Schwarzer Schwan
1. Juli 2016

Die nackte Handtasche

Wie eine Kreditplattform auf Transparenz und Sachbesicherungen setzt.

Eine Kreditsicherheit bezweckt bekanntlich die Absicherung eines Kreditrisikos durch eine Sache oder ein Recht oder durch die Bonität von anderen. Dabei werden interessante Konstruktionen ersonnen, die dann aber oft am Ende doch nicht ihren Zweck erfüllen. Man denke nur an Residential Mortgage Backed Securities in den USA, als vorgeblich bestens diversifizierte Schuldnerportfolios gegen eins korrelierten. 
Schon die wohl erste Besicherung erwies sich für die Investoren als wertlos. Wie Niall Ferguson berichtet, besicherten vor etwa 150 Jahren die im Bürgerkrieg befindlichen, nicht kreditwürdigen Südstaaten ihre Anleihen mit Baumwolle. Dies war für die Investoren in Europa zunächst ein gutes Geschäft, da wegen des Krieges der Baumwollpreis in die Höhe schoss. Nachdem die Nordstaaten aber mit New Orleans den wichtigsten Hafen eroberten, konnte die Besicherung nicht mehr verschifft werden, die Anleihen wurden wertlos.
Neue Impulse für die Geschichte der Asset Backed Securities gaben nun chinesische Online-Kreditvermittler. Diese Idee zeugt von ausgewiesenem Kreditsachverstand, die aber offenbar jemand mit der geistigen Reife eines 16-Jährigen ersonnen hat: Wenn sich Chinesinnen ihre Handtaschen-Träume per günstigem Sofortkredit – Zinssatz: 20 Prozent – erfüllen wollen, ist nicht ihre Bonität entscheidend, sondern eine Sachbesicherung: Nacktbilder. Dies hat die FAZ-Redaktion berichtet, die offenbar – natürlich rein aus Recherchegründen – auf einschlägigen Web-Seiten unterwegs war. Mit Name, Geburtsdatum und Herkunftsort modelliert, dienen die Nacktaufnahmen der Kreditnehmerinnen der Kreditplattform als Faustpfand. Werden Kredite nicht zurückgezahlt, droht die Plattform mit der Veröffentlichung im Internet. Gestartet werden die Veröffentlichungen mit Ausschnitten. Die Hauptzielgruppe der Kreditplattform mit dem bedenklichen Verständnis von Transparenz und Anreizstrukturen sind Studentinnen. 
Womöglich haben die ebenso geschäftstüchtigen wie unreifen Macher der Kreditplattform auch einfach zu viel Shakespeare gelesen. In der „Kaufmann von Venedig“ handelte nämlich der Geldverleiher Shylock mit seinem Kreditnehmer Antonio als Sachbesicherung den Anspruch aus, bei Zahlungsversäumnis „ein Pfund Fleisch“, also sozusagen das equity piece, aus Antonios Körper herausschneiden zu dürfen. Das Zahlungsversäumnis trat dann auch ein. Der Besicherung konnte Shylock letztlich aber nicht habhaft werden, da es ihm verboten wurde, beim Herausschneiden Blut zu vergießen. Die chinesische Version setzt statt einem Blutverlust auf einen Gesichtsverlust, der für Asiaten aber fast ebenso schlimm ist. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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