11. Februar 2014

Die Zeit ist reif für PPPs

Michael Rieder und Prof. ­Dr. Stefan Jugel im ­Gespräch mit Patrick Eisele

Investments in Infrastruktur bewegen die Anlegerschaft ­– nicht aber die Politik. So lautet ein wichtiges Ergebnis der Umfrage ­„Öffentliche Aufgaben und private Investitionen“ unter institutionellen Investoren in Deutschland zu dieser Asset-Klasse. Durchgeführt wurde die Umfrage vom Berater Palladio­ Partners, der dabei von Prof. Dr. Stefan Jugel von der Hochschule Rhein-Main und portfolio institutionell unterstützt wurde.

Woher stammt die Idee für diese Umfrage?
Michael Rieder:
Wir hatten eine Podiumsdiskussion im Deutschen Bundestag in ­Berlin mit Politikern und deutschen institutionellen Anlegern zum Thema „Infrastruktur in Deutschland“ organisiert. Das Interesse an dieser Diskussion war sehr groß, da den ­Politikern der Finanzierungsbedarf der deutschen Infrastruktur bewusst ist.
Es stellte sich jedoch heraus, dass es auf der politischen Seite zum Teil eine Unkenntnis über die konkreten Ziele und Vorstellungen eines institutionellen Anlegers bei der ­Finanzierung von deutscher Infrastruktur gibt. Es war zu spüren, dass bislang ein ­Dialog zwischen öffentlicher Hand und Investoren nicht in ausreichendem Maße vorhanden war. Dies wurde in der Befragung nachher auch bestätigt: 93 Prozent der Investoren ­gaben an, bislang von politischen Vertretern noch nicht auf ein Infrastrukturengagement angesprochen worden zu sein. 
Nachdem während der besagten Podiums­diskussion häufig die Frage gestellt wurde, ob die Aussagen der anwesenden institutionellen Anleger für die Branche repräsentativ ­seien, entstand bei mir und meinem Partner, Dr. Bernd Kreuter, die Idee für eine sehr breit angelegte Umfrage unter hiesigen institutionellen Investoren zu deren Überlegungen zu Investments in Infrastruktur. Dass das Gros der Umfrageergebnisse an die Politik adressiert ist, war nicht beabsichtigt, sondern hat sich so aus den Antworten der Investoren ­ergeben. 
Prof. Dr. Stefan Jugel: Das kann ich bestätigen. Es gab in der Erstellung der Umfrage keinen politischen Fokus. Die Erhebung war von den Fragestellungen her sehr breit angelegt. Die Initiative zur Umfrage ging von ­Palladio Partners aus. Aus meinen eigenen empirischen Studien und der Auswertung von Sekundärstudien zu meinem Forschungsgebiet „Alternative Assets“ konnte ich erkennen, dass Infrastruktur ein großes Thema ist. So sind wir zusammengekommen. Übrigens gilt besonders für Private Equity, so meine ­neben der Heuschreckendebatte auch persönliche Erfahrung, dass die meisten Politiker diese Beteiligungsthemen nicht richtig einordnen können. In den USA oder in Großbritannien ist man hier schon weiter.

Rieder: Ein interessantes Ergebnis war auch das seitens der institutionellen Investoren hohe ­Bewusstsein bezüglich des gesamtwirtschaftlichen Nutzens einer funktio­nierenden Infrastruktur und dass auch geo­politische Abhängigkeiten bei Energielieferungen aus dem Ausland gesehen werden. Insbesondere scheint es auch wie erwähnt Nachholbedarf im Dialog mit der Politik bei der Frage zu geben, welcher Anlegertyp deutsche institutionelle Anleger sind. Das oft existierende Vorurteil, es handele sich um kurzfristig orientierte Anleger, die eine möglichst hohe absolute Rendite erwarten, erschwert sicher bisher die Dialogbereitschaft der Politik.
Die Befragung gibt hier eine wichtige Hilfe­stellung: Versicherungen und Pensionskassen sind relative Renditen (die ihren Rechnungszins übersteigen und zu ihrer Verpflichtungsseite passen) ebenso wichtig wie der langfristige Anlagehorizont. Damit sind (beziehungsweise können) institutionelle ­Anleger von ­ihrer Zielsetzung her ­langfristige verlässliche Partner der öffentlichen Hand (sein). Ein Matching der jeweiligen Ziele ­sollte möglich sein: Die Investoren planen laut Befragung in den kommenden zwei bis drei Jahren Infrastrukturinvestments in ­Höhe von 14 Milliarden Euro, und auf der anderen Seite beträgt zum Beispiel das jährliche ­Finanzierungsdefizit der Verkehrsinfrastruktur laut der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ rund sieben Milliarden Euro.  

