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21. Dezember 2017

Continental-Treasurer im Interview: Diszipliniert und ambitioniert

Die Geschäfte von Continental laufen wie geschmiert. Das spürt man förmlich beim Vor-Ort-Besuch in Hannover rund um die in die Jahre gekommene Firmenzentrale, die schon bald an einem neuen Standort ein modernes Zuhause finden soll. Und man sieht es am Zahlenwerk des Automobilzulieferers.

Im laufenden Geschäftsjahr strebt das Dax-Mitglied auf neue Rekorde zu – und gibt sich damit nicht zufrieden. Dass jedes der unzähligen von „Conti“ im Ausland initiierten Projekte das Treasury in Hannover durchläuft und man dort auch in jede Akquisition des Konzerns involviert ist – angefangen bei der Due Diligence bis hin zur Integration – merkt man Stefan Scholz (Head of Finance & Treasury) nicht an. Entspannt bis in die Fußsohlen nimmt er sich Zeit für unsere Fragen. 
Herr Scholz, am 5. Dezember 2016 hat die Continental AG eine Euro-Anleihe ohne Kupon und ohne nennenswerten Abschlag zum Nennwert begeben, Fälligkeit des Nominalvolumens von 600 Millionen Euro ist 2020. Zum Vergleich: Eine 750 Millionen Euro Anleihe aus dem September 2013 war mit einem Kupon von 3,125 Prozent ausgestattet. Damit sparen Sie im Grunde genommen mehr als 18 Millionen Euro pro Jahr. Haben damals bei Ihnen die Sektkorken geknallt? 
Stefan Scholz: Wir haben bei der Emission ein gutes Timing gehabt und das angemessen gefeiert, allerdings ohne Sekt. Dann sind wir aber auch zügig wieder zum Tagesgeschäft übergegangen, da die Märkte bekanntlich immer in Bewegung sind. Die Transaktion ist für uns aber natürlich ein Meilenstein, weil er unsere ­erfolgreiche Arbeit bestätigt. Die bemerkenswerte Emission ist nicht nur durch uns allein geprägt, sondern auch durch den Zinsrückgang am Markt. Das Besondere war, dass wir ein Jahr zuvor mit der daraus resultierenden Kostenersparnis nicht gerechnet hatten. Unsere Freude war also gerechtfertigt. 
Zur Refinanzierung emittiert Continental regelmäßig Commercial Paper, die typischerweise eine kurze Laufzeit aufweisen. Wie ist es dort um die Zinssätze bestellt? 
Ein Commercial Paper trägt grundsätzlich keinen Zins. Die Emission erfolgt auf- oder abdiskontiert zum Nennwert. Wir sehen hier mittlerweile eine negative Rendite für den Investor. Ich hätte mir vor einiger Zeit nicht vorstellen können, dass Investoren bereit sind, 20 oder 25 Basispunkte zu zahlen, um Commercial Paper von Continental zu halten. 
In Zeiten von Nullzinsen in der Refinanzierung besteht das Risiko, dass man als Unternehmer die Renditeanforderungen senkt und Projekte initiiert, die langfristig nicht besonders rentabel sind. Wie begegnen Sie diesem Aspekt? 
Wir betrachten den realen Fremdkapitalzins und die Renditevorgaben, die ein Vorhaben mindestens erzielen muss, getrennt voneinander. Bei langfristigen Investments spielen andere Komponenten eine größere Rolle als der kurzfristige Refinanzierungszins. Deshalb haben unsere am Markt erzielten Refinanzierungskosten so gut wie keinen Einfluss auf unsere internen Zielmarken, die ein Projekt rentieren muss, damit wir es durchführen. 
Wie messen Sie bei Ihren operativ tätigen Geschäftseinheiten, inwiefern dort Wert geschaffen wird? 
Unsere Gesellschaften schöpfen Wert, wenn die Renditevorgaben auf das eingesetzte Kapital, der Return on capital employed, kurz ROCE, über zehn Prozent liegt. Unser Renditeziel liegt mit 20 Prozent deutlich darüber. In den vergangenen Jahren haben wir dieses Ziel wiederholt erreicht. In den operativen Assets ist übrigens auch Goodwill da die Märkte bekanntlich immer in Bewegung sind. Die Transaktion ist für uns aber natürlich ein Meilenstein, weil er unsere erfolgreiche Arbeit bestätigt. Die bemerkenswerte Emission ist nicht nur durch uns allein geprägt, sondern auch durch den Zinsrückgang am Markt. Das Besondere war, dass wir ein Jahr zuvor mit der daraus resultierenden Kostenersparnis nicht gerechnet hatten. Unsere Freude war also gerechtfertigt. 
