Traditionelle Anlagen
9. Oktober 2014

Drum prüfe, wer sich lange bindet

Immer mehr börsennotierte Unternehmen nutzen ausgetüftelte Investorendatenbanken, aus denen sie ihre idealen Geldgeber auswählen und kurzerhand ansprechen können. Welche institutionellen Anleger sich wiederum mit Expertise am deutschen Aktienmarkt tummeln und eigene Interessen mit denen der Unternehmen koppeln, das erfahren Sie hier.

Unternehmen suchen Investoren. Investoren suchen Beteiligungen. Doch nicht immer finden beide Seiten ohne weiteres zusammen. Denn gerade die kleineren Kapitalsammelstellen, die keine eigene Anlagemannschaft unterhalten, müssen sich externen Rat einkaufen. Sie greifen bei der Titelselektion daher typischerweise auf kostengünstige Spezialfonds beziehungsweise offene inländische Spezial-AIFs zurück, deren Manager sich um die Auswahl der Beteiligungen kümmern. Investoren können Aktienanlagen natürlich auch selbst bewirtschaften. Vorausgesetzt, die erforderliche Aktienexpertise ist auch vorhanden.

Gleichwohl muss man konstatieren, dass zahlreiche Kapital­sammelstellen personell nur sehr dünn besetzt sind. Dahinter steht der Versuch, die Kosten in engen Grenzen zu halten. Das heißt, ohne Asset Manager und Spezial-AIFs können sie im Aktienuni­versum nichts reißen. Wie Clemens Schuerhoff, Vorstand beim Beratungshaus Kommalpha, beobachtet hat, gilt dieser Umstand insbesondere für die Pensionsvehikel mittelständischer Unternehmen. Aber auch bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen greife man ­bevorzugt auf externe Anlageexperten zurück. Schließlich haben Rechtsanwälte und Ärzte, um nur zwei Berufsgruppen heraus­­zu­greifen, meist nicht die erforderliche Expertise. „Entscheidungsträger und Finanzverantwortliche in mittelständischen Pensionseinrichtungen haben in der Regel nicht die Zeit und Expertise, sich im Thema Aktien mit Unternehmen und Einzeltiteln zu beschäftigen. Sie ­müssen sich auf die Auswahl qualitativ hochwertiger Dienstleister und entsprechendes Investmentcontrolling konzentrieren“, betont Schuerhoff.

Expertise ist bei der Kreissparkasse Biberach definitiv vorhanden. Mit einer Bilanzsumme von 6,1 Milliarden Euro zählt das Institut zu den größten Sparkassen Baden-Württembergs. Kurt Hardt, stellvertretendes Vorstandsmitglied, bezifferte das Gesamtlimit über alle ­Aktienpositionen hinweg jüngst auf 500 Millionen Euro. Ihr Faible für Aktien setzt die Kreissparkasse neben der Eigenanlage spiegelbildlich auch in einem Publikumsfonds, dem Universal-Shareconcept-BC, in die Praxis um. Die Anlagephilosophie basiert auf einem auf Nebenwerte ausgerichteten Stockpicking-Ansatz. Die Titelauswahl erfolgt nach eigenen Analysen. Und hier wird es spannend. Dem Finanz­institut wird unter anderem ein 9,5-prozentiges Aktienpaket der VIB Vermögen AG zugerechnet, eine auf die Bestandshaltung von ­Gewerbeimmobilien spezialisierte Gesellschaft aus dem ­oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Mit diesem Wertpapierbündel dominiert die Kreissparkasse das Aktionariat.

Die im November 2009 publik gewordene Beteiligung stieß auf Seiten der VIB auf ein positives Echo: „Mit der Kreissparkasse ­Biberach verfügt die VIB Vermögen AG damit nach der Raiffeisen-Volksbank Neuburg/Donau bereits über einen zweiten, langfristig ­orientierten Investor aus dem Bereich regionaler Banken“, freut sich Ludwig Schlosser, damals wie heute Vorstandsvorsitzender der VIB Ver­mögen AG. Seinerzeit wertete er das Engagement der Biberacher „als weiteren Beleg dafür, dass unsere operativen Erfolge verstärkt vom Kapitalmarkt wahrgenommen werden.“ Sein Vorstandskollege Peter Schropp wies zudem auf die Aktionärsstruktur der Gesellschaft hin: „Wir verfügen über eine gute Mischung aus hohem Free Float und langfristig orientierten Aktionären. Damit vereinen wir stabile Eigentümer­verhältnisse mit einer hohen Liquidität in der Aktie.“ ­Investor und Unternehmen haben sich also gefunden.

