weg. Das sind immerhin fünf bis acht Prozent. Mit dem Vorwurf eines zu kleinen ­investierbaren Universums hat sich auch Union Investment befasst. „Eine Reihe von Investoren haben uns damit beauftragt, einmal zu schauen, wie hoch der Prozentsatz der heutigen Kapitalanlage ist, der nach dem Einschalten eines Nachhaltigkeitsfilters übrig bleibt“, ­berichtet Schindler. Über das Ergebnis war der Union-Vorstand selbst etwas überrascht: „Es fällt gar nicht so viel weg. Bei rund 90 Prozent der weltweiten Aktien lassen sich Nachhaltigkeit und Kapitalmarktfähig­keit kombinieren.“ Auch Christian Mosel berichtet aus seiner Erfahrung bei Sarasin, dass das investierbare Universum groß genug ist: „Wir haben etwa 1.000 Aktien zur Auswahl. Die Diversifikation ist breit genug.“
Das überzeugt jedoch nicht alle Investoren. Die KfW-Bankengruppe, die zwar als reiner Renten­investor keine Aktien hält, verzichtet­ bewusst auf den Best-in-Class-Ansatz. „Wir haben ein großes Portfolio.­ Ein Best-in-Class-Ansatz hätte uns zu sehr beschränkt“, erklärte Dr. Solveig Pape-Hamich, die für die Wertpapieranlagen der KfW verantwortlich­ ist, auf dem portfolio Expertenseminar. Um das Thema Nachhaltigkeit im 20 Milliarden Euro großen Liquiditäts­portfolio der KfW, das mit einer Einzeladress-­Limitsteuerung arbeitet, dennoch abzubilden, geht die Bank ihren ganz eigenen Weg. Sie lässt sich monatlich von einer Rating-Agentur für staatliche und nicht-staatliche Emittenten ein Nachhaltigkeits-Rating erstellen, das dann als Grundlage für die Limitsteuerung dient. So wird bei den besten 20 Prozent in dem Ranking, die ein NNN-Rating erhalten, der Limitrahmen beibehalten. Bei den schlechtesten 20 Prozent wird er um 30 Prozent gesenkt. Die übrigen Emittenten fallen in die Kategorie NN, für die eine Senkung des Limitrahmens um zehn Prozent vorgesehen ist. Laut Pape-­Hamich gibt es aller­dings keinen Automatismus: „Wir sind ein Buy-and-Hold-­Investor. Wenn ein Unternehmen im Ranking nach unten fällt und den Limitrahmen überschreitet, bedeutet das nicht, dass wir sofort verkaufen, sondern nur keine Wiederanlage.“­ Um den Wettbewerb zwischen den Emittenten anzukurbeln, wird den Emittenten ihr Abschneiden im KfW-Ranking mitgeteilt. „Wir wollen Anreize setzen, damit Unternehmen nachhaltiger werden“, so Pape-Hamich. Aus ihrer bisherigen Erfahrung kann sie berichten: „Die Unternehmen sind durch die Bank weg besser geworden.“   

_Im Dialog mit Unternehmen

Die Kontaktaufnahme mit den Unternehmen, wie sie die KfW-Bankengruppe praktiziert, ist eine Art Engagement. Dieser Nachhaltig­keitsansatz gewinnt laut dem aktuellen Stimmungsindex von Union Investment in Deutschland zunehmend an Beliebtheit. Fast die Hälfte der 202 befragten Anleger will ihre Rolle als aktiver Investor­ auf- oder ausbauen. Sie planen, durch einen gezielten Dialog mit Unter­nehmen Einfluss auf die ökologischen und sozialen Kriterien sowie die Grundsätze guter Unternehmensführung zu nehmen. Diesen Weg will künftig auch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) gehen, die ursprünglich zur Entschädigung von Zwangsarbeitern des Nationalsozialismus gegründet wurde. Laut dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Salm wird man im Sommer dieses Jahres erstmals in die Kommunikation mit Unternehmen eintreten. „Wir wissen, dass es gegenwärtig Zwangsarbeit gibt, und haben einen Prozess definiert, in dem wir aktiv an die Unternehmen herangehen und die identifizierten Missstände ansprechen werden. Je nach Reaktion der Unternehmen entscheiden wir dann im Einzelfall, ob wir investieren oder nicht“, so Salm. Dass die Stiftung in diesen Gesprächen tatsächlich ­etwas bewirken kann, davon ist er überzeugt: „Eine­ Bundesstiftung, die einen politischen Hintergrund und entsprechende Möglichkeiten hat, ihre Erfahrungen zu kommunizieren, wird auf die Unternehmen einen gewissen Einfluss nehmen können.“