Zur Refinanzierung emittiert Continental regelmäßig Commercial Paper, die typischerweise eine kurze Laufzeit aufweisen. Wie ist es dort um die Zinssätze bestellt? 
Ein Commercial Paper trägt grundsätzlich keinen Zins. Die Emission erfolgt auf- oder abdiskontiert zum Nennwert. Wir sehen hier mittlerweile eine negative Rendite für den Investor. Ich hätte mir vor einiger Zeit nicht vorstellen können, dass Investoren bereit sind, 20 oder 25 Basispunkte zu zahlen, um Commercial Paper von Continental zu halten. 
In Zeiten von Nullzinsen in der Refinanzierung besteht das Risiko, dass man als Unternehmer die Renditeanforderungen senkt und Projekte initiiert, die langfristig nicht besonders rentabel sind. Wie begegnen Sie diesem Aspekt? 
Wir betrachten den realen Fremdkapitalzins und die Renditevorgaben, die ein Vorhaben mindestens erzielen muss, getrennt voneinander. Bei langfristigen Investments spielen andere Komponenten eine größere Rolle als der kurzfristige Refinanzierungszins. Deshalb haben unsere am Markt erzielten Refinanzierungskosten so gut wie keinen Einfluss auf unsere internen Zielmarken, die ein Projekt rentieren muss, damit wir es durchführen. 
Wie messen Sie bei Ihren operativ tätigen Geschäftseinheiten, inwiefern dort Wert geschaffen wird? 
Unsere Gesellschaften schöpfen Wert, wenn die Renditevorgaben auf das eingesetzte Kapital, der Return on capital employed, kurz ROCE, über zehn Prozent liegt. Unser Renditeziel liegt mit 20 Prozent deutlich darüber. In den vergangenen Jahren haben wir dieses Ziel wiederholt erreicht. In den operativen Assets ist übrigens auch Goodwill enthalten, den wir durch zahlreiche Akquisitionen – wie zum Beispiel Siemens VDO Automotive im Jahr 2007 – in unserer Bilanz ausweisen. Der Goodwill selbst stellt dabei natürlich keinen operativ nutzbaren Ver­mögenswert dar. Insofern ist ein ROCE von 20 Prozent meiner Einschätzung nach durchaus sportlich und absolut angemessen. 
In den 1990er-Jahren hatte Continental den Werbeslogan: „Reifen – neuester Stand“. Heute wirbt der Automobilzulieferer mit „The Future in Motion“. Inwieweit spielt die Zukunft in Ihrem Tagesgeschäft eine Rolle? Ich denke da beispielsweise an neue Anlageklassen und die Ausfinanzierung von in der Zukunft liegenden Pensionsverpflichtungen?
Fangen wir mal beim Zinsniveau an. Das hilft uns heute natürlich bei der Refinanzierung des Konzerns. Auf der Pension-Asset-Seite wiederum sorgt die Zinsentwicklung dafür, dass es uns schwerer fällt, mit bestimmten Anlageklassen eine gewisse Rendite zu erzielen. Das ist ganz entscheidend, auch wenn wir keine feste Zielgröße definiert haben, die wir per annum auf der Anlageseite erreichen müssen. 
Unsere Investitionsentscheidungen treffen wir daher nicht auf Basis der zu erwartenden Renditen, sondern achten vielmehr zur Vermeidung von Kapitalverlust auf eine gute Diversifizierung und damit Balance in unseren Portfolien. Daher schauen wir eher selektiv auf neue Anlageklassen und ihre Eignung für unsere Portfolien. Es ist so, dass die Rendite unserer beiden CTAs keinen Einfluss auf die Verzinsung der Pensionsansprüche der Mitarbeiter hat. 
Würden Sie das bitte näher erläutern. 
Unsere Pensionszusagen basieren auf einem fixierten Zinsfuß und nicht auf der aktuellen Zinsentwicklung beziehungsweise erzielten Rendite. Im Rahmen unserer beiden CTAs legen wir die zur Deckung künftiger Pensionsansprüche beiseitegelegten Gelder risikobewusst an. Das Risiko muss für uns immer tragfähig sein. 