Wie repräsentativ für die deutsche Anlegerschaft ist denn nun die Umfrage?
Jugel:
Die Umfrage ist absolut repräsentativ. Schließlich handelt es sich um eine Voller­hebung, an der sich 70 Prozent des Gesamtkapitals der deutschen ­institutionellen Anleger beziehungsweise 1,3 Billionen Euro beteiligten. Die Gesamtmarktabdeckung ist also sehr gut. Auch deshalb, weil die Antworten sehr detailliert und differenziert ausfielen.

Haben Sie dafür eine Erklärung?
Jugel:
Ein sehr wichtiger Grund für die hohe Rücklaufquote und die Bereitschaft zu detaillierten Auskünften führe ich darauf ­zurück, dass bei diesem Thema ein hohes Mitteilungsbedürfnis besteht. Ein solches ­Ergebnis ist nur bei einem neuen und für die Ansprech­partner auch ganz wichtigem ­Thema möglich. Wir können daraus schließen, dass Investoren dieses Thema unter den Nägeln brennt. 
Trotz der differenzierten Antworten ergab sich ein stimmiges Bild: Die Anleger haben investiert und wollen weiter, insbesondere in Deutschland, investieren. Sie müssen aber dem regulatorischen Umfeld vertrauen können und wünschen sich erkennbare Förderschwerpunkte. Dass Vater Staat die Rendite beeinflusst, ist mit Blick auf die präferierten Segmente „Netze“, „PPP“ und „Erneuerbare Energien“ nachvollziehbar. 
Rieder: Und aus diesem Blickwinkel ist auch erkennbar, warum Deutschland als ­Investitionsstandort besonders attraktiv ist. Allerdings: Ein Vertrauensverlust in die Rechtssicherheit eines Standorts, zum Beispiel durch Eingriffe in das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), würde nicht nur das Segment „Erneuerbare Energien“, sondern alle Infrastruktursegmente belasten. Die Vorschläge von Ex-Bundesumweltminister Peter Altmaier, die auch rückwirkende Änderungen am EEG vorsahen, und die über mehrere Monate unklare Beschlusslage beeinflusste das Anlageverhalten der deutschen institutionellen Anleger über die gesamte Asset-­Klasse. Aus meinen persönlichen Gesprächen mit ­institutionellen Anlegern weiß ich, dass man beispielsweise bei rückwirkenden Eingriffen bei Renewables davon ausgegangen wäre, dass ein solcher Schritt auch für andere Segmente der Infrastruktur möglich sein kann. Herr Altmaier, aber auch der spanische Gesetzgeber hat die Investoren sensibilisiert.
Das lässt sich in der Umfrage direkt darin herauslesen, dass 97 Prozent eine mögliche Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen als (hohes) Risiko bezeichnen, und indirekt darin, dass zwar 42 Prozent Deutschland als attraktiv bezeichnen, aber nur 24 ­Prozent als hoch attraktiv. Dass Kapital ein scheues Reh ist, hat sich in Spanien gezeigt, dessen Regierung in das regulatorische ­System eingegriffen hat. Während bisher 18 Prozent der Infrastrukturinvestitionen der deutschen Anleger in Südeuropa stattfanden, bezeichnen heute gerade einmal fünf Prozent Südeuropa noch als hochattraktiv. Die Regionen „Asien“ und „Rest der Welt“ schneiden bei dieser Frage besser ab.

Zu den „Wunschsegmenten“: Sind Investitionen in Netze in Deutschland realistisch?  
Rieder:
Die großen Netze sind weitest­gehend privatisiert oder stehen aktuell nicht zum Verkauf. In Deutschland existiert aber eine Vielzahl von regionalen Verteilernetzen. Hier bestehen Beteiligungsmöglichkeiten.