Auch Investoren ohne politischen Hintergrund haben sich dem Engagement verschrieben. Pionierarbeit leistete hier die Berliner Ärzte­versorgung, die als erster deutscher Investor ein Engagement-Overlay einrichtete und F&C mit ihrem REO-Ansatz mandatierte. Andere sind inzwischen diesem Beispiel gefolgt. So haben die Bayerische Versorgungs­kammer und die Evangelische Ruhegehaltskasse in Darmstadt F&C mit der Stimmrechtsausübung betraut. Auch bei Union­ Investment ist Engagement ein wichtiger Nachhaltigkeitsansatz,­ der verfolgt wird. „Viele unserer Kunden haben nicht die Ressourcen, um dies selbst zu machen. Einige wollen auch gar nicht in die Öffentlichkeit gehen. Gemeinsam mit unseren Kunden definieren wir die Themen, die wir für sie in den Gesprächen mit den Unternehmen vertreten“, erläutert Schindler. Die Themen, um die es den Investoren geht, seien teilweise­ von den aktuellen Geschehnissen dominiert. „Nach Fukushima­ ging es viel um ökologische Themen“, so Schindler. Aber auch soziale und ethische Themen nehmen einen immer breiteren Raum ein. Die Bank Sarasin engagiert sich ebenfalls als Investor und übt aktiv Stimmrechte aus. „Sowohl für Nachhaltigkeitsfonds als auch für institutionelle Mandate nehmen wir unsere Stimmrechte ­unter Berücksichtigung von Kriterien der Umwelt, Gesellschaft und Corporate Governance wahr. Wenn wir allerdings grundsätzlich nicht einverstanden sind mit einem Unternehmen, dann lösen wir uns von diesem Investment“, so Mosel. Der Ansatz, den Sarasin verfolgt, ist aktiv. Der Leiter des institutionellen Geschäfts in Deutschland ist überzeugt: „Nachhaltigkeit ist ein Investmentstil wie Growth oder Value. Durch Nachhaltigkeit lässt sich ein Alpha erzielen.“
    

Nachhaltigkeitsabstinenzler dürften Mosels Behauptung in Zweifel­ ziehen, hält sich unter ihnen doch hartnäckig das Vorurteil: Nachhaltig­keit kostet Performance. An dieser Einstellung haben auch Studien nichts geändert, die die Konkurrenzfähigkeit nachhaltiger Kapital­anlagen belegen. Aus dem Jahr 2011 stammt beispielsweise eine­ Studie von RCM. Für den Zeitraum 2006 bis 2010 wurde darin untersucht, wie sich der Einbezug von ESG-Kriterien auf die Performance von Portfolien auswirkt, die Titel aus den Indizes MSCI World, MSCI Europe und MSCI US enthalten. Als Benchmark wurde der gleichgewichtete MSCI-World-Index herangezogen. Das Ergebnis: Investoren hätten über einen Zeitraum von fünf Jahren die Gewinne um 1,6 Prozent pro Jahr erhöhen können, wenn sie in Unternehmen mit einer überdurchschnittlichen ESG-Performance investiert hätten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen im vergangenen Jahr die Harvard Business School und die London School of Business.

„Nachhaltigkeit führt nicht zu schlechteren Ergebnissen“, davon ist Michael Dittrich, Leiter der Verwaltungsabteilung bei der Deutschen Bundestiftung Umwelt, überzeugt. In diesem Glauben bestärkte­ ihn ein Experiment, das die Stiftung 2007 startete. In diesem wurden drei Spezialfonds mit einem identisch ausgerichteten globalen Anlage­universum auf eine Startlinie gesetzt, wobei einer der Fonds Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigte. „Nach drei Jahren lag der nachhaltige Fonds vorn“, so Dittrich. Daraufhin wurde einer der konventionellen Fonds durch einen zweiten Nachhaltigkeitsfonds ersetzt und der Test erneut gestartet. „Inzwischen liegen die beiden nachhaltig gemanagten Fonds wieder vor dem konventionellen Fonds“, erklärt Dittrich.­  