Aber die Zeiten haben sich geändert. 
Früher konnte man mit Anleihen, deren Rating im Investment-Grade-Bereich lag, 3,5 Prozent Rendite pro Jahr und mehr erzielen. Heute muss man dazu auf Emittenten im High-Yield-Bereich ausweichen. Aber das war früher und ist auch heute nicht das Anlageuniversum, auf dem unser Fokus liegt. Wir wollen mit unserem Portfolio eine angemessene Rendite erzielen. Dazu treffen wir am Jahresanfang in Absprache mit unserem Finanzvorstand Renditeannahmen, die wir mit unserem Portolio auf Jahressicht erwarten. Und diese Renditeerwartung wollen wir mindestens erreichen. 
Aber natürlich kann es vorkommen, dass sich die Bedingungen an den Märkten abrupt verändern und damit auch die Eigenschaften von Asset-Klassen, wie man das zuvor nicht erwarten konnte. Deshalb hinterfragen wir, inwieweit wir unter der Berücksichtigung von Risikogesichtspunkten und Diversifizierung bessere Anlageentscheidungen treffen können. 
Lassen Sie uns den Blick auf das Treasury und die Steuerung der Liquidität richten. Gibt es dort Besonderheiten, die Continental als weltweit agierender Automotive-Konzern installiert hat? 
Ja, das kann man so sagen. Bei unserer Liquiditätssteuerung wenden wir ein mathematisch-statistisches Modell an. Damit analysieren wir Daten aus der Vergangenheit, um die Zukunft vorherzusehen. 
Klingt nach Big Data.
Das könnte man so sagen. Wir sprechen aber eher von predivtive analytics. Für Analysezwecke greifen wir auf eine Fülle von Daten in unserem SAP-System zurück. Was heute von vielen als zeitgemäß und fortschrittlich propagiert wird, machen wir aber schon seit vielen Jahren bei der Liquiditätsplanung. 
Mit dieser Form der Analyse können wir eine sehr verlässliche Liquiditätsplanung vornehmen. Unser Tool ist so ausgefeilt, dass wir unsere mehr als 180 Tochtergesellschaften bei der Planung recht spät einbinden ­müssen. Das macht vieles einfacher. Unser Modell ist akkurat und funktionierte auch in der Krise. 
Worauf führen Sie das zurück? 
In einer wirtschaftlich angespannten Phase ist es nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter manuelle Anpassungen innerhalb der Planungen vornehmen. Das kann aber zu Instabilitäten im Hinblick auf das Gesamtsystem führen. 
Wenn man auf kurzfristige Eingriffe verzichtet und stattdessen auf stabile Informationen ohne manuelles Zutun ­zurückgreift, bleibt die Qualität des Analyse-Tools auf einem unverändert hohen Niveau. Das hat in der Finanzkrise gut funktioniert. Wenn es die Umstände erfordern, ergänzen wir in dem Tool natürlich auch Sondereffekte wie zum Beispiel Aufwand für Akquisitionen. 
Die Zukunft der Mobilität liegt im autonomen Fahren. Continental ist dafür unter anderem eine Zusammenarbeit mit BMW und Intel eingegangen. Continental-Mitarbeiter in Frankfurt am Main testen seit Sommer dieses Jahres einen selbstfahrenden Vorläufer eines Robo-Taxis. Inwieweit müssen Sie in der Finanzabteilung/im ­Treasury den technologischen Fortschritt mit möglicherweise disruptiven Entwicklungen und anderen Unwägbarkeiten antizipieren? 
Die von Ihnen beschriebene Entwicklung setzt voraus, dass wir die Aktivitäten und Produkte im Konzern verstehen und Trends kennen. Continental ist in vielen Bereichen sehr gut vorbereitet, um am weiteren Wachstum teilzuhaben. Wenn wir das automatisierte Fahren erörtern, reden wir über Produkte, Systemkompetenz und neue Kunden, die auf uns zukommen. Für uns bedeutet das, dass wir uns in unserer Analyse im Bereich Treasury auf die neuen Abnehmer konzentrieren müssen. Das betrifft das Credit Management und kritische Fragen, etwa nach der Höhe von Zahlungszielen, die wir neuen Kunden gewähren können. 
