Schwarzer Schwan
4. März 2016

Ein Herz für (patriotische) Oligarchen

Russland steckt in der Rezession. Mit Erfindungsreichtum und Heimatliebe bleiben russische Unternehmen aber auf Erfolgskurs.

Institutionelle Investoren rund um den Globus nutzen ihre finanzielle Stärke bisweilen, um vorbildlich auf ökologische oder andere Missstände aufmerksam zu machen. Die einen trennen sich von jeglichen Beteiligungen, die auch nur ansatzweise mit der Emission von Kohlendioxid in Verbindung gebracht werden, andere wiederum ächten jene Unternehmen, die partout nichts von Menschenrechten wissen wollen. In Russland ist das anders, dort scheffelt man mit unethischem Verhalten Milliarden. Wer es in dem Riesenreich zu etwas bringen will, sollte in jedem Fall enge Kontakte zu Präsident Wladimir Putin pflegen. Denn durch Nähe zum Kremlchef kommt man als Unternehmer kurzerhand an Großaufträge, ohne sich unnötig mit Ausschreibungsverfahren und der mit ihnen einhergehenden Unsicherheit beschäftigen zu müssen, ob man den Zuschlag nun erhält oder nicht. 

Das russische Magazin Forbes hat nun wieder seine Liste der „Könige der Staatsaufträge“ veröffentlicht. Das hat den Russland-Korrespondent der Börsen-Zeitung, Eduard Steiner, zu folgender Feststellung hinreißen lassen: „Wer richtig am Fiskus-Kuchen mitnaschen will, der trotz tiefer Rezession noch übrig ist, muss entweder mit dem Kremlchef in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen – oder auf einer der westlichen Sanktionslisten. Ganz so, als ob die, die aufgrund der russischen Ukraine-Politik nicht mehr im Westen einreisen dürfen, dafür zu Hause entschädigt werden müssten.“ Steiner berichtet zum Beispiel über Arkadi Rotenberg, der in der hiesigen Presse schon öfter durch seine eher unkonventionellen Strategien aufgefallen ist. „Der heute 64-Jährige war in seiner Jugend Putins Sparringspartner im Judoclub. Später wurde er im Windschatten des Kremlchefs zum Milliardär“, schreibt Steiner. Heute ist Putins Sportsfreund steinreicher Bauunternehmer und hat beispielsweise einen Teil der Ostseepipeline Nord Stream errichtet. Laut früheren Presseberichten habe Rotenberg seit geraumer Zeit unmittelbar von Putins Staat profitiert. Seine Unternehmen lieferten Pipeline-Rohre, sie bauten Objekte in der Olympiastadt Sotschi und Straßen im ganzen Land. 

Vom Kreml erhielt Rotenberg nun auch den Auftrag, eine Brücke über die Straße von Kertsch zu errichten, um auf diese Weise die annektierte Krim mit der russischen Halbinsel Taman zu verbinden. Rotenberg hat dem aktuellen Bericht der Börsen-Zeitung zufolge über seine Firma Strojgazmontasch allein im Vorjahr Staatsaufträge im Umfang von umgerechnet 6,74 Milliarden Euro eingeheimst. Das sei absoluter Rekord. „Wie die meisten anderen auch erhielt Rotenberg den Großteil, ohne einen Wettbewerb durchlaufen zu müssen – obwohl strengere Gesetze genau das verlangen“, schreibt Russland-Korrespondent Steiner. 

Steiners Ausführungen zufolge suchen Putins Leute neuerdings das Glück im Inland. „Seit sie im Westen unerwünschte Personen sind, haben sie dort auch wirtschaftlich das Feld geräumt.“ Einer von ihnen sei Gennadi Timtschenko, immerhin fünftreichster Russe, der nun vom Staat bestens bedient werde, weshalb er unter den „Königen der Staatsaufträge“ Platz Drei einnimmt. Arbeiten im Wert von 161 Milliarden Rubel – umgerechnet rund zwei Milliarden Euro – habe der Staat im Vorjahr bei Timtschenkos Firmen geordert, darunter den Bau eines Teilstückes der Pipeline „Power of Siberia“.

Auch der Nachwuchs kommt unter

Die Tageszeitung „Die Welt“ erörterte kürzlich Strategien, wie man in Russland auch seinen Nachwuchs in die Erfolgsspur bringt: „Wer im Windschatten Putins im Laufe der vergangenen 15 Jahre aufgestiegen ist, weil er mit ihm entweder gemeinsam im KGB gedient, im Judoklub trainiert oder eine Datschenkooperative gegründet hatte, für dessen Kinder stehen in Putins Reich alle Türen offen. Nicht selten erhielten diese vor allem in staatlichen oder staatsnahen Konzernen und Banken Management- und Aufsichtsratsposten.“ Und das, obwohl sie häufig noch nicht einmal 30 Jahre alt gewesen seien und ihnen jegliche Erfahrung fehlte. Aber Hauptsache patriotisch und nicht schwul. „Teilweise wurden sie von ihren Vätern dort auch platziert, um das Unternehmen einer zusätzlichen Kontrolle zu unterwerfen und zu absoluter Loyalität anzuhalten.“ Wie stark der Nachwuchs von Putins Freunden in die Schlüsselkonzerne des Landes drängt, zeige auch der Fall Boris Kovaltschuk. Der Sohn von Putins Datschennachbarn, dem Banker und Medienmogul Juri Kovaltschuk, leitet den russischen Stromkonzern Inter RAO.

Wo wir gerade von Datschennachbarn und Staatsmännern sprechen, darf eine von der „Heute-Show“ aufgeworfene Frage nicht fehlen: Was haben Wladimir Putin – in dem Donald Trump ein Vorbild sieht – und Horst Seehofer gemein? „Beide beherrschen die Medien. Der eine ein klassisches Staatsfernsehen, der andere Kreml-TV. Beide haben ihre Hündchen gerne. Der eine nennt seins Buffy, der andere Markus.“ Und: Beide stören nur zwei Dinge an Angela Merkel: Politik und Geschlecht. Nach aufwendigen Recherchen des ZDF ist das Lieblingsbuch Putins übrigens „Krims Märchen“. Sein Lieblingsfilm: „Ich – Einfach unverbesserlich.“ Sein Lieblingsessen: Gulag schön scharf. Eines seiner Lieblingshobbys: Nervensägen ausradieren. 

Eine Betriebsanleitung für Russland beziehungsweise dazu, wie man mit einer aufrichtigen patriotischen Einstellung einen Staat ungeschoren ausplündert, finden Sie hier:

https://www.youtube.com/watch?v=VakUHHUSdf8 

In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 

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