_Nachhaltigkeit senkt Extremrisiken   

Die andere Seite der Medaille und wohl noch viel wichtigere Frage ist: Wie wirkt sich Nachhaltigkeit auf der Risikoseite aus? Eine Antwort kennt Dr. Stefan Hörter von Risklab: „Bei der Anlageentscheidung kann die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren das ­Extremrisiko von Anlageklassen deutlich reduzieren.“ Zu dieser ­Erkenntnis hat ihn die im vergangenen Jahr erneut durchgeführte Risklab-Studie gebracht, in der der Einfluss von ESG-Faktoren auf die Extremrisiken bei Industrie- und Schwellenländeraktien sowie Unternehmensanleihen untersucht wurde. Das Extremrisiko wurde dabei als Conditional Value at Risk auf einem Konfidenzniveau von 95 Prozent gemessen. Verglichen wurden Standardindizes mit ESG-optimierten Strategien, für die Risklab bewusst nicht auf die vorhandenen SRI-Indizes zurückgegriffen hat. Stattdessen wurden wenige, aber repräsentative Risikofaktoren gewählt, anhand derer sich Nachhaltigkeitsrisiken mathematisch und quantitativ im Anlagekontext erfassen lassen. „Wichtig für uns war, alle drei Buchstaben­ – Evironment, Social­ und Governance – gleichermaßen mit Risikofaktoren abzudecken“, erklärt Hörter.
Für Schwellenländer­aktien zeigte sich, dass sich das erwartete Extremrisiko einer ESG-optimierten Strategie gegenüber dem MSCI-Emerging-Markets-Index von -64,5 auf  -38,8 Prozent pro Jahr reduziert. Ein ähnlicher Effekt ist bei Aktien aus Industrieländern zu beobachten. So lässt sich das erwartete Extremrisiko der Standardstrategie, die auf dem MSCI World basiert, durch eine ESG-Optimierung von -38,1 auf -25,7 Prozent senken. Obwohl das Ergebnis bei Unternehmensanleihen weniger spektakulär ausfällt, ist auch hier eine Risiko­minimierung von -8,1 auf -4,9 Prozent zu beobachten.

Diese Ergebnisse lassen keine Zweifel an dem positiven Effekt, den die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren auf der Risikoseite auslösen kann. „Diese Effekte zeigen sich allerdings unter ­Umständen erst über einen längeren Zeitraum. Es kann sein, dass zwei oder drei Jahre keine Effekte zu sehen sind“, merkt Hörter an. Dennoch ist er davon überzeugt: „Investoren tun gut daran, Nachhaltigkeitskriterien als neue Risikoklasse zur Kenntnis zu nehmen.“ Dass es längst zu einer Erweiterung des Risikobegriffs gekommen ist, stellte­ Peter Hadasch von Nestlé Deutschland auf der Uhlenbruch-­Tagung im Juni fest. Er veranschaulichte dies am Beispiel des Straßen­verkehrs: „Früher gab es nur Verkehrsschilder mit Höchstgeschwindigkeiten, um Unfälle zu vermeiden. Heute gibt es auch Verkehrsschilder­ mit dem Hinweis ‚Achtung spielende Kinder‘. Diese neuen Schilder zeigen das Risiko des anderen – dem Kind.“ Ganz ähnlich verhält es sich nach Ansicht von Hadasch mit dem Thema Nachhaltigkeit: „Nachhaltig­keit beschäftigt sich damit, welches Risiko ich mit meinem Handeln für einen Kleinbauern in Südamerika auslöse.“
 

_Keine Piigs im Universum

Ihren Nimbus als risikolose Asset-Klasse haben Staatsanleihen spätestens seit der Staatsschuldenkrise verloren. Für die Einschätzung der künftigen Leistungs- und Zahlungsfähigkeit von Staaten waren dabei die traditionellen Bonitäts-Ratings keine besonders gute Hilfe. Ende 2007 erhielt beispielsweise Griechenland von S&P ein Rating von A- und war damit für VAG-Anleger investierbar. Heute ist das Land zahlungsunfähig. Im Staatsanleihen-Rating von Oekom Research,­ das die Leistungen von Staaten anhand der beiden gleich­gewichteten Bereiche „Umwelt“ und „Soziales“ auf Basis von rund 150 Einzelkriterien bewertet, hat Griechenland hingegen noch nie Prime-­Status erreicht.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch andere Nachhaltigkeits-Ratings, wie etwa das SRI-Screening für Staatsanleihen vom belgischen­ Asset Manager Petercam. In dem eigens entwickelten Modell­ werden 53 Indikatoren aus fünf Kategorien berücksichtigt. „Die höchste Bedeutung hat für uns Transparenz und Demokratie, denn dadurch hat die Bevölkerung die Möglichkeit, selbst etwas zu verändern und einzuwirken. Unmittelbar danach folgen die Wohlstandsverteilung und das Gesundheitswesen“, erläutert Thomas Meyer,­ Deutschland-Chef von Petercam. Ferner werden Umwelt­aspekte berücksichtigt. Anhand dieser verschiedenen Indikatoren wird an jeden OECD-Staat eine Punktezahl vergeben. In Länder mit einer unter­durchschnittlichen Punktezahl darf der Portfoliomanager des Ende 2007 aufgelegten Fonds „Petercam Government Bond Sustainable“ nicht investieren. „Seit unserem ersten Ranking Ende 2007 waren die Piigs-Staaten immer unterdurchschnittlich bewertet und befanden sich somit nie in unserem Investmentuniversum“, erklärt Meyer.
Mit einer überdurchschnittlichen Punktezahl warten hingegen die skandinavischen Länder auf, im aktuellen Ranking vom März 2012 landet Norwegen auf dem ersten Rang. „Unser Ranking ist relativ stabil. Die skandinavischen Länder haben sich seit dem ersten Ranking immer auf den obersten Plätzen gehalten“, so Meyer. Auch bei Oekom Research belegen die skandinavischen Länder die vordersten Plätze, mit Norwegen an der Spitze. Trotz des guten Abschneidens von Norwegen sind dessen Staatsanleihen im Nachhaltigkeitsfonds von Petercam derzeit nicht enthalten. „Der Portfoliomanager arbeitet aktiv. Er muss nicht in jedes Land des Universums investieren“, erklärt Meyer. Stattdessen werde temporär auch mal in weniger liquide Länder investiert. „Slowenien ist zum Beispiel ein Land, das unser Portfoliomanager regelmäßig nutzt, um einen Mehrwert zu erzielen. Aber auch Belgien haben wir aktuell mit acht Prozent gewichtet“, erläutert Meyer. Diese Strategie scheint sich auszuzahlen. „Die Performance war immer­ positiv. Seit Auflegung lag die Wertentwicklung nach Kosten im Durchschnitt über sechs Prozent“, berichtet Meyer.   