Tesla ist binnen weniger Jahre praktisch aus dem Nichts zum dynamischen Autobauer avanciert und investiert horrende Summen. Müssen Geldgeber und Zulieferer dort, verglichen mit etablierten Kunden, andere Maßstäbe ansetzen?
In Asien gibt es zahlreiche Unternehmen, die man mit dem Fahrzeugbauer Tesla vergleichen kann, wie er vor fünf bis zehn Jahren aufgestellt war: Die Unternehmen sind jung, haben Ideen und gute Leute, aber benötigen auch große Zulieferer wie Continental mit seinen Erfahrungen. 
Für uns im Treasury bedeutet das, weltweit das große Ganze im Blick zu haben. Denn gerade in der Automobilindustrie findet viel Innovation auch außerhalb Deutschlands statt. Neue Unternehmen treten in den Wettbewerb ein, Geschäftsmodelle ändern sich und es werden neue Zahlungsmethoden entwickelt. Wir müssen uns darauf einstellen, dass immer wieder Innovationen auf uns zukommen, die wir vor wenigen Jahren so nicht erwartet hätten. 
Dabei ist es uns wichtig, nicht nur auf Veränderungen konstruktiv zu reagieren, sondern auch zu antizipieren, was im Markt vor sich geht. Dazu müssen wir nicht der Erste sein, der Neues entwickelt. Für mich bedeutet das, als Treasurer das Ohr am Markt zu haben und andererseits zu verfolgen, was intern bei uns vorangetrieben wird. 
Der Continental-Konzern umfasst fünf Divisionen mit 29 Geschäftsbereichen. Weltweit haben Sie mehr als 230.000 Kollegen an mehr als 400 Standorten in 56 Ländern und peilen beim Umsatz neue Rekorde an. 
Daran sehen Sie, wie wichtig es ist, sich länderübergreifend zu vernetzen. Wir arbeiten im Finanzbereich natürlich interaktiv mit Tochtergesellschaften im Ausland zusammen. Und wenn Sie in den Medien etwas über ein bestimmtes Projekt von Continental erfahren, dann kann ich Ihnen versichern, dass auch das Treasury hier in Hannover in das Vorhaben eingebunden ist. 
Im Treasury verfolgen Sie unter anderem das Ziel, die Liquidität der Tochtergesellschaften zu bündeln, um diese bedarfsgerecht für die Tilgung von Schulden einzusetzen. Ist das so einfach, wie es klingt? 
Keineswegs. Es bestehen zum Beispiel steuerrechtliche Restriktionen, die uns daran hindern, Gelder nach eigenem Gusto über Grenzen hinweg zu transferieren. In Europa ist das relativ einfach. Hier haben wir im Grundsatz alle Gesellschaften in einem Cash Pooling miteinander verknüpft. Es gibt aber auch Länder, in denen der Liquiditätstransfer nicht ohne Weiteres möglich ist. Hier stehen uns zum Beispiel steuerrechtliche Restriktionen im Weg.
Über allem steht das Ziel, die freie Konzernliquidität niedrig zu halten. Warum? 
Mit dem Vorhalten von Liquidität wird aus meiner Sicht kein Wert geschaffen. Denken Sie an unsere Renditeerwartungen. Die Liquidität birgt auch ein Risiko. Es geht um Geld, das brach liegt, während es für andere Zwecke genutzt werden könnte. Aber natürlich wollen wir uns gegen unvorhersehbaren Liquiditätsbedarf absichern. Dafür gibt es nach unserer Einschätzung aber bessere Instrumente. In unserem Fall ist das eine Revolving Credit Facility. Die Continental AG hat dazu im Augenblick ein Volumen von drei Milliarden Euro fixiert. Diese mit unseren Banken fest vereinbarte Kreditlinie dient dazu, unter anderem Schwankungen beim Working Capital auszugleichen. 
Daneben verfügen wir zum Monatsende über eine auf unsere Gesellschaften verteilte Zielliquidität von 1,5 Milliarden Euro. Wir müssen also nicht, wie andere Unternehmen das traditionell handhaben, eine strategische Liquiditätsreserve vorhalten, um auf unvorhergesehenen Liquiditätsbedarf reagieren zu können. 