Diversifikation mit nur einer Aktie
Ein erwähnenswerter Investor ist auch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, vielen besser bekannt als VBL. Die größte deutsche Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes verwaltet Kapitalanlagen in Höhe von 28,5 Milliarden Euro und hält beispielsweise eine öffentlich bekannte, weil relativ große Position an der TAG Immobilien AG aus Hamburg. Deren operative Entwicklung ist nach Einschätzung von Analysten solide, der Bestandshalter reduziere fortlaufend seine Leerstände, heißt es in einer aktuellen Studie der Privatbank Berenberg. Mit knapp über zehn Prozent ist die VBL neben dem Vermögensverwalter Flossbach von Storch größter Eigenkapitalgeber der Hanseaten. Auf Nachfrage über die Hintergründe dieser Anlage wollte sich die Zusatzversorgungskasse nicht äußern. Vermutlich weiß die VBL das Immobilienportfolio der TAG Immobilien AG ebenso zu schätzen wie das hochliquide Wertpapier. Beim aktuellen Kurs ist das Aktienpaket gut 116 Millionen Euro wert und wirft eine stolze Dividendenrendite von 5,6 Prozent ab.

Nicht nur breit aufgestellte Immobiliengesellschaften ­finden bei institutionellen Investoren Gehör, auch diversifizierte Beteiligungs­gesellschaften müssen nicht lange nach Ankerinvestoren suchen. Für große Aufmerksamkeit sorgte bereits vor drei Jahren die Entscheidung der Versicherungskammer Bayern (VKB), sich im Rahmen ­einer Barkapitalerhöhung stärker an der Indus-Holding zu beteiligen. ­Damals schaltete sich zwar das Bundeskartellamt ein, erteilte der Transaktion dann aber schnell grünes Licht. Durch den Deal kletterte die Beteiligung des bundesweit größten öffentlichen Versicherers schlagartig von gut neun auf 17,36 Prozent und macht die VKB seitdem zum mit Abstand größten Einzelaktionär. Geschadet hat es der auf mittelständische Unternehmen fokussierten Holding aus Bergisch Gladbach keineswegs, wie der rasante Kurszuwachs in der Zwischenzeit belegt. Und im Rahmen einer weiteren Kapitalerhöhung im ­Dezember vergangenen Jahres hat die Versicherungskammer ihr ­Aktienengagement auf mehr als 19 Prozent ausgedehnt. Indus bringt es heute auf einen Börsenwert von knapp einer Milliarde Euro und ­eine Dividendenrendite von 2,8 Prozent. Inzwischen stellt die VKB den Aufsichtsratschef von Indus und bestimmt so die Geschicke des Unternehmens maßgeblich mit: Helmut Späth, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Versicherungskammer Bayern, sitzt seit 2012 im Aufsichtsgremium.

Einen Aufsichtsratsposten bei einer Unternehmensbeteiligung hat auch Dr. Andreas Kretschmer inne. Der Hauptgeschäftsführer der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) in Münster sitzt im Aufsichtsgremium der Deutsche Wohnen AG, einer börsennotierten Wohnungsgesellschaft aus Frankfurt am Main. Die ÄVWL hält derzeit 2,31 Prozent des Aktienkapitals. Darauf angesprochen, wie es zu dem Investment kam, erläutert Kretschmer: „Erste Positionen an der Deutsche Wohnen AG bestehen bereits seit 1999, im Jahr 2007 wurde das Engagement als strategische Immobilienbeteiligung ausgebaut. Hierdurch konnte das Wachstumssegment der deutschen Wohnimmo­bilien frühzeitig besetzt werden.“ Befragt nach dem Reiz des Investments verweist der ÄVWL-Hauptgeschäftsführer auf die eigenen Immobilienbestände und erläutert: „Während die Verwaltung und die Bewirtschaftung des Immobiliendirektbestandes in Münster durch die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe erfolgen kann, erscheint die Übernahme dieser Funktionen in einem deutschlandweit diversifizierten Wohnimmobilien-Portfolio durch die ÄVWL nicht sinnvoll. Daher bedienen wir uns hierfür der Deutsche Wohnen AG als externem Partner.“ Wie es heißt, profitiere die an der immobilienwirtschaftlichen Kennzahl „Funds From Operations“ (FFO) orientierte ­Dividendenpolitik von der gegenwärtigen Niedrigzinsphase. „Insgesamt sichert dieses Segment damit die Erreichung des Rechnungszinses“, so Kretschmer.