Ging die Attraktivität der Erzeugung von alternativen Energien insgesamt zurück, oder ­betrifft dies nur einzelne Energieformen?
Rieder:
Die Erneuerbaren Energien sind zwar heute nur noch für fünf Prozent hoch ­attraktiv, aber immer noch für knapp 50 ­Prozent attraktiv. Relativ zu den Segmenten „Netze“ und „PPP“ haben Renewables aber an Beliebtheit verloren. Dies lag zum Teil ­sicher an den sogenannten Altmaier-Vorschlägen, teils aber auch daran, dass in ­diesem Segment in Deutschland bereits viel investiert wurde und man nun auch mehr in andere Segmente ­diversifizieren will. Darüber hinaus lässt es sich aber nicht pauschalisieren, dass zum Beispiel nur eine bestimmte Energieform an Attraktivität verloren hat, auch wenn das ­breite Interesse an Photovoltaik­investitionen doch merklich zurückgegangen zu sein scheint.

Ein interessantes Ergebnis ist auch, dass ­Direktinvestments von 24 Prozent als attraktivste Zugangsvariante (Antwort „hoch attraktiv“) genannt werden. Besteht hier ein Bias durch die Kapitalgewichtung der Umfrage?
Jugel:
Nein. Wenn man die Fragebögen ohne Kapitalgewichtung (nach Anzahl der Befragten) auswertet, ergibt sich hier ein Wert von knapp 20 Prozent, ähnlich hoch und auch der höchste Wert unter der Kategorie „hoch attraktiv“. Dies zeigt das Interesse ­sowohl großer als auch kleinerer Anleger für Direktinvestments.

Rieder: Dieses Ergebnis zeigt, dass auch kleinere Anleger trotz teilweise geringerer Ressourcen bereits über einen Erfahrungsschatz in bestimmten Bereichen, wie zum Beispiel „Erneuerbare Energien“, verfügen und sich dann fokussierte Einzelthemen mit gut aufbereiteten Unterlagen zutrauen. Das kann zum Beispiel ein Windpark sein oder auch ­öffentliche Gebäude im Bereich der Immobilien/sozialen Infrastruktur in einem ­bestimmten Bundesland. Wenn die Politik hierzu den Dialog sucht, bieten sich große Chancen. Die ganze Asset-Klasse direkt anzugehen,­ scheint sich jedoch niemand zuzutrauen.­ Der bevorzugte Zugang bleibt nach wie vor der indirekte Weg über Fonds, da die gesamte Asset-Klasse vielfältig und komplex ist.
Dieses Ergebnis zeigt aber auch, dass die Investoren individuell abgeholt werden wollen, jeder mit etwas unterschiedlichen Anforderungen an das Thema. Starre Standard­produkte, wie Dachfonds, können dies nicht leisten, keiner der Befragten sieht diesen ­Zugangsweg als hoch attraktiv an. Angesichts der oft einstelligen Renditen muss man auch besonders gut auf die Kosten achten.

Bemerkenswert ist aus meiner Sicht,­ dass der Aspekt „Inflationsschutz“ nur von drei Prozent­ in der Kategorie „sehr wichtig“ verortet­ wird.
Rieder:
Das sollte man als Momentaufnahme einschätzen und ist sicher auch dem aktuellen Umfeld geschuldet. Daneben erachten fast 80 Prozent „sichere, langfristig planbare Cashflows“ als wichtig, hier spielt ­indirekt natürlich die Inflation(-serwartung) auch eine wichtige Rolle.

Die Politik sucht nach Finanzmitteln, um die Infrastruktur zu finanzieren, und muss sich um die Altersvorsorge sorgen. Die nötigen Hausaufgaben für die Gewinnung von privatem Kapital werden aber nicht gemacht. Ist hier eine gewisse Schizophrenie erkennbar?
Rieder:
Man muss sehen, dass die Politik mit vielen Themen beschäftigt ist und beispielsweise auf kommunaler Ebene in Einzelfällen auch schlechte Erfahrungen mit Sale-and-Lease-back-Transaktionen gemacht wurden. Institutionelle Anleger werden auch oft in die Schublade Finanzhai/Heuschrecke kategorisiert. 
Jugel: Man muss klar und differenziert ­sehen, dass die deutschen regulierten An­leger, wie Versicherungen und Pensions­kassen, andere Interessen haben als reine Renditemaximierung. Die hiesige Anlegerschaft sucht moderate, stabile Renditen ­passend zu den Verpflichtungen gegenüber ihren Versicherungsnehmern und Rentenbeziehern, und dies mit einem ­langfristigen Horizont. Nach der Deregulierung von Telekommunikation, Post und des Strommarktes ist nun die Zeit reif für Themen wie PPP.   
   