Auch die Bank Sarasin stellt in ihrer Nachhaltigkeitsstudie zu Staatsanleihen von 2011 fest, dass sich eine Ergänzung der traditionellen­ Kredit-Ratings um ökologische und soziale Kriterien in den vergangenen Jahren ausgezahlt hätte. „In Industrie- und Schwellenländern war die Wertentwicklung von Staatsanleihen nachhaltiger Länder klar überdurchschnittlich“, heißt es. Um die Nachhaltigkeit von Ländern zu beurteilen, hat Sarasin eine Matrix erstellt, in der auf der horizontalen Achse die Verfügbarkeit von Ressourcen gemessen wird. Hier fließen auch wichtige Risikofaktoren für die Zukunft ein, wie Demografie und Klimawandel. Auf der vertikalen Achse wird die Effizienz der Transformation der Ressourcen in Lebensqualität und die Effizienz der ökonomischen, politischen und sozialen Prozesse gezeigt. Aus Nachhaltigkeitssicht zu bevorzugen sind Staatsanleihen von Ländern mit einer hohen Ressourcenverfügbarkeit und Effizienz. Dazu gehören Schweden, Australien und Brasilien. Ressourcen­arm, aber hoch effizient sind Japan, die Niederlande und Deutschland. Sie zählen ebenfalls zu den nachhaltigen Ländern. Zu den ineffizienten Staaten gehören unterdessen Griechenland, die USA und auch Russland trotz seiner vielen Ressourcen.

_Nachhaltige Länder liegen vorn

Um die durchschnittliche Wertentwicklung von Staatsanleihen nachhaltiger und nicht-nachhaltiger Länder zu vergleichen, teilte Sarasin­ von Dezember 2005 bis Juni 2011 den World Government Bond Index der Citigroup in 15 nachhaltige und zehn nicht-nachhaltige­ Industrieländer auf. Da Japan und die USA den Index mit 60 Prozent dominieren, wurde dieser mit einem monatlichen Rebalancing gleichgewichtet. Das Ergebnis: Nachhaltige Länder kommen auf eine­ Performance von 8,5 Prozent, nicht-nachhaltige Länder auf 6,1 Prozent. Obwohl die Volatilität der nicht-nachhaltigen Länder etwas geringer war, fiel die Sharpe Ratio­ der nachhaltigen Länder mit 0,41 gegenüber 0,21 immer noch besser aus. Die Erweiterung des magischen Dreiecks zum Viereck fördert also Sicherheit und bringt Rendite.

Die Entkopplung der beiden Gruppen setzte laut Sarasin ab Mitte des Jahres 2009 und vor allem 2010 ein. Während die nachhaltigen Staaten von der aktuellen Schuldenkrise weitgehend verschont blieben, brachen die Kurse der Staatsanleihen von Ländern der südlichen Peripherie von Europa ein. „Die davon betroffenen Länder haben vieles gemeinsam. Sie leben seit vielen Jahren nicht nur über ihre finanziellen, sondern auch über ihre ökologischen Verhältnisse“, schreiben die Studienautoren von Sarasin.­ Gemeinsam ist den nicht-nachhal­tigen Staaten aus Südeuropa noch etwas anderes: Ihre Bevölkerung hat eine Vorliebe für Wein. In den als nachhaltig eingestuften Staaten, wie Schweden, Deutschland und den Niederlanden, wird hingegen Bier bevorzugt. Obwohl es sicher mehr Bio-Wein als Bio-Bier gibt, scheint Alkohol in diesem Fall ein Kontraindikator zu sein.

portfolio institutionell, 13.07.2012

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