Aktien für viele Zwecke
Auch die von der Bundesrepublik Deutschland vor einem Vierteljahrhundert gegründete Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) setzt auf Unternehmensbeteiligungen, wobei der Aktienanteil 21,5 Prozent nicht übersteigen darf. Vor dem Hintergrund der Kapital­anlagen, die nach Marktwert zum 31. Dezember 2013 knapp 2,5 Milliarden Euro schwer waren, ist selbst das ein ordentlicher Brocken. Im Aktiensegment ist die DBU vor allem im Dax 30 investiert, so dass die Titel mit der größten Marktkapitalisierung und Indexgewichtung auch in der Regel die größten Einzeltitel stellen. Als Beimischung ­tätigt die Stiftung ungleich spannendere Investitionen in Nebenwerte. Nach Angaben von Michael Dittrich, Abteilungsleiter für Finanzen und Verwaltung, setzt die DBU unter anderem auf M- und S-Dax-­Titel zur Beimischung, „wenn uns einzelne Titel besonders aussichtsreich erscheinen“, aber auch zur Diversifikation. Danach befragt, ob Aktien in der Gegenwart womöglich als Bondsersatz dienen, antwortet er mit einem unmissverständlichen Nein! „Wir halten seit Jahren kontinuierlich eine Aktienquote von über 20 Prozent unseres Stiftungs­kapitals und verändern diese Quote aktuell auch nicht zulasten der Bonds.“ Verschiebungen in Richtung kleiner Titel gingen ­gegebenenfalls zulasten der Blue Chips, so Dittrich. Die Titel­selektion findet direkt bei der DBU statt, die Stiftung greift dabei auf ihr eigenes Vermögensanlageteam zurück. „Gut fünf Prozent des Stiftungs­kapitals sind in drei Spezialfonds angelegt, die auf ein globales Anlage­universum ausgerichtet sind und für die wir externe Manager nutzen.“ Danach befragt, was er von Veranstaltungen hält, auf denen sich ­börsennotierte Unternehmen präsentieren, um Investoren zu finden, antwortet Dittrich: „Wir nutzen auch solche Veranstaltungen, um uns über die Unternehmen zu informieren.“ Allerdings, und darauf weist er hin, müsse man sich im Klaren sein, dass sich die Unternehmen dort nur von ihrer besten Seite präsentieren.

Ebenfalls ein Verfechter von Aktien ist die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Baden-Württemberg (BWVA), an ­deren Spitze die Zahnärztin Dr. Eva Hemberger wacht. Wie aus dem jüngsten und mittlerweile 63. Versorgungsbrief der BWVA hervorgeht, summierten sich die Kapitalanlagen zum 31. Dezember 2013 auf knapp 11,5 Milliarden Euro. Der mit Abstand größte Teil des Portfolios entfällt mit 5,7 Milliarden Euro auf den Posten „Aktien, Investmentanteile und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere“.

Beteiligt sind die Süddeutschen beispielsweise am Cuxhavener Windpark-Projektierer PNE Wind. Die Versorgungsanstalt hält laut ­einer Mitteilung vom August vergangenen Jahres 2,95 Prozent der Stimmrechte. Damit ist sie größter institutioneller Investor von PNE, die es derzeit auf einen Börsenwert von schlanken 160 Millionen ­Euro bringt. Zum Portfolio der Mediziner zählt auch ein 7,28-prozentiges Aktienpaket an der mittelständischen Greiffenberger AG. Das Unternehmen beschreibt sich selbst als familiengeführte Industrieholding, die die langfristige Wertentwicklung ihrer drei Unternehmens­bereiche vorantreibt.