In der Summe verfügen wir aktuell neben der bestehenden Liquidität am Monatsende zusammen mit der Revolving Credit Facility und zuzüglich der von uns in Anspruch genommenen und zugesagten Kreditlinien über ein Volumen, das über fünf Milliarden Euro liegt. Mit diesem Polster können wir gut schlafen und zusätzlichen Liquiditätsbedarf decken. 
Die Nettoverschuldung auf Konzernebene lag Ende 2016 bei nur noch 2,81 Milliarden Euro. Die Tendenz ist weiter stark sinkend, wenn man Projektionen Glauben schenken kann. Machen Sie sich selbst Druck, Schulden abzutragen? 
Wir verfolgen eine Strategie, die sich nicht dadurch beeinflussen lässt, ob wir vom Zinsniveau her niedriger oder höher sind. Vielmehr verfolgen wir strategische Ziele. Wir arbeiten beispielsweise mit den Kennzahlen Gearing Ratio, also am Verhältnis vom Fremd- zu Eigenkapital, der Leverage Ratio (Nettoverschuldung zu Ebitda) und orientieren uns natürlich auch an der Eigenkapitalquote. Hier haben wir inzwischen komfortable Werte erreicht. Damit versetzen wir uns in eine gute Ausgangsposition, um auch in Zukunft Opportunitäten im Markt wahr­nehmen zu können. 
Sie haben in den vergangenen zehn Jahren mehr als 150 Akquisitionen getätigt … 
… und das wollen wir auch weiterhin tun. Das können kleinere Transaktionen sein, es kann aber auch mal wieder eine große sein. Neben dem Gearing Ratio, Leverage Ratio  und der Eigenkapitalquote hat der freie Cashflow für die Steuerung von Continental eine große Bedeutung. Wir erzielen einen guten und stabilen Cashflow. 
Was ist Ihr Erfolgsrezept? 
Wir gehen unverändert diszipliniert vor. Beispielsweise achten wir strikt auf unser Working Capital. Dabei legen wir unter anderem Wert darauf, das richtige Maß an Vorräten zu haben. Daneben achten wir darauf, dass unsere Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in einem vernünftigen Rahmen bleiben, das schließt ein ausgefeiltes Mahnwesen ein. 
Der Continental-Konzern verfügt, Sie haben es bereits kurz erwähnt, über zwei CTAs. Einerseits betrifft das den Continental Pension Trust e.V. und andererseits den Continental Automotive Pension Trust e.V. Wann und warum wurden die beiden, von der Konzernbilanz separierten Treuhandver­mögen ins Leben gerufen? 
Der Continental Pension Trust wurde 2006 von uns aufgesetzt. Die Continental AG hat darin mit Hilfe von zwei Tranchen insgesamt 630 Millionen Euro aus vorhandener Liquidität eingezahlt. An dem Treuhandvermögen partizipieren einige Tochtergesellschaften.
Den zweiten CTA haben wir nicht selbst ins Leben gerufen, sondern im Zuge der Übernahme von Siemens VDO im Jahr 2007 hinzubekommen. Das Vehikel wurde später umbenannt in Continental Automotive Pension Trust. 
Beide CTAs fahren heute parallel und sind in ihrer Ausrichtung recht ähnlich. Ihre Strategien sind nah bei einander. Bei der Kapitalanlage haben wir keine externen Asset Manager direkt mandatiert. Meine zwei Kolleginnen im Pension-Asset-Management führen eine detaillierte Analyse der Investment- und Risikomanagementprozesse von Fonds durch, bevor wir in institutionelle Publikumsfonds investieren.
Es gibt Unternehmen, die sich eine bestimmte Ausfinanzierungsquote von beispielsweise 90 oder 95 Prozent zum Ziel setzen. Wie ist das bei Ihnen? 
Der Ausfinanzierungsgrad interessiert uns natürlich auch. Wir sind jedoch der Meinung, dass es wichtigere Kennziffern gibt. Die Art und Fälligkeit der Zusagen und damit die Passivseite der Bilanz sind für das Pensionsrisiko nach unserem Verständnis von wesentlich größerer Bedeutung als der Ausfinanzierungsgrad. Das ist auch der Grund, weshalb wir in den vergangenen zehn bis 15 Jahren daran gearbeitet haben, unsere Pensionszusagen weniger risikoreich zu gestalten. 
Machen Sie das bitte an einem Beispiel fest.
