Schwarzer Schwan
29. April 2016

Die Transparenz geht flöten

Viele Unternehmen am hiesigen Aktienmarkt können aufatmen. Denn der Gesetzgeber sorgt mit neuen Vorgaben für Erleichterung bei der Finanzberichterstattung, wodurch die ohnehin lästige Kommunikation mit Investoren reduziert werden kann.

In der zurückliegenden Woche war es wieder einmal soweit: Unzählige börsennotierte Unternehmen haben ihre Bücher geöffnet und Anlegern frische Quartalsberichte präsentiert. Im Terminkalender besonders prall gefüllt war der Donnerstag: Mit Airbus, Fielmann und Wacker Chemie war die Dichte neuer Quartalsberichte am 28. April besonders hoch. Das übliche Prozedere mit der vierteljährlichen Transparenz dürfte sich in Zukunft aber ändern. Grund dafür ist ein neues Gesetz. 
Wie Peter Thilo Hasler aus dem Hause Sphene Capital erläutert, veröffentlichen die Unternehmen ihre Quartalsberichte nun erstmals nach dem neuen Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz. Im Blog der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) erläutert er, was sich hinter diesem Wortungetüm versteckt, nämlich nichts weniger als die Streichung der bisherigen Verpflichtung börsennotierter Unternehmen, aussagekräftige Quartalsberichte zu veröffentlichen. „In Zukunft liegt es im Ermessen des Emittenten, welche Informationen die wesentlichen Geschäfte innerhalb des Mitteilungszeitraums abbilden und die Auswirkungen auf die Finanzlage des Unternehmens in ausreichendem Maße widerspiegeln“, schreibt Hasler und betont: Statt eines integrierten Quartalsabschlusses mit Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung sollen nun nur noch Eckdaten für die Entscheidung eines Anlegers ausreichend sein, sich an einem Unternehmen zu beteiligen – oder eben nicht.
Wir meinen: Damit können sich die Unternehmensmanager ein bisschen wie Wendelin Wiedeking fühlen – wenn auch nicht ganz so reich. Der damalige Porsche-Vorstand verweigerte sich partout der Veröffentlichung von Quartalsberichten und nahm dafür den Rausschmiss aus dem M-Dax in Kauf. Ein Musterbeispiel für Corporate Governance ist das heutige VW-Porsche-Unternehmen aber auch nicht gerade. 
Der neue Freiraum aus dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz gilt aus Sicht redescheuer Kommunikationsabteilungen leider nicht für jeden Emittenten am Aktienmarkt. Es gibt tatsächlich noch Firmen, die auch in Zukunft quartalsweise Rechenschaft ablegen müssen. Hasler verweist dazu beispielsweise auf die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse, die „für die im Prime Standard notierten Unternehmen weiterhin die Veröffentlichung von Quartalsberichten vorsieht und sich für diese Unternehmen somit keine wesentlichen Änderungen der Berichtspflichten ergeben“. Jedoch seien die Auswirkungen für die gegenwärtig 157 Unternehmen, die am General Standard notiert sind, erheblich: „Für sie entfällt künftig die Pflicht zur Veröffentlichung von Q1- und Q3-Berichten.“ Der Clou dabei: „In puncto Finanztransparenz unterscheiden sie sich damit nicht mehr von Unternehmen des Entry Standards.“ Anders gesagt: Die Transparenz geht flöten. 
Spaß beiseite. Das Problem sieht laut Hasler so aus: „Wenn Emittenten am Entry Standard termingerecht veröffentlichen – und bemerkenswerterweise nutzt die Mehrheit der Emittenten die vorgeschriebenen Fristen bis zum letzten Tag aus – erscheint der Halbjahresbericht am 30. September eines Jahres, der Jahresabschluss am 30. Juni des Folgejahres. Von diesen Unternehmen erfährt der Investor im Zweifel über einen Zeitraum von neun Monaten: nichts“, schreibt Hasler und zieht vom Leder. „Dies mag in Zeiten von Eisenbahnaktien noch akzeptabel gewesen sein, im Internetzeitalter trennen neun Monate mindestens zwei Generationen.“ Das Gesetz trage daher den falschen Namen. In Wahrheit sollte es Intransparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz genannt werden. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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