Institutionelle Geldgeber händeringend gesucht
Greiffenberger ist ein Nebenwert, wie er im Buche steht: Es gibt nur eine Handvoll Analysten, die das Unternehmen auf dem Schirm haben, die Liquidität an der Börse ist an manchen Tagen verschwindend gering und der Börsenwert mit 26 Millionen Euro, nun ja, überschaubar. Und dennoch hat die BWVA an dem Mittelständler Gefallen gefunden und fungiert auch hier als größter institutioneller Investor. Nachdem die Versorgungsanstalt im Oktober 2013 die Fünf-Prozent-Schwelle überschritten hat, stieg der Anteil am Eigenkapital mittlerweile auf 7,28 Prozent. Diese sukzessive Aufstockung ist für Vorstand Stefan Greiffenberger ein „klarer Ausdruck des Vertrauens“, über den er sich auf der diesjährigen Hauptversammlung sehr gefreut hat.

Kleineren börsennotierten Unternehmen wie Greiffenberger ­bietet die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset ­Management (DVFA) regelmäßig die Möglichkeit, sich vor professionellen Kapitalmarktteilnehmern zu präsentieren. Ihre unabhängige, neutrale Stellung erlaube es der DVFA, Buy- und Sell-Side-Analysten sowie Portfoliomanager aller Häuser am Markt einzuladen, heißt es in den Unterlagen zur diesjährigen und mittlerweile zwölften Small Cap Conference (SCC), die am 1. und 2. September 2014 in Frankfurt am Main stattfand. Ohnehin müssen Nebenwerte-CFOs das Beste aus ­ihren begrenzten Investor-Relations-Kapazitäten machen. Vor diesem Hintergrund sprechen sie verstärkt institutionelle Investoren direkt an, wie eine Umfrage unter IR-Managern in Deutschland im vergangenen Jahr gezeigt hat. Durchgeführt wurde sie vom Wiesbadener ­Beratungshaus ­Cometis. Börsennotierte Unternehmen ließen sich im „Kampf um Kapital“ in zwei Kategorien einteilen, heißt es dort. Dabei handelt es sich einerseits um jene Unternehmen, die im inter­nationalen Kontext aufgrund formaler Eigenschaften, wie Markt­kapitalisierung oder Indexzugehörigkeit, in jedes Depot gehören. ­Andererseits verweist das Consulting-Unternehmen auf jene Gesellschaften, die in der zweiten Reihe stehen und offensiv um die Aufmerksamkeit der ­Investoren buhlen müssen.

Nach Angaben von Cometis-Vorstandsmitglied Ulrich Wiehle ­haben speziell die kleinen börsennotierten Firmen große Schwierigkeiten, wenn es darum geht, institutionelle Anleger zu finden. „Noch komplexer gestaltet sich für diese Emittenten die gezielte Suche nach Investoren, die die strategische Ausrichtung des eigenen Unter­nehmens mittragen oder zumindest die Liquidität und somit die ­Attraktivität der eigenen Aktie erhöhen.“ Für beide Seiten mache das sogenannte Investor Targeting Sinn. Hinter dem Schlagwort verbirgt sich die bewusste und genaue Zielgruppendefinition und -ansprache institutioneller Investoren. Einem Whitepaper der Cometis zufolge greifen inzwischen Unternehmen aller Größenordnungen auf das ­Instrument Investor Targeting zurück, wenn sie auf die Suche nach den idealen Anlegern gehen. Während die beliebten Unternehmen laut Cometis-Vorstand Wiehle aber genau selektieren müssten, ­welche Geldgeber sie gern an Bord sehen möchten, bestehe das Ziel der ­Firmen aus den hinteren Reihen darin, überhaupt ausreichend ­passende Investoren zu finden, um eine kritische Masse von investierten oder überhaupt interessierten Profianlegern zu kennen.

Fazit: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Diese ziemlich ­angestaubte Weisheit für heiratswillige Hüpfer hat in der ­institutionellen Kapital­anlage kaum Relevanz. Wie die Märkte zeigen, ­können selbst mittelständisch geprägte ­Firmen, die weder in ­einem der ­großen Börsenindizes enthalten sind noch zu einer schlag­kräftigen Holding ­gehören, das Interesse finanzkräftiger Kapital­sammelstellen auf sich ziehen – bis man eines ­Tages womöglich ­wieder getrennte Wege geht. Mit Hilfe von Investorendaten­banken können darbende Aktiengesellschaften langfristige Geldgeber direkt anhauen, ­wobei das ­Motto hier freilich lauten dürfte: „Ohne Fleiß kein Preis“.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 9/2014

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