Stellen Sie sich eine endgehaltsabhängige Pensionszusage vor, die sich an der letzten Gehaltszahlung an den Mitarbeiter vor dessen Renteneintritt orientiert. Diese müssen Sie Jahr für Jahr neu kalkulieren und für Zwecke der Bilanzierung zahlreiche Annahmen treffen. In diesem Konzept tragen Sie als Unternehmen ein deutlich größeres Risiko. Denn Sie müssen die in der Zwischenzeit auftretenden Lohnsteigerungen und die Inflation prognostizieren. Als Unternehmen glaubt man zwar zu wissen, wie hoch das Endgehalt eines heute beispielsweise 40-jährigen Mitarbeiters in der fernen Zukunft ist. Man muss sich als Arbeitgeber entscheiden, ob man bereit ist, dieses Risiko zu tragen oder ob man nicht lieber ein fest definiertes Risiko eingehen möchte. 
Was sagen da die Mitarbeiter? 
Unseren Mitarbeitern, die heute auf Gehalt zu Gunsten ihrer späteren Betriebsrente verzichten, sagen wir einen internen Zinsfuß zu. Sie wissen, dass ihr angespartes Rentenkonto mit diesem Zinsfuß wächst. Von diesem Konzept profitieren der Mitarbeiter als auch der Arbeitgeber. Das bei Pensionseintriit vorhandene Kapital kann präzise berechnet werden. Die monatlichen Rentenzahlungen werden dann auf Basis der Lebenserwartung ermittelt. 
Was macht Sie so sicher, dass Sie den Zinsfuß auch erwirtschaften können? 
Der Rechenzins liegt im einstelligen Prozentbereich. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass das Geld, das der Mitarbeiter für die ­Betriebsrente im Unternehmen belässt, intern nicht die gewünschte Rendite erwirtschaftet. Gleichwohl haben wir einen ROCE von 20 Prozent erreicht und wollen das auch weiterhin tun. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir über mehrere Jahre hinweg diese Rendite nicht erwirtschaften, ist sehr niedrig. 
Sie haben neben der Bundesrepublik auch in den USA und Großbritannien Pension Assets. Bestehen nennenswerte Unterschiede in der Anlageausrichtung? 
In den USA fahren wir einen höheren Aktien­anteil. Die Asset-Klasse ist dort nach unserer Einschätzung für den Zweck genau die Richtige. Und sie bringt einen höheren erwarteten Return mit sich. Damit wird die Refinanzierungspflicht des Unternehmens nicht negativ beeinflusst. 
Welche Anlagevolumina haben Ihre CTAs? 
Wir sprechen insgesamt von rund 1,3 Milliarden Euro in den deutschen CTAs. In der Vergangenheit lag unser Fokus vor allem auf Corporate Bonds mit Investment Grade Rating. Wir waren nie ein Anhänger von ­Kapitalanlagen mit vergleichsweise hohem Risiko. 
In der jüngeren Vergangenheit ist unser Fokus von den bonitätsstarken Rentenpapieren aber etwas abgewichen, da die ­Renditen nicht mehr attraktiv sind und zugleich Risiken eines Zinsanstiegs damit verbunden sind. Deshalb haben wir eine ergänzende Struktur bei unseren Kapitalanlagen in den CTAs aufgesetzt, um eine Diversifizierung zu erzielen, die das Risiko von Kapitalschwankungen auf Portfolioebene reduziert. 
Welche Asset-Klassen sind für Ihre begrenzte Risikoneigung angemessen? 
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Wir analysieren individuell die Downside-Volatilität in normalen und gestressten Märkten und hinterfragen, wie Asset-Klassen nach unten hin reagieren. Das heißt, wir ­wollen zu einem großen Teil Produkte im Basisportfolio haben, die eine bestimmte Volatilität nicht überschreiten. Zusätzlich haben wir Satelliten-Investments mit einer höheren Volatilität definiert, die uns die Chancen einer höheren Performance eröffnen. Wir sind aber weiterhin äußerst risikobewusst. 
Hatten Sie dieses Konzept auch schon 2006, als Sie den ersten CTA aufgelegt haben? 
Damals vertraten wir die Ansicht, dass Asset-Liability-Studien eine sehr gute Basis darstellen, an der wir uns ausrichten können. Dann kam die Krise. Damit waren die unserer ALM-Studie zugrunde liegenden Korrelations­annahmen obsolet und mit ihnen auch ­unsere Kapitalanlagenstruktur. In der jüngeren Vergangenheit hat uns dann auch die Zentralbankpolitik gelehrt, dass traditionelle Annahmen mit Vorsicht zu genießen sind. 