Trotzdem: Die Einschätzungen der ­Investoren, insbesondere zum bislang fehlenden Dialog, sind ein Armutszeugnis für die Politik.
Jugel:
Nein. Die Zeit war einfach noch nicht reif. In der jüngeren Vergangenheit waren erst die Wiedervereinigung und dann die ­Finanzkrise riesige und einfach wichtigere Themen. Vor ein paar ­Jahren gab es auch noch keinen Anlagenotstand beziehungsweise Probleme mit der Mindestverzinsung. Insbesondere Lebensversicherungen, die größte Anlegergruppe, stehen vor einer Neuorientierung. Das Thema ist jetzt aktuell, und es ist der Zeitpunkt gekommen, dass auch die Politik hier Prioritäten setzt. 
Rieder: In Deutschland sorgt auch das föderale System für schwierigere Startvoraussetzungen für Kooperationen zwischen Staat und Investoren. In zentral administrierten Staaten, wie Frankreich oder Großbritannien, haben PPPs eine längere Tradition.

Wo sollte denn dann ein Geburtshelfer anpacken?
Rieder:
Man sollte sich konkrete Themen und Bereiche ­vornehmen und weniger versuchen, eine allumfassende große visionäre Lösung zu finden. Dies könnten bestimmte konkrete Segmente/Projektarten sein oder auch regionale/kommunale Lösungen. Somit kann man Leuchtturmprojekte umsetzen und Akzeptanz erreichen. Die Akzeptanz spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man sollte sich auf die Bereiche fokussieren, in denen private Investoren akzeptiert sind. Dies könnte die soziale Infrastruktur sein, Bereiche wie öffentliche Gebäude oder auch Straßen, weniger beispielsweise aber die kommunale Wasserversorgung.
Beispiele aus dem Ausland zeigen, wie Lösungen für konkrete ­Probleme funktionieren können: In Belgien beispielsweise hat die ­öffentliche Hand die Notwendigkeit des Baus neuer Gefängnisse ­gesehen und hierfür ein spezielles PPP-Konzept erarbeitet. Ein ­konkretes Problem und eine konkrete Lösung. Interessant ist auch der sogenannte NIP, National Infrastructure Plan, in Großbritannien: Im Dialog mit institutionellen Anlegern wurde festgestellt, dass Greenfield-Projektrisiken ein Hindernis für Investitionen darstellen, und somit hat die Regierung für dieses Risiko ein Garantiekonzept ­erarbeitet. Gesamtumfang des Plans sind 450 Milliarden Euro. Dies zeigt, dass ein Dialog hilft, die jeweiligen Probleme beziehungsweise Bedürfnisse zu adressieren, und somit im Interesse aller Beteiligten Großes bewegt werden kann.
Jugel: In Ludwigshafen ist zum Beispiel die über den Rhein ­führende Hochstraße Nord irreparabel beschädigt und für LKW ­gesperrt. Hier ist ein konkreter Finanzierungsbedarf gegeben, der von der Kommune allein nicht ansatzweise dargestellt werden kann. Aus meiner Sicht könnte man hier einen Modellversuch starten. 

Also: Besser vor der Haustür die Hochstraße in Ludwigshafen als das multinationale Desertec-Projekt. Wie bewerten Sie das neue Bundes­kabinett?
Rieder:
Die Konzentration der Energiewende auf das Wirtschaftsministerium, dem dabei einer der wohl wichtigsten Minister der ­Koalition vorsteht, ist ein gutes Zeichen. Ebenso positiv ist zu bewerten, dass nicht nur die Zusagen für bereits bestehende Anlagen respektiert werden sollen, sondern auch genehmigte Anlagen Bestandsschutz genießen sollen. Der Ausgang ist aber nach wie vor offen.

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2014

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