Versicherungen
15. Januar 2014

„Die Neuregelung der Bewertungsreservenbeteiligung hat für uns höchste Priorität“

In einem Interview äußert sich GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg von Fürstenwerth zu den größten Herausforderungen, mit denen die Assekuranz konfrontiert ist. Im Zentrum seiner Überlegungen stehen die EZB-Politik und das Problem der Bewertungsreserven.

Jörg von Fürstenwerth kennt die Assekuranz aus dem Effeff. Seit 1996 agiert er als geschäftsführendes Präsidiumsmitglied und ist Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). In einem Interview hat er nun über zentrale Herausforderungen gesprochen, mit denen die Versicherungsbranche konfrontiert ist. Danach befragt, ob er glaubt, dass die Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinsen noch lange auf dem aktuellen Niedrigniveau lassen wird, antwortete er: „2013 ist das Jahr eines historisch niedrigen Zinses gewesen. Fast alle Experten erwarten, dass die Phase des Niedrigzinses auch 2014 anhalten wird.“
Aus von Fürstenwerths Sicht „war es das falsche Signal der EZB, die Leitzinsen auf jetzt nur noch 0,25 Prozent zu senken.“ Er spricht sich dafür aus, dass bei der EZB ein Umdenken einsetzen sollte: „Durch die niedrigen Zinsen verringern sich die Erträge unserer Produkte, das Vorsorgevermögen wird entwertet und die für Deutschland geradezu sprichwörtliche Spar- und Vorsorgekultur erodiert.“ 
Nach Angaben des GDV-Hauptgeschäftsführers musste die Assekuranz im vergangenen Jahr etwa 6,5 Milliarden Euro allein für die Zinszusatzreserve aufwenden, um die zu erwartenden geringeren Kapitalerträge zu kompensieren. Inzwischen findet der GDV, der in der Vergangenheit mit seinen Warnungen vor den negativen Folgeeffekten einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase auf einsamem Posten stand, laut von Fürstenwerth immer mehr Unterstützer, etwa den Bundesfinanzminister, die Bafin und die Bundesbank. 
Problematische Reserven 
Der GDV fordert seit geraumer Zeit, dass die Beteiligung auslaufender und gekündigter Versicherungsverträge an den Bewertungsreserven korrigiert wird. Zur Begründung sagt Hauptgeschäftsführer von Fürstenwerth: „Die dringend notwendige Neuregelung der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven sollte von der neuen Bundesregierung möglichst bald auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die aktuelle Rechtslage ist ökonomisch unsinnig“, so der GDV-Mann. Die Rechtslage zwinge „ausgerechnet in Zeiten historisch niedriger Zinsen zu Sonderausschüttungen in bisher nie dagewesener Höhe.“ Im vergangenen Jahr haben die Lebensversicherer in der Bundesrepublik jeden Monat etwa 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven ausgeschüttet. Laut GDV sind dies 80 Prozent mehr als im Jahr 2011. Dazu von Fürstenwerth: „Diese Substanz brauchen wir aber, um die Lebensversicherung wetterfest zu machen.“ 
Auf die Frage, welche Entwicklungen er für die einzelnen Versicherungssparten im neuen Jahr erwartet, antwortete der GDV-Hauptgeschäftsführer: „In der Lebensversicherung ist es unsere Aufgabe als Branche, unsere Kunden gut und sicher durch die Niedrigzinsphase zu bringen. Um das zu gewährleisten, haben wir in der Vergangenheit schon einiges auf den Weg gebracht. Neben dem Aufbau einer Zinszusatzreserve senken wir zum Beispiel die Überschussbeteiligung, diversifizieren unsere Kapitalanlagen und bieten Lebensversicherungsverträge mit neuen Garantiemodellen an.“ Man werde auch nicht umhin kommen, sich weiter um das Thema Kosten zu kümmern, um die Produkte attraktiv zu halten. 
Von der neuen Bundesregierung wünscht sich der GDV-Mann, eine Neureglung der Bewertungsreservenproblematik: „Die Neuregelung hat für uns höchste Priorität.“ Daneben erhofft sich der Versicherungsverband durch ein Plädoyer der neuen schwarz-roten Bundesregierung für das Drei-Säulen-Modell eine Stärkung der Lebensversicherung. „Ein solches klares Bekenntnis zur Notwendigkeit privater Altersvorsorge – etwa zur Riester-Rente – vermissen wir im Koalitionsvertrag“, betont von Fürstenwerth. 
Solvency II im Blick 
Auf EU-Ebene gibt es derzeit mehrere Regulierungsvorhaben, die die Versicherungsbranche betreffen und die 2014 weiter ausgearbeitet werden. Laut dem GDV-Experten stehe dabei das neue Aufsichtsrecht Solvency II im Vordergrund. Nach der Einigung über die wesentlichen Eckpunkte im November, gehe es nun darum, die Details zügig auszugestalten, „wenn das Regelwerk wie geplant ab 2016 vollständig in Kraft treten soll.“ Die Auswirkungen von Solvency II ließen sich noch nicht vollständig abschätzen, unterstrich von Fürstenwerth: „Sicher ist, dass der vorliegende Kompromiss das Angebot von Garantien auch in Zukunft möglich macht, wenngleich es für die Versicherer anspruchsvoll wird.“ Welche Auswirkungen das Regelwerk ganz konkret auf die Produktgestaltung und den Kapitalbedarf der Unternehmen haben wird, lasse sich erst bewerten, wenn die Details feststehen, erläutert er. 
Neben Solvency II gibt es noch drei parallele Initiativen, die sich mit der Regulierung von Finanzmarktprodukten und -akteuren befassen. Dazu gehören die Neufassung der Finanzmarktrichtlinie (Mifid2), die Novellierung der Versicherungsvermittlerrichtlinie (IMD2) sowie die Verordnung zu Basisinformationsblättern für Anlageprodukte (Packaged Retail Investment Products, PRIP). 
Auf die Frage, ob er Veränderungen bei den Vergütungssystemen durch politische Vorgaben oder auch als schleichenden Prozess, der von der Branche ausgeht, erwartet, antwortete von Fürstenwerth: „Das Thema Vergütungen im Finanzvertrieb hat für die Politik eine hohe Bedeutung. Davon zeugt nicht nur die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte Stärkung der Honorarberatung, auch die Neufassung der EU-Vermittlerrichtlinie widmet sich dem Thema Provisionen.“ Insofern sei der politische Druck da. Darüber hinaus stellte der GDV-Hauptgeschäftsführer klar: „Welche Änderungen die Unternehmen unabhängig von etwaigen Gesetzesänderungen an ihren Vergütungssystemen vornehmen, liegt allein in ihrer Entscheidung und wird vom GDV nicht kommentiert. Klar ist: Der ökonomische Rahmen hat sich wegen der Niedrigzinsphase fundamental geändert. Daher stehen die Produktkosten insgesamt – nicht nur die Provisionen – besonders im Fokus.“ 
portfolio institutionell newsflash 15.01.2014/Tobias Bürger
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