Früher haben wir mal gelernt: Wenn die Zinsen nach oben gehen, gehen die Aktien nach unten.
Die Gegenwart hat uns etwas anderes gelehrt. Im Grunde genommen sind ALM-Studien durchaus vernünftig. Aber sich daran bei der Allokation unkritisch auszurichten, ist nicht das, was wir tun. Wir haben zwar im Jahr 2006 eine an einer ALM-Studie ­ausgerichtete strategische Asset-Allokation vorgenommen und das Portfolio passiv mit ETFs bestückt und daneben auch auf Staatsanleihen gesetzt. ETFs waren für uns zu jener Zeit das effizienteste Produkt. So konnten wir unsere strategische Asset-Allokation schnell und günstig umsetzen. 
Der pragmatische Ansatz ist typisch für uns. Im Zuge der Krise haben wir die Zielallokation allerdings aufgebrochen, da wir neue Erkenntnisse hatten und einen Asset-Tausch im Hinblick auf Schaffung von Liquidität ­getätigt haben. 
Welche Lehren haben Sie aus den Erfahrungen der Finanzkrise gezogen? Setzen Sie nun beispielsweise verstärkt darauf, Ihre Kapitalanlagen an die Struktur der Verbindlich­keiten anzupassen, wie ­andere das tun, um der zinsbedingten ­Volatilität auf der Passivseite zu begegnen und ruhiger schlafen zu können? 
Wir verfolgen kein Liability-driven-Investment-Konzept. Wir haben in unseren CTAs nach wie vor eine Asset-only-Betrachtung, bei der die Verpflichtungsseite außen vor bleibt. Aber auf Konzernebene haben wir die Passiva natürlich im Blick und sind uns ihrer Risiken bewusst. Wir leisten pro Jahr Pen­sionszahlungen in Höhe von rund 200 Millionen Euro. Zum Vergleich: Unser freier Cashflow nach Akquisitionen lag im vergangenen Geschäftsjahr bei knapp 1,8 Milliarden Euro. Das zeigt, dass wir einen gewissen Puffer haben, bevor wir auf die Reserven im CTA zurückgreifen müssen. Jedes Unternehmen muss aber für sich entscheiden, wie es seinen Risikopuffer konzipiert. 
Das heißt, Sie betrachten die CTAs als eine Art Reserve, für den Fall, dass der freie Cashflow aus dem operativen Geschäft nicht ausreicht, um den Pensionsverpflichtungen nachzukommen?
Wir zapfen die CTAs derzeit nicht an, um unsere Pensionsverpflichtungen zu bedienen. Diese Zahlungen werden aus dem Cashflow bestritten, der aus unserem operativen Geschäft resultiert. 
Continental strebt ein ausgewogenes Kundenportfolio an und sucht die Balance zwischen der Automobilbranche und anderen Industrien. Dazu streben Sie die Ausweitung Ihres Geschäfts in Branchen außerhalb der Automobil-Erstausrüstung an. Macht es aus Risikogründen Sinn, mit den CTAs in Branchen zu investieren, die rein gar nichts mit Autos zu tun haben? 
Für 2017 erwarten wir einen Umsatz im Konzern von mehr als 44 Milliarden Euro vor Wechselkurseinflüssen; der Anteil unseres Geschäfts, der auf die Automotive Group entfällt, lag zuletzt bei rund 72 Prozent. 28 Prozent setzen wir in der Rubber Group zum Beispiel mit dem Reifenersatzgeschäft um. 
Der Umsatzanteil im Automobilbereich ist ein Vielfaches dessen, was in den CTAs an Pension Assets vorhanden ist. Der Effekt einer gezielten Investition außerhalb der Automobilbranche wäre kaum messbar. Man könnte auch sagen, unser Ansatz ist nicht highly sophisticated. Wir sagen stattdessen „keep it simple“, wenn es möglich ist, damit unsere Ziele zu erreichen. Highly Sophisticated müssen wir mit unseren Produkten sein. 
Das Gespräch führte Tobias Bürger Ende Oktober 2017. 
portfolio institutionell, Ausgabe 11/2017 

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